OGH 9ObA160/11m

OGH9ObA160/11m29.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Peter Schnöller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. P***** L*****, MBA, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 91.164,53 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 27. Oktober 2011, GZ 11 Ra 75/11w-24, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. April 2011, GZ 9 Cga 162/10d-20, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.109,60 EUR (darin 351,60 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 1. Februar 2008 bis 30. September 2010 als Unternehmensberater bei der Beklagten angestellt. Im Anstellungsvertrag vereinbarten die Streitteile, dass der Kläger der Beklagten seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung stelle, dafür ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt und Bonus zusammensetze, erhalte und das Gehalt jährlich 64.050 EUR brutto, zahlbar in 14 gleichen Teilbeträgen zu 4.575 EUR brutto, betrage. Im Falle der Kündigung sei die Beklagte berechtigt, den Kläger unter Fortzahlung der Bezüge und Gewährung des Resturlaubs vom Ausspruch der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dienstfrei zu stellen. Der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten vereinbarten eine Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche. Sie gingen davon aus, dass mit dem vereinbarten Gehalt sowie den zusätzlichen Leistungen die gesamte Arbeitszeit inklusive Mehr- bzw Überstunden abgegolten würde. Dem Kläger war bekannt, dass eine Pauschalentlohnung in der Branche der Unternehmensberater üblich ist und Mehr‑ bzw Überstunden nicht gesondert entlohnt werden. Auch war ihm bekannt, dass Arbeitszeiten bis zu 60 Stunden pro Woche regelmäßig auftreten würden. Dem Kläger wurde weiters ein Firmenfahrzeug mit einem Sachbezugswert von monatlich 600 EUR brutto, ein Handy und ein Laptop, jeweils auch zur uneingeschränkten privaten Nutzung zur Verfügung gestellt.

Der Kläger leistete pro Woche 40 Stunden Arbeit sowie 673,5 Stunden im Jahr 2008, 530,10 Stunden im Jahr 2009 und 264,58 Stunden im Jahr 2010. Er erhielt einen Bonus von 4.000 EUR. Die Beklagte kündigte das Dienstverhältnis mit Schreiben vom 29. Juni 2010 zum 30. September 2010 auf und stellte den Kläger dienstfrei. Gegen einen Urlaubsverbrauch während der Dienstfreistellung erhob er keinen Einwand.

Die Beklagte verfügt unstrittig über keine Gewerbeberechtigung zur Führung eines Unternehmensberatungs‑Unternehmens. Andernfalls wäre sie dem Fachverband Unternehmensberatung und Informationstechnologie zuzuordnen, für die der Rahmenkollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting gilt.

Der Kläger begehrte auf Basis des monatlichen Gehalts von 4.575 EUR die Zahlung von 91.164,53 EUR brutto sA als Entgelt für Überstunden, als Differenz für die von der Beklagten geleistete Entgeltfortzahlung, bei der die Überstunden nicht berücksichtigt worden seien, sowie als Urlaubsersatzleistung für 17,66 Arbeitstage. Eine All‑In‑Vereinbarung sei nicht abgeschlossen worden. Jedenfalls sei sie mangels Bestimmtheit sittenwidrig und wegen Verstoßes gegen §§ 10 AZG, 2 Abs 2 Z 9 AVRAG unwirksam, weil die Beklagte kein kollektivvertragliches Mindestgehalt offengelegt habe und somit ein allenfalls auf Überstunden entfallender Entgeltteil betragsmäßig nicht ausreichend bestimmbar gewesen sei. Mangels Mitgliedschaft der Beklagten zur Wirtschaftskammer sei auf das Dienstverhältnis kein Kollektivvertrag anwendbar. Die Beklagte könne sich auch nicht auf § 2 Abs 13 GewO berufen, weil diese Bestimmung eine Schutznorm zugunsten des Arbeitnehmers darstelle. Die Berufung der Beklagten auf eine Verfallsklausel im Kollektivvertrag sei überdies rechtsmissbräuchlich, weil sie den Kollektivvertrag nicht ordnungsgemäß im Betrieb aufgelegt, nicht in der Betriebskundmachung darauf hingewiesen, dessen Geltung ihm gegenüber nicht schriftlich offengelegt (§ 2 Abs 2 Z 12 AVRAG) und eine Zugehörigkeit zu einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft auch nicht im Impressum ihrer Homepage ausgewiesen habe (§ 5 Abs 1 Z 6 ECG). Aufgrund dieser Unterlassungen werde das Klagebegehren hilfsweise auch auf Schadenersatz gestützt. Der Resturlaub sei durch die Dienstfreistellung nicht automatisch abgegolten.

Die Beklagte bestritt dies, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Kläger keine angeordneten oder nachträglich genehmigten Überstunden geleistet habe. Sonst wäre eine Abgeltung durch Zeitausgleich erfolgt. Durch die verspätete Geltendmachung allfälliger Überstunden habe er ihr einen Schaden von 293.646 EUR verursacht, weil sie diese Stunden nicht an die Kunden weiterverrechnen habe können. Der Schaden werde kompensando bis zur Höhe des Klagsbetrags eingewandt. Mit dem Kläger sei eine All‑In‑Vereinbarung getroffen worden, die auch branchenüblich sei. Mit ihr seien sämtliche Arbeitsleistungen des Klägers unter Berücksichtigung der zusätzlichen Leistungen wie Bonuszahlungen, Sachbezug PKW, Handy und Laptop abgegolten. Auf das Arbeitsverhältnis sei der Kollektivvertrag für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik anwendbar, nach dessen § 5 Abs 1 vom Kläger geleistete Überstunden bis 30. 4. 2010 verfallen seien. Dieser Kollektivvertrag finde jedenfalls gemäß § 2 Abs 13 GewO Anwendung. Ebenso sehe der Rahmenkollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting vom 1. 1. 2008 eine viermonatige Frist für die Geltendmachung der Überstundenentlohnung bei sonstigem Verfall vor. Die Berufung auf den Verfall verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte aufgrund der All‑In‑Vereinbarung nicht mit so späten Überstundenforderungen habe rechnen müssen. Überdies sei der Sachbezug des Klägers für die Nutzung des Firmen‑PKWs nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, weil die Nutzung nicht an die Arbeitsleistung geknüpft sei. Auf die Entgeltfortzahlungstage sei ein Überstundenschnitt nicht umzulegen. Mit dem Urlaubsverbrauch habe sich der Kläger konkludent einverstanden erklärt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 2 Abs 1 WKG sei die Beklagte unabhängig von ihrer Registrierung ex lege Mitglied der Wirtschaftskammer und könne sich nicht der Anwendbarkeit des Kollektivvertrags entziehen. Die Pflicht, den Kollektivvertrag im Betrieb aufzulegen, sei eine reine Ordnungsvorschrift, die dessen Anwendbarkeit nicht beeinträchtige und auch keinen Schadenersatzanspruch des Dienstnehmers begründen könne. Die Beklagte unterliege dem Fachverband Unternehmensberatung und Informationstechnologie, sodass der Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting anzuwenden sei. All‑In‑Vereinbarungen, die mit dem über dem Kollektivvertrag liegenden Bezug sämtliche Mehrarbeitsleistungen einschließlich der Überstunden abgelten sollen, seien zulässig, solange die Pauschale jedenfalls im Durchschnitt nicht geringer sei als das kollektivvertragliche Mindestentgelt zuzüglich der für die tatsächlich geleisteten Überstunden gebührenden Überstundenvergütung. Ausgehend von einem kollektivvertraglichen Mindestentgelt von 2.454,82 EUR bzw nach zwei Dienstjahren 2.696,66 EUR brutto in der Verwendungsgruppe V und einer Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche errechnete das Erstgericht, dass das Mindestentgelt zuzüglich der Überstundenentlohnung für 3 Überstunden (2008) bzw 2 Überstunden (2009 und 2010) pro Tag unter Berücksichtigung der dem Kläger zusätzlich erbrachten Leistungen deutlich unter seinem Gesamtbezug liege. Die Überstunden seien nach dem Kollektivvertrag überdies verfallen. Dem Anspruch auf Urlaubsersatzleistung stehe eine konkludente Urlaubsvereinbarung entgegen, weil der Kläger auch nach Inanspruchnahme rechtlicher Beratung das Urlaubsanbot der Beklagten nicht abgelehnt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Eine Pauschalierungsvereinbarung könne ausdrücklich oder schlüssig getroffen werden. Dem Arbeitnehmer müsse bei Vertragsabschluss aber erkennbar sein, dass mit dem Entgelt auch die Überstundenvergütung (Normallohn und Zuschlag) abgegolten sein solle. Wesentlich sei, dass von vornherein eine klare Abgrenzung zwischen dem Normallohn und dem für die Leistung allfälliger Überstunden gewährten Teil des Entgelts bestehe. Es reiche aber aus, wenn auf das Arbeitsverhältnis ein Kollektivvertrag oder zumindest dessen Entgeltbestimmungen anwendbar seien und damit der Normallohn zumindest bestimmbar sei.

Durch § 2 Abs 13 GewO und § 7 AVRAG werde für die Arbeitgeberseite keine Außenseiterwirkung iSd § 12 Abs 1 ArbVG begründet. Die Realisierung der Mitgliedschaft bedürfte trotz ihres ex‑lege‑Charakters einer konkreten Fachgruppenzuordnung der Kammer, die hier nicht vorgenommen worden sei. Gemäß § 2 Abs 13 zweiter Satz GewO haben Normen kollektiver Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeit aufgrund einer Gewerbeberechtigung ausüben, auch auf Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung, welche diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Die Bestimmung sei nicht ausschließlich als Schutznorm zugunsten des Arbeitnehmers zu sehen, weil durch sie auch der Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Arbeitgebern, die über die erforderliche Gewerbeberechtigung verfügten, egalisiert werden solle. Es finde daher der Rahmen-Kollektivvertrag für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting Anwendung, wobei dahin gestellt bleiben könne, ob es sich bei § 2 Abs 13 GewO um einen besonderen Fall der Kollektivvertragsangehörigkeit handle oder nur die vergleichbaren Normen des Kollektivvertrags heranzuziehen seien. Es seien auch nicht nur die gesetzlich zulässigen Überstunden abgegolten, weil selbst die Abgeltung von die Höchstgrenzen übersteigenden Überstunden durch eine Überstundenpauschale vereinbart werden könne. Auch unter Berücksichtigung des kollektivvertraglichen Stundenteilers von 1/150 des Monatsgehalts (§ 5 Abs 6 KV) stehe dem Kläger kein Anspruch auf gesonderte Überstundenentlohnung und eine Entgeltfortzahlungsdifferenz zu.

Das Stillschweigen eines Arbeitnehmers auf die bloß als Anregung aufzufassende, nicht näher bestimmte Aufforderung, den Urlaub zu verbrauchen, könne zwar grundsätzlich nicht als Zustimmung zum Abschluss einer Urlaubsvereinbarung gesehen werden. Eine Redepflicht des Erklärungsempfängers bestehe jedoch dann, wenn die Ablehnung durch erkennbar wichtige Interessen des Vorschlagenden, namentlich innerhalb bereits bestehender Rechtsverhältnisse, geboten und ohne ernstliche Behelligung des schweigenden Partners möglich gewesen sei, die Gegenseite mit der Beantwortung habe rechnen können und bei Ausbleiben der Antwort Grund zur Annahme des Einverständnisses mit dem Vorschlag haben durfte. Das sei der Fall, weil die Beklagte zu ihrem Anbot, dass der Kläger in der Zeit der Dienstfreistellung den Urlaub verbrauche, bei Ablehnung eine entsprechende Antwort habe erwarten dürfen. Die Urlaubsvereinbarung sei auch hinlänglich bestimmt gewesen. Die Revision sei mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob eine undifferenzierte All‑In‑Vereinbarung bei Anwendung eines nach § 2 Abs 13 GewO bestimmbaren kollektivvertraglichen Entgelts wirksam sei, zulässig.

Mit seiner Revision beantragt der Kläger, das Berufungsurteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.

1. Der Kläger bringt zunächst vor, § 2 seines Dienstvertrags („Der Mitarbeiter stellt E***** seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung“) sei im Zweifel als Nebenbeschäftigungsverbot, nicht aber als All‑In‑Vereinbarung auszulegen. Es sei dem vertraglich vereinbarten Schriftformgebot für Vertragsergänzungen nicht entsprochen worden.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil feststeht, dass dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten bei Vereinbarung des Dienstverhältnisses klar war, dass mit dem vereinbarten Gehalt sowie den zusätzlichen Leistungen die gesamte Arbeitszeit inklusive Mehr- und Überstunden abgegolten sein sollte und dem Kläger auch bekannt war, dass eine Pauschalentlohnung branchenüblich ist. Das vertraglich vereinbarte Schriftformgebot (§ 13.1.) bezieht sich erkennbar nur auf Änderungen und Ergänzungen des Vertrags, nicht aber auf die Auslegung einer im Vertrag enthaltenen Klausel. Da es für eine Pauschalierungsvereinbarung auch nicht auf deren Bezeichnung ankommt (RIS‑Justiz RS0051519 [T5]), ist die Beurteilung der Vorinstanzen, dass eine All‑In‑Klausel vereinbart wurde, nicht zu beanstanden.

2. Zur Wirksamkeit einer All‑In‑Vereinbarung wurde bereits ausgesprochen, dass eine Pauschalentlohnung von Überstunden grundsätzlich zulässig ist (RIS‑Justiz RS0051519). Das gilt sowohl für Vereinbarungen, die für die gesamte Arbeitszeit ein einheitliches Entgelt festsetzen, als auch für Vereinbarungen, die nur die Überstundenvergütung pauschalieren. Eine Pauschalvereinbarung kann durch Einzelvertrag ausdrücklich oder schlüssig getroffen werden, sofern nur dem Arbeitnehmer erkennbar ist, dass mit dem gewährten Entgelt auch die Überstundenvergütung (Normallohn und Zuschlag) abgegolten sein soll (RIS‑Justiz RS0051519 [T9]). Als Zeitraum für die Durchschnittsberechnung der durch die Pauschale erfassten Überstunden ist mangels Vereinbarung eines kürzeren Zeitraums ein Jahr als angemessen zu erachten (RIS‑Justiz RS0051519 [T14]).

3. Eine Pauschalierungsvereinbarung hindert den Arbeitnehmer nicht daran, über die Pauschale hinausgehende Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein unabdingbarer Anspruch auf Vergütung der Mehrleistungen durch die vereinbarte Pauschalentlohnung im Durchschnitt nicht gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0051519). Es ist daher eine genaue Abgrenzung darüber erforderlich, welche Entgeltbestandteile die Normalarbeit und welche die Überstunden betreffen.

4. Der Feststellung einer allfälligen Unterdeckung wurde bereits mehrfach die Prüfung zugrunde gelegt, ob das vereinbarte All‑In‑Entgelt das kollektivvertragliche Mindestentgelt und das auf dessen Grundlage (als Normallohn) errechnete Überstundenentgelt abdeckt; in diesem Fall ist der Anspruch auf Überstundenentgelt erfüllt (9 ObA 161/01v; 9 ObA 9/01s; krit Klein in Heilegger/Klein/Schwarz, AZG3 § 10 Erl 4, S 272; Felten in Grillberger, AZG § 10 Rz 34; Heilegger, Zur rechtlichen Zulässigkeit und Interpretation von All‑In‑Vereinbarungen, DRdA 2012, 17 ff, 21). Von dieser Judikatur sind auch die Vorinstanzen nicht abgewichen, wenn sie die Vergleichsrechnung auf Basis des kollektivvertraglichen Mindestlohns angestellt haben. Die Revision führt auch kein konkretes anderes Grundentgelt an.

5. Ob sich die Wirkung eines Kollektivvertrags und damit die Bestimmung des kollektivvertraglichen Mindestlohns aus der Kollektivvertragsangehörigkeit des Arbeitgebers iSd § 8 ArbVG oder aus der „besonderen Kollektivvertragsangehörigkeit“ (RIS‑Justiz RS0108232) iSd § 2 Abs 13 zweiter Satz GewO ergeben, kann dabei keinen Unterschied machen, weil der Mindestlohn in jedem Fall bestimmbar ist. In diesem Zusammenhang hat auch das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung nicht nur den Charakter einer Schutznorm zugunsten des Arbeitnehmers hat, sondern auch im Interesse an der Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen zu sehen ist (vgl 9 ObA 131/97v).

6. Ob mit der All‑In‑Klausel nur die gesetzlich zulässigen Überstunden abgegolten sein können, kann dahin gestellt bleiben, weil der Kläger nicht dargelegt hat, ob und inwieweit die Beklagte Überstunden über das gesetzlich zulässige Ausmaß hinaus angeordnet oder entsprechende Dienstleistungen, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht innerhalb der zulässigen Überstunden zu erledigen gewesen wären, entgegengenommen hat (vgl RIS‑Justiz RS0051431; RS0051338).

7. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend beurteilt, dass § 5 Abs 8 des Kollektivvertrags („Wird aus Zweckmäßigkeitsgründen ein Überstundenpauschalentgelt vereinbart, so hat für die Berechnung der monatlichen Pauschalsumme der Grundsatz zu gelten, dass sie der durchschnittlich geleisteten Überstundenanzahl entspricht, wobei die obigen Überstunden‑Zuschläge ebenfalls einzurechnen sind.“) der Vereinbarung einer All‑In‑Klausel nicht entgegensteht.

8. Der Kläger richtet sich weiters gegen den vom Erstgericht angenommenen kollektivvertraglichen Mindestlohn von 2.696,66 EUR brutto und die darauf basierende Berechnung. Die vom Erstgericht seiner Berechnung zugrunde gelegten Beträge wurden offensichtlich der ab 1. 1. 2011 geltenden Mindestgehaltsordnung des Kollektivvertrags entnommen (richtig: 2.454,82 EUR und 2.626,66 EUR brutto). Dem Kläger erwächst daraus aber kein Nachteil, weil das davor geltende monatliche Mindestgrundgehalt niedriger war, sodass das Erstgericht zu seinen Gunsten ohnedies von einem geringeren für die Abgeltung von Überstunden verbleibenden Differenzbetrag ausging. Soweit die Berechnung des Erstgerichts sonst in Zweifel gezogen wird, ist dem Kläger zu entgegnen, dass seine Entlohnung mit dem vereinbarten Pauschalentgelt von monatlich 4.575 EUR brutto 14 Mal jährlich selbst unter Annahme des kollektivvertraglichen Teilungsfaktors von 1/150 (§ 5 Abs 6 KV), unter Berücksichtigung des von ihm in der Klage aufgeschlüsselten fehlenden Überstundendurchschnitts für Tage der Entgeltfortzahlung und unter Außerachtlassung seiner Sachbezüge jenes Gehalt übersteigt, das ihm nach dem Kollektivvertrag zustünde.

9. Da die Vorinstanzen zu Recht eine Unterdeckung verneinten, ist die Frage des Verfalls der Ansprüche und der vom Kläger daraus abgeleiteten Schadenersatzansprüche wegen Nichtauflage des Kollektivvertrags im Betrieb nicht mehr entscheidungswesentlich.

10. Soweit sich der Kläger gegen die Annahme einer Urlaubsvereinbarung richtet, ist es zwar zutreffend, dass der Arbeitgeber alleine durch eine Dienstfreistellung den Urlaubsverbrauch nicht einseitig erzwingen kann (RIS‑Justiz RS0053087 [T8]), sondern ein entsprechendes Anbot des Dienstgebers der ‑ zumindest schlüssigen (RIS‑Justiz RS0077447) ‑ Annahme durch den Dienstnehmer bedarf (§ 4 Abs 1 UrlG). Ob dergestalt eine Urlaubsvereinbarung abgeschlossen wurde, ist jedoch eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Frage, die vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise beantwortet wurde. Ein Korrekturbedarf liegt auch in diesem Punkt nicht vor.

11. Da nach all dem keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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