OGH 10ObS16/11t

OGH10ObS16/11t13.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Bassler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C***** B*****, vertreten durch Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65-67, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Dezember 2010, GZ 9 Rs 116/10k-34, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. März 2010, GZ 5 Cgs 241/04i-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 24. 6. 2003 lehnte die beklagte Partei die Anerkennung des Unfalls des Klägers vom 30. 8. 2002 als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass kein Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG bestehe.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage blieb erfolglos (5 Cgs 194/03a des Erstgerichts; s 10 ObS 125/04m).

Mit Wiederaufnahmsklage begehrte der Kläger, die beklagte Partei sei schuldig, seinen Unfall vom 30. 8. 2002 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm ab dem Anfallstag eine Versehrtenrente im Ausmaß einer Vollrente samt Zusatzrente zu gewähren. Er habe um den 20. 10. 2004 das Erinnerungsvermögen wieder erlangt und könne sich nunmehr an die Geschehnisse des Unfalltages erinnern. Er habe ein Lager räumen müssen und am Unfalltag deshalb bis tief in die Nacht gearbeitet. Da ihm bei der Arbeit heiß gewesen sei, habe er das Fenster geöffnet. Danach reiße sein Erinnerungsvermögen ab. Es sei geplant gewesen, in dem Haus Büroräumlichkeiten einzurichten. Er sei selbständiges Arbeiten gewohnt gewesen, das wegen der Übersiedlung am Unfalltag auch noch spät in der Nacht und gerade in jenem Raum, aus dessen Fenster er gestürzt sei, notwendig gewesen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Mit einem in das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil aufgenommenen Beschluss bewilligte das Erstgericht die Wiederaufnahme des Verfahrens. Im Übrigen wies es das Klagebegehren ab. Die dagegen erhobene Berufung des Klägers führte zur Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der 1968 geborene Kläger war Geschäftsführer der 1996 gegründeten C***** GmbH mit dem Sitz in Wien, *****. Im September 2001 übernahm die Mutter des Klägers die Geschäftsführung. Nach Konkurseröffnung am 24. 10. 2001 wurde der Kläger von der Masseverwalterin mit 1. 12. 2001 entlassen. Nach Aufhebung des Konkursverfahrens nahm ihn seine Mutter mit 1. 3. 2002 als Angestellten der GmbH auf, wobei geplant war, dass er wieder die Geschäftsführung übernimmt. Beabsichtigt war, dass in einem vom Kläger neu erworbenen Eigenheim am F*****platz *****, Wien, ein Büro und ein Schauraum sowie ein Lager errichtet werden. Die privaten Räumlichkeiten sollten im Erdgeschoss etabliert werden, im ersten Stock die Büroräumlichkeiten und im Dachgeschoss ein Schauraum mit Sitzgruppe sowie Rollschränke für Buchhaltungs- und Bürounterlagen. Die C***** GmbH unterhielt ein Lager im Palais H*****, das bis zum 31. 8. 2002 geräumt zu übergeben war. Am 28. 8. 2002 wurde dem Kläger der Auftrag erteilt, das Lager zu räumen. Am 29. 8. 2002 war er bis 17:00 Uhr im Geschäft auf der F***** im Verkauf tätig. Danach fuhr er zu seiner Mutter in die Modecenterstraße und von dort zum Haus am F*****platz. In der Zeit bis 20:00 Uhr brachte er gemeinsam mit einem Helfer Aktenordner und auch Schreibtische in das Haus. Einen Schreibtisch trug er bis in das Dachgeschoss. Von 20:00 bis 22:00 Uhr war er gemeinsam mit seinem Helfer in einem Cafe essen. Danach kehrte er in das Haus zurück. Er lud Sachen aus dem Auto aus, die er in den zweiten Stock brachte. Gegen 23:00 Uhr fuhr er nochmals zu dem rund 10 Fahrminuten entfernten Cafe, um Zigaretten zu holen. Von dort zurückgekehrt trug er zweimal je einen ca 20 kg schweren Karton mit Buchhaltungsunterlagen in den zweiten Stock. Da es ein heißer Tag und im Haus warm war, wurde ihm dabei heiß. Er wollte ein Fenster aufmachen, ging zum Fenster im zweiten Stock und öffnete es. In der Folge stürzte er aus dem Fenster, dessen Unterkante 94 cm über dem Boden war, auf die Straße. Er hatte die Absicht, noch weitere Kartons in den zweiten Stock zu tragen. Am 30. 8. 2002 fand man ihn gegen 8:00 Uhr bewusstlos vor dem Haus. Zum Unfallzeitpunkt befanden sich im Dachgeschossraum ein Ledersessel und eine Lederbank in Nähe des Doppelfensters, ein weiteres Sitz-/Liegemöbel in der Mitte des Raumes, sowie ein einfacher, eher alter Schreibtisch ohne Sessel, auf dem Schreibtisch ein PC-Bildschirm, eine Tastatur und ein Kopiergerät, ein Computer unter dem Schreibtisch und rechts von diesen drei Kartons. Welche äußere oder innere Ursache zum Sturz aus dem Fenster geführt hat, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger erlitt durch den Sturz schwere (insbesondere Kopf-)Verletzungen, die zu einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % führten.

In der Beweiswürdigung hielt das Erstgericht fest, das den Sturz auslösende Moment habe nicht festgestellt werden können. Ein Stolpern über einen Gegenstand könne ausgeschlossen werden, ebenso ein Besteigen einer Leiter oder eines Stockerls zur Durchführung einer Tätigkeit im oberen Bereich des Fensters. Ein Krampfanfall als Ursache des Hinausfallens sei vom Sachverständigen als unwahrscheinlich eingeschätzt worden. Aus diesen Ausführungen sei auch zu folgern, dass ein plötzlich auftretender Schwindel oder eine plötzlich auftretende Bewusstlosigkeit als Ursache für den Sturz anzunehmen sei.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Ursache des Unfalls habe nicht festgestellt werden können. Denkmöglich sei, dass die beruflichen Tätigkeiten des Klägers vor dem Ereignis am Unfallstag ab 17:00 Uhr bei bestehender Hitze aufgrund der gegebenen körperlichen Verhältnisse zu einer Kreislauflage führten, die im Zusammenspiel mit weiteren außergewöhnlichen Umständen zum Sturz geführt hätten. Daraus sei für den Kläger aber nichts zu gewinnen, weil dies zur gleichen Zeit auch bei Übersiedlungstätigkeiten im privaten Wohnbereich des Hauses hätte auftreten können. Die berufliche Tätigkeit sei daher nur als Gelegenheitsursache anzusehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Der Anscheinsbeweis sei nur dann zulässig, wenn eine typische formelhafte Verknüpfung der bewiesenen Tatsache und dem gesetzlich geforderten Tatbestandselement bestehe. Er dürfe daher nicht dazu dienen, Lücken der Beweisführung durch bloße Vermutungen auszufüllen. So sei der Anscheinsbeweis dort ausgeschlossen, wo der Kausalablauf durch den individuellen Willensentschluss eines Menschen bestimmt werden könne. Der bloße Verdacht eines bestimmten Ablaufs, der auch andere Verursachungsmöglichkeiten offen lasse, gebe für den Beweis des ersten Anscheins keinen Raum. Im Anlassfall könne kein Tatbestand mit einem typischen formelhaften Geschehensablauf angenommen werden. Nach wie vor habe nicht festgestellt werden können, welche äußere oder innere Ursache zum Sturz aus dem Fenster geführt habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene von der beklagten Partei beantwortete außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig. Sie ist im Sinn der Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen auch berechtigt.

1. Gemäß § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen ist ein Arbeitsunfall des Klägers zu bejahen.

2. Unfälle im Sinn dieser Bestimmung sind zeitlich begrenzte Ereignisse, die zu einer Körperschädigung führen (stRsp RIS-Justiz RS0084348). Dass der folgenschwere Sturz des Klägers als Unfall anzusehen ist, ist zu Recht nicht strittig. Im Aufprall auf die Straße ist ein zeitlich begrenztes, (von außen) auf den Körper einwirkendes Ereignis zu sehen.

3. Für die Qualifikation eines Unfalls als Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten Ereignis (Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen - wie im Anlassfall festgestellt - Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (vgl 10 ObS 134/08s, SSV-NF 22/79).

4. Bei der Feststellung einer inneren (oder: sachlichen) Verknüpfung zwischen einem zum Unfall führenden Verhalten und der versicherten Tätigkeit geht es um die Ermittlung der Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Im Vordergrund stehen Verhaltensweisen, die einem vernünftigen Menschen als Ausübung der geschützten Tätigkeit erscheinen (objektive Bedingung) und vom Handelnden auch in dieser Intention entfaltet wurden (subjektive Bedingung; 10 ObS 238/00y, SSV-NF 14/110 mwN). Die Feststellung eines inneren Zusammenhangs ist eine Wertentscheidung. Sie erfordert, sämtliche Gesichtspunkte und Überlegungen miteinzubeziehen und sie sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit zu werten; erst daraus folgt entweder das Vorhandensein eines versicherten Verhaltens oder das Vorliegen privatwirtschaftlicher Verrichtungen. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, das unfallbringende Verhalten dem geschützten Bereich oder der Privatsphäre des Versicherten zuzurechnen. Die subjektive Meinung, betriebsdienlich tätig zu sein, ist unfallversicherungsrechtlich dann relevant, wenn diese Meinung in den objektiven Verhältnissen eine ausreichende Stütze findet (10 ObS 269/95, SSV-NF 10/7; RIS-Justiz RS0084490).

Private (eigenwirtschaftliche) Verhaltensweisen des Versicherten - zB Essen, Trinken, Körperpflege, Schlafen - stehen grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz. Kommen jedoch besondere wesentlich durch die betriebliche Tätigkeit bedingte Umstände hinzu, wird der Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit noch nicht unterbrochen, denn die gesetzliche Unfallversicherung erstreckt sich auf alle jene Gefahren, denen der Versicherte infolge seiner Betriebstätigkeit ausgesetzt ist. Wird das schädigende Ereignis wesentlich durch die Zugehörigkeit zum Betrieb mitbedingt, haben also betriebliche Einrichtungen bei der Entstehung des Unfalls wesentlich mitgewirkt und wurde der Unfall daher wesentlich durch die Umstände an der Arbeitsstätte oder die Arbeitstätigkeit selbst verursacht - etwa weil sie unter erhöhtem Gefahrenrisiko selbst verursacht wurde und dieses erhöhte Risiko auch tatsächlich zum Unfall geführt hat - liegt ein Arbeitsunfall vor (10 ObS 165/88, SSV-NF 2/76 mwN; vgl Tomandl in Tomandl, SV-System 13. Erg-Lfg 310).

Ist eine private (eigenwirtschaftliche) Tätigkeit nach ihrer Art und Dauer bei natürlicher Betrachtungsweise so, dass sie nur zu einer zeitlich und räumlich geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit führt und noch ein innerer Zusammenhang zwischen dem Unfallgeschehen und der betrieblichen Tätigkeit besteht, entfällt der Versicherungsschutz noch nicht (10 ObS 165/88, SSV-NF 2/76; RIS-Justiz RS0084686; vgl 10 ObS 30/08x, SSV-NF 22/22 hinsichtlich eines Wegunfalls; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung [SGB VII-]Komm § 8 Rz 54 mwN). Eine Verneinung des Versicherungsschutzes selbst bei geringfügigen Unterbrechungen würde in konsequenter Durchführung bedeuten, dass der arbeitende Mensch, um seinen Versicherungsschutz zu erhalten, einer Maschine vergleichbar, während der gesamten Arbeitszeit sich ausschließlich auf die Arbeit auszurichten und alle persönlichen Gedanken, Bedürfnisse und Empfindungen schlechthin zu unterdrücken hätte (10 ObS 165/88, SSV-NF 2/76 mwN).

Ein innerer Zusammenhang des Fensteröffnens durch den Kläger mit seiner versicherten Tätigkeit ist - im Gegensatz - aufgrund neuer Sachverhaltsgrundlage - zum Vorprozess (s 10 ObS 125/04m) - zu bejahen:

Nach den Feststellungen führte der Kläger, unmittelbar bevor er das Fenster öffnete, im Rahmen seines die Versicherung begründenden Arbeitsverhältnisses Umzugsarbeiten aus, die er nach dem Öffnen des Fensters fortsetzen wollte. Das Öffnen des Fensters war zwar keine Arbeitstätigkeit im engeren Sinn, aber von der Intention des Klägers getragen, die Temperaturbedingungen im Raum, wo die Umzugsarbeiten auch auszuführen waren, für die beabsichtigte Weiterarbeit zu verbessern. Sie führte auch nur zu einer geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit, hielt sich doch der Kläger schon im Raum auf und nimmt das Öffnen eines Fensters sehr wenig Zeit in Anspruch. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger im unmittelbaren Anschluss an das Öffnen des Fensters aus dem Fenster stürzte. Das Fensteröffnen führte nur zu einer geringfügigen, den Versicherungsschutz nicht aufhebenden Unterbrechung. Diese Verrichtung ist der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.

5. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen schadet dem Kläger nicht, dass nicht festgestellt werden konnte, welche „äußere oder innere Ursache zum Sturz aus dem Fenster geführt hat“.

Nach den auch in Sozialrechtssachen geltenden Grundsätzen trifft den Versicherten die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen. Er hat daher nach der Entscheidung 10 ObS 30/91 (SSV-NF 5/10) den kausalen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zur Verletzung führenden Unfall nachzuweisen. Die Entscheidung weist aber dem Unfallversicherungsträger die Beweislast dafür zu, dass durch die Vorgangsweise des Versicherten eine Lösung vom Betrieb eingetreten ist.

Das (deutsche) Bundessozialgericht hat ausgesprochen, verunglückt ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen oder beendet hatte (BSG B 2 U 24/03 R, BSGE 93/34; BSG B 2 U 28/06 R, SGb 2007, 672; zust Schwerdtfeger in Lauterbach 4, Unfallversicherung (SGB VII) 38. Lfg, § 8 Rz 80 mwN; vgl Krasney in SGB VII-Komm, § 8 Rz 43).

Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Unfallversicherungsträger die Beweislast dafür trägt, dass durch die Vorgangsweise des Versicherten eine Lösung vom Betrieb eingetreten ist, und wird vom erkennenden Senat geteilt. Dass unklar geblieben ist, ob eine dem betrieblichen oder eine dem privaten Bereich zuzurechnende Handlung zu dem Sturz des Klägers, der zuletzt eine betriebliche Tätigkeit verrichtet hatte, geführt hat, belastet also die beklagte Partei, weil der Beweis, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit an seinem Arbeitsplatz für eine private Tätigkeit unterbrochen oder beendet hatte, nicht erbracht wurde.

Dass eine bestimmte Ursache des Sturzes nicht festgestellt werden konnte, steht der Annahme eines Arbeitsunfalls nicht entgegen. Der ungeklärte Unfallverlauf belastet den Kläger nach der Lage des Falls nicht. Auszugehen ist davon, dass - wie dargelegt - der Kläger im Unfallzeitpunkt eine versicherte Tätigkeit verrichtete. Es steht aufgrund der negativen, den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellung des Erstgerichts nicht fest, dass außer der versicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit auch außerbetriebliche Umstände als Ursachen in Betracht kommen. Dass ein plötzlicher, nicht betriebsbedingter Schwindelanfall oder eine plötzliche, nicht betriebsbedingte Bewusstlosigkeit als allein wesentliche Ursachen möglich sind, reicht zur Verneinung der Unfallkausalität der versicherten Tätigkeit nicht aus. Kann nämlich nicht festgestellt werden, dass ein Schwindelanfall oder eine Bewusstlosigkeit zum Sturz führten, so scheiden sie schon im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn als Ursache aus (vgl Krasney in SGB VII-Komm, § 8 Rz 335 mwN; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII. 8. Lfg IV/99, § 8 Rz 343 [S 163]).

6. Der Anspruch des Klägers, dessen Erwerbsfähigkeit durch die Gesundheitsstörungen des Arbeitsunfalls zur Gänze gemindert ist, auf eine Versehrtenrente im Ausmaß von 100 vH der Vollrente (§§ 203 Abs 1, 205 ASVG) und eine Zusatzrente für Schwerversehrte im Ausmaß von 50 % seiner Versehrtenrente (§§ 205 Abs 4, 205a Abs 1 Z 2 ASVG), ist zu bejahen. Zur Aufhebung muss es aber kommen, weil die Feststellungen der Vorinstanzen die abschließende Beurteilung des Anfalls der Leistungen (§ 204 ASVG) nicht erlauben. In diesem Punkt wird das Verfahren zu ergänzen und sodann neuerlich zu entscheiden sein.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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