OGH 7Ob233/11g

OGH7Ob233/11g21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H*****, gegen die beklagte Partei Dr. C*****, vertreten durch Mag. Martina Flitsch, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 12.630,43 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juni 2011, GZ 16 R 60/11b‑78, womit die Berufung der klagenden Partei wegen Nichtigkeit verworfen und das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. Dezember 2010, GZ 8 Cg 55/07b‑74, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00233.11G.1221.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR (darin 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig, weil über nicht revisible Tatfragen und über Rechtsfragen, die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig gewesen seien, entschieden worden sei. Diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 24. 10. 2011 auf Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO dahin ab, dass es die ordentliche Revision ‑ im Wesentlichen ‑ mit folgender Begründung doch für zulässig erklärte:

Der Kläger bringe im Antrag gemäß § 508 ZPO vor, das Erst- und Berufungsgericht ermöglichten dem Beklagten, den Kläger seines Honoraranspruchs für das „Amtshaftungsverfahren II“ zu berauben, und billigten ihm andererseits „die Rosinen der erzielten Geldleistung“ zu. Der Beklagte erhalte eine Versicherungsleistung, die den tatsächlichen Aufwand übersteige und werde dadurch auf Kosten der Rechtsschutzversicherung und auf Kosten des Klägers bereichert. Diese Auffassung treffe nicht zu. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass die Vereinbarungen zwischen den Streitteilen zur Unentgeltlichkeit der Vertretung des Klägers im genannten Verfahren und zur Frage, wem die Leistung der Rechtsschutzversicherung für dieses Verfahren letztlich zukommen sollte, unter „Berücksichtigung einer Gesamtbetrachtung“ (im Gegensatz zur zergliedernden Betrachtung nach der „Rosinentheorie“) anders beurteilt werden könnten. Daher werde der Zulassungsausspruch abgeändert und die ordentliche Revision (doch) zugelassen.

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Revisionsbeantwortung hält zutreffend fest, dass aus dem hier zu beurteilenden Sachverhalt schon angesichts der Einzelfallbezogenheit keine Erheblichkeit nach der Bestimmung des § 502 Abs 1 ZPO ableitbar ist.

Es geht um eine Frage der Vertragsauslegung, der typischerweise keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, selbst wenn nach dem Sachverhalt auch eine andere Auslegung vertretbar wäre (RIS-Justiz RS0112106 [T3]; RS0042555 [T1, T4]; RS0042776 [T2]; RS0044298 [T39]; 6 Ob 251/11x; 5 Ob 121/11x mwN).

Eine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmen wäre, ist dem Berufungsgericht nicht vorzuwerfen (RIS-Justiz RS0042776 [T1]; RS0044298 [T27, T39, T46, T51 und T52]; 6 Ob 251/11x):

Nach den in der Revision nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen ist es dem Kläger nicht gelungen, eine Honorarforderung für sein auftragswidriges Vorgehen im Amtshaftungsverfahren II nachzuweisen. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beklagte damit einverstanden gewesen wäre, dem Kläger 10.000 EUR als Honorar für dieses Verfahren aus der Vergleichssumme zukommen zu lassen.

Davon ausgehend ist die der Abweisung der Honorarklage des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten zugrundeliegende Beurteilung, dass sich der Kläger, der den genannten Betrag nicht an den Beklagten weitergeleitet hat, auf keine Vereinbarung oder einen anderen Rechtsgrund berufen kann, der die Einbehaltung rechtfertigen würde, jedenfalls vertretbar; stand dem Kläger doch nur eine unstrittige Honorarforderung von 9.617,49 EUR zu, die durch die kompensando eingewendete Gegenforderung von 10.000 EUR getilgt ist.

Den Revisionsausführungen, die sich weiterhin auf die (vom Berufungsgericht verneinte) Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz und auf die in der Zulassungsbegründung angeführte Rechtsfrage stützen, ist daher nur kurz zu erwidern, dass der Kläger

- sich großteils über die ‑ im Revisionsverfahren unangreifbaren ‑ Feststellungen hinwegsetzt, sodass die Rechtsrüge weitestgehend nicht dem Gesetz entspricht (vgl RIS-Justiz RS0043603; RS0043312; jüngst: 9 ObA 68/11g), weil sie nach Art einer ‑ unzulässigen ‑ Beweisrüge die Tatsachengrundlage der Berufungsentscheidung bekämpft,

- das Wesen der Aktenwidrigkeit verkennt (vgl RIS-Justiz RS0043421; 7 Ob 112/11p) und

- übersieht, dass eine vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden kann; handelt sich dabei doch um einen Beschluss gemäß § 519 Abs 1 ZPO, der absolut unanfechtbar ist (stRsp; RIS-Justiz RS0043405 [T48, T49]), weil er keine in dieser Bestimmung geregelte Ausnahme betrifft (jüngst: 7 Ob 188/11i mwN [dazu, dass damit umso weniger eine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt werden kann, woran auch die Behauptung nichts zu ändern vermag, dem Berufungsgericht sei selbst ebenfalls eine Nichtigkeit unterlaufen]).

Was den durchgesetzten Anspruch des Beklagten gegen die Rechtsschutzversicherung betrifft, ist abschließend nur noch festzuhalten, dass der Kläger als Rechtsanwalt das Ersiegte nicht an seinen Mandanten weitergeleitet hat (§ 19 Abs 3 RAO). Von einer „Bereicherung“ des Beklagten kann daher keine Rede sein:

Grundsätzlich hat der Rechtsanwalt nämlich immer dann, wenn ‑ wie hier ‑ die Richtigkeit und Höhe seiner Honorarforderung bestritten wird, entweder den bei ihm eingegangenen Betrag dem Mandanten auszufolgen (vgl dazu § 17 RL-BA) oder bei Gericht gemäß § 1425 ABGB zu hinterlegen (stRsp; 3 Ob 24/07m; RIS-Justiz RS0033851, RS0056451; Obermaier , Das Kostenhandbuch² [2010] Rz 17 ff mwN; vgl auch 7 Ob 21/09b). Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt also ‑ mangels einer Vorgangsweise gemäß § 19 Abs 3 RAO ‑ im Sinn des § 17 RL‑BA zur sofortigen Ausfolgung der gesamten zurückgehaltenen Barschaft ohne Bedachtnahme auf das umstrittene Honorar verpflichtet (8 Ob 1545/93 mwN; RIS‑Justiz RS0056451; RS0072014; Obermaier aaO Rz 19 mwN).

Auf den in der Revision angesprochenen Umstand, dass der Beklagte keine Schadenersatzforderungen gegen den Kläger geltend gemacht habe, kommt es somit gar nicht an.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision aufgezeigt und deren Zurückweisung beantragt.

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