OGH 9ObA27/11b

OGH9ObA27/11b21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** R*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz und Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Rechtsanwälte-Partnerschaft in St. Veit an der Glan, wegen 9.990,26 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. November 2010, GZ 7 Ra 77/10p-17, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Mai 2010, GZ 30 Cga 239/09g-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR (darin 123,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verneinten übereinstimmend den vom Kläger für den Zeitraum vom 1. 10. 2006 bis 16. 9. 2007 geltend gemachten Anspruch auf einen die empfangene Lehrlingsentschädigung übersteigenden Lohn. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Entlohnung eines Lehrlings vorliege, der nach der in der Probezeit erfolgten Auflösung seines Lehrverhältnisses weiterhin als Lehrling beschäftigt werde. Der Kläger schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an. Die Beklagte bestritt ausdrücklich die Zulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte deren Zurückweisung.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Der gegenständliche Fall, dessen Beurteilung weitgehend von der Auslegung der Erklärungen der beteiligten Personen und den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt, kann auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Die Parteien gingen in erster Instanz davon aus, dass das zwischen ihnen am 10. 7. 2006 begründete Lehrverhältnis (Metalltechnik - Fahrzeugbautechnik) von der Beklagten innerhalb der dreimonatigen Probezeit aufgelöst wurde. Die vom Erstgericht diesbezüglich getroffenen Feststellungen wecken allerdings Zweifel, ob es am 30. 9. 2006 tatsächlich zu einer Auflösung des Lehrverhältnisses kam. Nach dem festgestellten Sachverhalt legte der Geschäftsführer der Beklagten zwar dem Kläger im September 2006 ein Formular über die „Lehrvertragsauflösung in der Probezeit“ per 30. 9. 2006 vor, erklärte dazu aber nur, dass sich „damit“ die Probezeit um drei Monate verlängere. Von einer Auflösung des Lehrverhältnisses war damals keine Rede. Der Kläger und dessen Mutter waren „mit der neuen Regelung“ einverstanden. In der Folge wurde der Kläger auch nach dem 30. 9. 2006 wie bisher von der Beklagten als Lehrling bezeichnet, mit den bisherigen Aufgaben als Lehrling beschäftigt, wie alle anderen Lehrlinge im Betrieb behandelt und wie ein Lehrling mit der Lehrlingsentschädigung entlohnt.

Der Kläger betrachtete sich bis zu seiner Vorsprache bei der Arbeiterkammer Kärnten im September 2009 auch für die Zeit vom 1. 10. 2006 bis 16. 9. 2007 als Lehrling. Seither will er kein Lehrling mehr, sondern ein „Hilfsarbeiter“ (Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung) gewesen sein, und will daher auch nicht wie ein Lehrling, sondern wie ein Hilfsarbeiter nach dem Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe entlohnt werden. Im vorliegenden Fall geht es nicht um nach der Ausgangslage allenfalls zu erwartende Fragen der Anrechnung der vorstehenden Zeit auf die Lehrzeit oder andere spezifische Probleme nach dem Berufsausbildungsgesetz (BAG), BGBl 1969/142, sondern ausschließlich um die Entlohnung des Klägers als Hilfsarbeiter.

Zur Forderung des Klägers auf eine die Lehrlingsentschädigung übersteigende Entlohnung könnte man nun - unter Ausklammerung der vom Kläger nicht gewollten Variante, dass das Lehrverhältnis per 30. 9. 2006 gar nicht beendet, sondern vielmehr von den Parteien unter der verfehlten Vorstellung von einer „Verlängerung der Probezeit“ fortgeführt wurde, ohne dass sie in der Folge von einer dadurch begründeten Auflösungsmöglichkeit Gebrauch machten, - auf zwei Wegen kommen:

Der erste Weg, der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags, der die Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten als Hilfsarbeiter vorgesehen hätte, scheidet hier schon nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers aus. Darin hat der Kläger nämlich keinen Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags über die Beschäftigung als Hilfsarbeiter bei der Beklagten behauptet, sondern lediglich vorgebracht, dass er bei der Beklagten als Lehrling beschäftigt gewesen sei und (erst) nachträglich „feststellen musste“, dass er im Zeitraum vom 1. 10. 2006 bis 16. 9. 2007 „tatsächlich als Hilfsarbeiter beschäftigt“ war. Auf eine darauf gerichtete Vereinbarung stützte er sich nicht. Eine solche ist auch nicht im Verfahren hervorgekommen. Der Kläger wurde von der Beklagten auch nicht zu Hilfsarbeiten herangezogen.

Der zweite Weg, die (allfällige) Betrauung eines vermeintlichen Lehrlings mit Hilfsarbeiterarbeiten im Rahmen eines nichtigen Lehrverhältnisses hat den Obersten Gerichtshof bereits mehrfach beschäftigt. In den einschlägigen Entscheidungen wurde klargestellt, dass es im Fall der Honorierung der im Rahmen eines nichtigen Lehrverhältnisses erbrachten Arbeitsleistungen nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts darauf ankommt, zu welchen Tätigkeiten der betroffene Lehrling (Arbeitnehmer) überwiegend herangezogen wurde. Wenn er tatsächlich als Lehrling verwendet wurde, dann gebührt ihm die Lehrlingsentschädigung als Maßstab des angemessenen Entgelts. Wurde er hingegen überwiegend zu Hilfsarbeiten herangezogen, dann gebührt ihm der kollektivvertragliche Lohn eines Hilfsarbeiters (4 Ob 67/83 = SZ 57/144; 4 Ob 69/85; 9 ObA 175/88; RIS-Justiz RS0016339 ua). Letzteres war hier allerdings, wie die Vorinstanzen zutreffend hervorhoben, nicht der Fall. Der Kläger wurde auch im fraglichen Zeitraum vom 1. 10. 2006 bis 16. 9. 2007 von der Beklagten nur wie ein Lehrling eingesetzt.

Dass dem ausschließlich mit den Aufgaben und Arbeiten eines Lehrlings betrauten Kläger in Bezug auf die von ihm begehrte, die Lehrlingsentschädigung übersteigende Entlohnung nicht mit der vorstehend ausgeschiedenen Variante (Fortbestehen des Lehrverhältnisses) gedient ist, bedarf keiner besonderen Erörterung. Auf den Umstand, dass der Kläger in der fraglichen Zeit als Arbeiter bei der Kärntner Gebietskrankenkasse gemeldet war, geht der Revisionswerber zurecht nicht mehr ein. Es genügt daher der Hinweis, dass Meldungen des Arbeitgebers gegenüber der Gebietskrankenkasse weder bestehende Vereinbarungen der Parteien abändern, noch fehlende Vereinbarungen ersetzen können (vgl RIS-Justiz RS0109385 ua).

Hilfsweise stützte sich der Kläger auch noch auf das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses der Beklagten. Diesbezüglich genügt der Hinweis, dass die Beurteilung des Vorliegens eines konstitutiven Anerkenntnisses von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (RIS-Justiz RS0017965; RS0044468 ua). Dass ein konstitutives Anerkenntnis als Feststellungsvertrag (RIS-Justiz RS0032406; RS0032818 ua) auf einer Willensübereinstimmung zwischen dem Anerkennenden und dem Begünstigten beruhen muss und nicht schon aus bloßen Erklärungen des (angeblich) Anerkennenden gegenüber Dritten oder gar nur aus Erklärungen Dritter folgen kann, bedarf keiner besonderen Erörterung. Aus Einkommenssteuerbescheiden und Lohnzetteln ist daher für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts zu gewinnen.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte wies in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hin (RIS-Justiz RS0035979 ua).

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