Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden - Urteil wurde Gerhard S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall (richtig: erster und vierter Fall) und Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 Abs 1 StGB (I./) und des Verbrechens der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1, 15 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz
I./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Verfügungsberechtigte nachgenannter Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die die Unternehmen in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag schädigten, indem er
a./ im April 2008 gegenüber Verfügungsberechtigten der V***** GmbH vorgab, es gäbe Weiterleitungsaufträge bei der O***** und Zahlungen der G***** GmbH & Co KG in der Höhe von ca 130.000 Euro würden an die V***** GmbH weitergeleitet, diese dazu verleitet, dass Eigentumsvorbehalte hinsichtlich zweier LKW im Wert von insgesamt ca 70.000 Euro „gelöscht“ und die Einzelgenehmigungsbescheide ausgehändigt wurden, wobei er zur Täuschung einen verfälschten Weiterleitungsauftrag, sohin eine verfälschte Urkunde verwendete;
b./ von 12. bis 20. Mai 2009 als Prokurist und faktischer Geschäftsführer der H***** GmbH durch Ausstellung von Rechnungen lautend auf die genannte GmbH, obwohl die verrechneten Leistungen von der HM***** GmbH erbracht worden waren, unter Benützung falscher Beweismittel, nämlich dieser Rechnungen, auf Verfügungsberechtigte von im Urteil angeführten Unternehmen in sechs Fällen zur Bezahlung der genannten Rechnungsbeträge an die H***** GmbH verleitet und dadurch die Unternehmen mit einem Betrag von insgesamt 76.758,51 Euro geschädigt oder zu schädigen versucht;
II./ von 12. bis 20. Mai 2009 als Prokurist und faktischer Geschäftsführer der H***** GmbH als Schuldner mehrerer Gläubiger durch die zu I./ b./ angeführten Taten Bestandteile des Vermögens der HM***** GmbH beiseitegeschafft, wodurch die Befriedigung der Gläubiger vereitelt oder geschmälert werden sollte, und er durch die Tat einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden von 76.758,51 Euro herbeizuführen versuchte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Gerhard S*****, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 8, Z 9 lit a und Z 9 lit b StPO stützt. Sie schlägt fehl.
Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall liegt vor, wenn nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist. Dazu ist stets die Gesamtheit der Urteilsbegründung und das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick zu nehmen (RIS-Justiz RS0117995; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419).
Allein aus der mehrfachen Verwendung des Wortes „offenbar“ in der Beweiswürdigung kann eine mangelhafte Begründung der Feststellungen zu Schuldspruch I./ a./ im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes keineswegs abgeleitet werden. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung zeigt sich entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen, dass die Tatrichter detailliert darlegten, aufgrund welcher Umstände sie betreffend den gegenständlichen Weiterleitungsauftrag davon ausgingen, dass es sich bei dem Schriftstück um eine in einigen Punkten abgeänderte Kopie einer in einem vorangegangenen Geschäftsfall verwendeten Urkunde handelte (US 19). Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete das Schöffengericht aus dem objektiven Tatgeschehen sowie aus dem Verhalten des Angeklagten nach der Tat ab. Als wesentliche Indizien hob es hervor, dass Unternehmen, auf welche der Beschwerdeführer einen wesentlichen Einfluss hatte, davon profitierten, dass der V***** GmbH der Erlös aus dem Verkauf der gegenständlichen Lastkraftwagen vorenthalten wurde (US 24).
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall StPO) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffene Feststellung aus formalen Gründen mangelhaft. Eine Wertung des Rechtsmittelgerichts findet trotzdem statt. Nur wird nicht in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse, mit anderen Worten in die Würdigung des herangezogenen Beweismaterials (des Bezugspunkts der Beweiswürdigung), eingegriffen, sondern in die Auswahl des für diese Bewertung heranzuziehenden Beweismaterials. Dem Rechtsmittelgericht obliegt also nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte erwogen wird, nicht aber des Inhalts dieser Erwägungen (RIS-Justiz RS0118316). Es ist kein Begründungsmangel, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet, die er als erwiesen annimmt, und die Gründe anführt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Annahme geführt haben (RIS-Justiz RS0098377).
Entgegen dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen haben die Tatrichter die Aussage des Zeugen Milenko Z***** keineswegs übergangen, sondern ihr bloß keine den Rechtsmittelwerber entlastende Beweiskraft beigemessen (US 21). Eine detaillierte Erörterung der Zeugenaussage, Gerhard D***** habe bei Bedarf Frachtbriefe und Unterschriften darauf gefälscht, war im Übrigen auch deshalb entbehrlich, weil diese der Feststellung, der Angeklagte habe den gegenständlichen Weiterleitungsauftrag nachgemacht, nicht entgegensteht.
Ebenso hat sich das Erstgericht mit den Aussagen der Zeugen Johann Hu***** und Reinhold W***** auseinandergesetzt, ihnen aber betreffend Schuldspruch I./ b./ nicht entnehmen können, dass die von ihnen vertretenen Unternehmen schon vor dem Stichtag 12. Mai 2009 die - damals noch in Gründung befindliche - H***** GmbH und nicht die HM***** GmbH mit der Erbringung von Transportleistungen beauftragt hätten (US 20 f).
Weshalb die Aussage des Zeugen Hu*****, wonach „ein Zahlungsziel von zwei Wochen“ bestanden habe und die „Firma H***** zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben gegenüber der A***** gehabt“ habe, dem Angeklagten entlasten sollte, lässt die Beschwerde offen.
Das Vorbringen des Nichtigkeitswerbers zu Schuldspruch I./ b./, ob der von Alois S***** dem Angeklagten „im Rahmen des Konkurses“ zur Fortführung des Unternehmens zur Verfügung gestellte Geldbetrag in die HM***** GmbH oder in die H***** GmbH geflossen ist, spricht weder eine entscheidende noch eine - für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite - erhebliche Tatsache an (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398, 409).
Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat der Schöffensenat zu Schuldspruch I./ a./ eine Feststellung, die G***** GmbH & Co KG habe die Einzelgenehmigungsbescheide betreffend die von ihr erworbenen gegenständlichen Fahrzeuge vor dem 5. Mai 2008 erhalten, gar nicht getroffen, weshalb der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu der Konstatierung, die genannte Gesellschaft habe die Einzelgenehmigungsbescheide am 17. August 2009 erhalten (US 8), nicht vorliegt.
Ebenso ist die zu Punkt I./ a./ aufgestellte Beschwerdebehauptung, „auch beim ersten Kaufvertrag“ wäre „die O***** nicht involviert“ gewesen, urteilsfremd (vgl US 7), weshalb der unter dieser Prämisse entwickelte Einwand zur Widersprüchlichkeit der Entscheidungsgründe auf sich beruhen kann.
Mit der auf Punkt I./ a./ bezogenen Behauptung einer fehlenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellung, der Angeklagte habe die beiden von ihm hergestellten Schreiben an die V***** GmbH übersandt (US 7), ignoriert der Rechtsmittelwerber die diesbezüglichen Ausführungen der Tatrichter (US 16 ff). Allein aus dem Umstand, dass das Erstgericht mehrfach den Begriff „offenbar“ verwendet, kann auf eine Scheinbegründung nicht geschlossen werden.
Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vorbringt, betreffend Schuldspruch I./ b./ fehle es an Beweisergebnissen, wonach den genannten Unternehmen tatsächlich ein Schaden in Höhe des Rechnungsbetrags entstanden sei, verkennt sie, dass die rechtliche Bedeutung der Abgrenzung zwischen versuchter und vollendeter Tat sich auf die Frage des Vorliegens des Milderungsumstands des § 34 Abs 1 Z 13 StGB beschränkt, womit darauf bezogene Feststellungen Strafzumessungstatsachen betreffen und solcherart dem Regelungsbereich des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO zugehören. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Strafzumessungstatsachen kann aber nicht mit Mängelrüge angefochten werden (RIS-Justiz RS0122137).
Der formelle Nichtigkeitsgrund der Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Die Tatsachenrüge will nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern (RIS-Justiz RS0119583). Indem der Beschwerdeführer betreffend Schuldspruch I./ b./ ausführt, der Angeklagte selbst und nicht die HM***** GmbH wäre von den einzelnen Unternehmen beauftragt worden, Gegenteiliges wäre dem Akteninhalt nicht zu entnehmen, gelingt es nicht, beim Obersten Gerichtshof solche erheblichen Bedenken zu wecken.
Der Beschwerdeführer behauptet Anklageüberschreitung wegen eines Verstoßes gegen § 262 StPO, legt jedoch nicht dar, weshalb er trotz der Mitteilung des Vorsitzenden des Schöffensenats in der Hauptverhandlung am 6. Mai 2011, in Anklagepunkt II./ (I./ b./ des Schuldspruchs) komme anstatt Veruntreuung Betrug in Betracht, keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem neuen rechtlichen Gesichtspunkt gehabt haben sollte.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorbringt, zwischen den zu Punkt I./ b./ des Schuldspruchs angeführten Unternehmen und der HM***** GmbH hätte kein Vertragsverhältnis bestanden, vielmehr wäre der Angeklagte persönlich beauftragt worden, hält sie nicht an den erstgerichtlichen Konstatierungen fest, wonach die genannte GmbH aufgrund der mit ihren Kunden abgeschlossenen Verträge bis einschließlich 11. Mai 2009 Leistungen erbracht hat (US 9), und lässt demzufolge den Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt vermissen (RIS-Justiz RS0099810). Dasselbe gilt für das weitere Vorbringen, den zu Punkt I./ b./ genannten Unternehmen wäre kein Schaden entstanden.
Die nominell aus Z 9 lit a, inhaltlich aus Z 10 erhobene Rüge betreffend die Subsumtion des Tatgeschehens auch unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB verfehlt ebenso eine prozessordnungsgemäße Darstellung, weil der Nichtigkeitswerber nicht methodengerecht aus dem Gesetz ableitet, weshalb die Verwendung einer echten Urkunde unwahren Inhalts, also einer sogenannten Lugurkunde, nicht dem vierten Fall der angeführten Bestimmung unterfallen sollte (SSt 62/28, verst Senat).
Die zu II./ des Schuldspruchs einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nach § 16 Abs 1 StGB behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) legt nicht dar, warum angesichts der von ihm gesetzten Initiative zur Schadloshaltung der Gläubiger der HM***** GmbH erst nach Anzeigeerstattung durch den Masseverwalter (US 11) Freiwilligkeit angenommen werden könnte (vgl RIS-Justiz RS0089816, RS0089897).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen sowie über die (implizite) Beschwerde gegen Verlängerung der Probezeiten früherer bedingt nachgesehener Freiheitsstrafen (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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