OGH 7Ob124/11b

OGH7Ob124/11b30.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen N***** D*****, Mutter und Erstantragstellerin Maga. Z***** D*****, Zweitantragstellerin DI B***** B*****, beide *****, beide vertreten durch Maga. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Regelung der Obsorge, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. April 2011, GZ 42 R 179/11a-7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 10. März 2011, GZ 41 Ps 47/11s-3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erst- und Zweitantragstellerinnen, die beide österreichische Staatsbürgerinnen sind, leben seit dem Jahr 2004 in einer Lebensgemeinschaft. Die Erstantragstellerin hat ihren Sohn N***** nach einer in Dänemark vorgenommenen Insemination mit dem Samen eines anonymen Spenders am 20. 1. 2010 geboren. Die Mutter und ihre Lebensgefährtin wollen die Obsorge für das Kind gemeinsam ausüben und beantragten, ihre dazu getroffene Vereinbarung vom 30. 1. 2011 pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Dass neben einem Elternteil ein Pflegeelternteil gemeinsam nach dem Modell der leiblichen Eltern (mit gleichen Rechten und Pflichten) mit der Obsorge betraut werde, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Stiefelternteile könnten als Pflegeelternteil nur dann betraut werden, wenn dem leiblichen Elternteil im selben Umfang die Obsorge nicht mehr zustehe. Sei aber - wie hier - die Mutter des unehelich geborenen Kindes allein obsorgeberechtigt, bestehe kein Bedarf, einer anderen Person, mit der eine Nahebeziehung bestehe, Obsorgerechte zu übertragen. Selbst wenn, was gar nicht behauptet worden sei, die Antragstellerinnen durch eine Eingetragene Partnerschaft verbunden wären, könnten sie nach österreichischem Recht nicht gleichzeitig mit der Obsorge für N***** betraut werden. Durch nicht institutionelle Lebensgemeinschaft verbundene Personen könnten dieses Recht (zumindest) ebenso wenig für sich beanspruchen.

Das von den Antragstellerinnen angerufene Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Aus den Bestimmungen des ABGB (§§ 144, 145, 167, 177, 186, 186a, 187 ff) gehe hervor, dass der Gesetzgeber die Obsorgeausübung durch einen Elternteil grundsätzlich als ausreichend ansehe, weshalb eine Person, die nicht aufgrund von Abstammung oder Adoption Elternteil eines minderjährigen Kindes sei, nicht gemeinsam mit einem Elternteil mit der Obsorge für das Kind betraut werden könne. Dies sei insbesondere aus § 186a Abs 2 ABGB abzuleiten, wonach eine Obsorge nur mit Zustimmung des obsorgeberechtigten (Groß-)Elternteils übertragen werden könne, weil diesem die Obsorge insoweit entzogen werde. Dass ein Pflegeelternteil gemeinsam (mit gleichen Rechten und Pflichten) mit einem (Groß-)Elternteil mit der Obsorge für dessen Kind betraut werde, sei nach herrschender Ansicht daher ausgeschlossen und zwar auch dann, wenn es sich um Personen unterschiedlichen Geschlechts, zum Beispiel die obsorgeberechtigte leibliche Mutter und deren Lebensgefährten handle. Die durch das FamRÄG 2009 geschaffenen Bestimmungen der §§ 90 Abs 3 und 137 Abs 4 ABGB sähen gerade keine gemeinsame Obsorge der Ehegatten für ein bloß von einem von beiden stammendes Kind vor, sondern nur eine Verpflichtung des einen Ehegatten zur Unterstützung des anderen bei der Ausübung der diesem zustehenden Obsorge und eine Befugnis, den anderen Elternteil in Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens erforderlichenfalls zu vertreten sowie eine Verpflichtung zur Wahrung des Kindeswohls. Diese Bestimmungen sprächen daher nicht für, sondern gegen die Rechtsauffassung der Antragstellerinnen. Da auch in einer heterosexuellen Beziehung keine gemeinsame Obsorge der Ehegatten oder Lebensgefährten für ein bloß von einem von beiden stammendes Kind begründet werden könne, sei auch die Ansicht der Antragstellerinnen unzutreffend, dass sie durch die geltenden gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Obsorge für das von einem der homosexuellen Partner abstammende minderjährige Kind aufgrund ihrer sexuellen Orientierung im Vergleich zu heterosexuellen Lebensgemeinschaften diskriminiert würden. Dass der Gesetzgeber, soweit ohnedies ein leiblicher obsorgeberechtigter (Groß-)Elternteil vorhanden sei, keinen Bedarf sehe, eine weitere Person mit der Obsorge für das Kind zu betrauen und die Übertragung der Obsorge an Pflegeeltern und andere Personen, die nicht leibliche oder Adoptiveltern des Kindes seien, lediglich als Ausnahmefall konzipiert und im Übrigen lediglich das Institut der Adoption vorgesehen habe, erscheine selbst dann verständlich, wenn diese andere Person mit dem leiblichen Elternteil und dem Kind in einer innigen Beziehung stehe. Dass aufgrund der geltenden Gesetzeslage auch keine Möglichkeit einer Adoption durch die Zweitantragstellerin vorgesehen sei, könne hier dahingestellt bleiben, weil die Bewilligung der Adoption nicht beantragt worden sei und dies jedenfalls nicht dazu führen könne, stattdessen eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene andere Lösung zu begehren. Die Unzulässigkeit der gemeinsamen Obsorge durch die Antragstellerinnen stelle auch keine Verletzung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK dar, habe doch grundsätzlich keine Person ein Recht auf Erlangung der Obsorge für ein Kind, das nicht von ihr abstamme.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, da zur Frage der gemeinsamen Obsorge eines leiblichen Elternteils mit einem Pflegeelternteil lediglich eine einzige oberstgerichtliche Entscheidung ergangen sei; die Rechtslage sei seither mehrfach durch Novellierungen verändert worden und es sei auch aus Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in jüngster Zeit „eine differenziertere Betrachtungsweise“ ersichtlich.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen, die unrichtige rechtliche Beurteilung (§ 66 Abs 1 Z 4 AußStrG) geltend machen und beantragen, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihr Antrag auf Genehmigung der gemeinsamen Obsorge bewilligt werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Ausführungen der Revisionsrekurswerberinnen können nicht überzeugen, während die damit bekämpfte, hier (etwas zusammengefasst) wiedergegebene Begründung des angefochtenen Beschlusses zutreffend ist. Gemäß § 71 Abs 3 zweiter Satz AußStrG kann daher auf die Richtigkeit der Entscheidungsbegründung der zweiten Instanz verwiesen werden. Diese ist, auf die im Revisionsrekurs vorgebrachten Einwände Bezug nehmend, wie folgt zu ergänzen:

Die Revisionsrekurswerberinnen wiederholen im Wesentlichen ihre bereits in erster und zweiter Instanz vorgebrachten, von den Vorinstanzen als nicht stichhältig erachteten Argumente. Diese lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Aus den durch das FamRÄG 2009 geschaffenen Bestimmungen der §§ 90 Abs 3 und 137 Abs 4 ABGB ergebe sich eine Beistandspflicht hinsichtlich der Obsorge in Bezug auf Stiefkinder sowie die Verpflichtung, alles Zumutbare zu tun, um das Kindeswohl zu schützen, für alle volljährigen Personen, die mit einem Elternteil und dem Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt leben und in einem familiären Verhältnis zum Elternteil stehen, unter anderem auch für Lebensgefährten des Elternteils. Das FamRÄG 2009 verdeutliche damit, dass die strenge Beschränkung der Obsorge auf die leiblichen Eltern nicht aufrechterhalten werden solle und dass auch die alleinige Obsorge der Mutter eines unehelich geborenen Kindes nicht mehr als ausreichend im Sinn des Kindeswohls zu sehen sei. Diesen Wandel zeige auch das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG). § 167 ABGB (die Vereinbarung der gemeinsamen Obsorge der Eltern) sei analog auf gleichgeschlechtliche Lebensgefährtinnen auszuweiten, die sich während aufrechter Lebensgemeinschaft unter Nutzung der Fortpflanzungsmedizin für ein gemeinsames Kind entschieden hätten. Die Lebensgefährtin (hier die Zweitantragstellerin) sei dabei als zweiter Elternteil zu sehen. Eine solche gemeinsame Obsorge sei geeignet, die praktischen Probleme des Alltags mit dem Kind besser zu meistern und den familiären Zusammenhalt und die Solidarität zu stärken. Die Beziehung der Antragstellerinnen zueinander und die bestehende Eltern-Kind-Beziehung der Zweitantragstellerin zu N***** erfüllten den Begriff des Privat- wie auch den Begriff des Familienlebens und seien daher umfassend durch Art 8 EMRK geschützt. Mit der Verweigerung der gemeinsamen Obsorge für N***** sei daher auch ein Eingriff in nach Art 8 EMRK geschützte Rechte verbunden. Die Ungleichbehandlung der Antragstellerinnen beruhe ausschließlich auf deren sexueller Orientierung, da verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten die gemeinsame Obsorge für gemeinsame Kinder, auch für solche, die durch medizinische Fortpflanzung entstanden seien, offen stehe. Im Unterschied zu (gleich- oder verschiedengeschlechtlichen) Lebensgemeinschaften, in denen ein Partner ein Kind in die Beziehung mitbringe, hätten die Antragstellerinnen während aufrechter Lebensgemeinschaft die Entscheidung getroffen, ein gemeinsames Kind zu haben. Ihre Situation müsse daher mit jener eines verschiedengeschlechtlichen Paares verglichen werden, das während aufrechter Beziehung die Entscheidung treffe, ein gemeinsames Kind zu haben. Die Nutzung der Fortpflanzungsmedizin müsse, wie der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 147/10d vertrete, aus verfassungsrechtlichen Gründen auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen stehen; daher müsse ihnen in weiterer Folge auch die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge für ein so entstandenes Kind zukommen. Die Antragstellerinnen würden aber auch im Verhältnis zu Pflegeeltern, denen die gemeinsame Obsorge für ein Kind übertragen werde, benachteiligt. Es sei keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, weshalb die Antragstellerinnen die gemeinsame Obsorge für ein Pflegekind bekommen könnten, für das eigene Kind jedoch nicht. Die Verweigerung der gemeinsamen Obsorge verstoße daher auch gegen das Benachteiligungsverbot des Art 14 iVm Art 8 EMRK.

Diese Einwände sind nicht geeignet, die rechtlichen Erwägungen der Vorinstanzen zu widerlegen. Nach herrschender Ansicht ist nach der bestehenden Gesetzeslage eine gemeinsame Obsorge eines Elternteils mit einem Pflegeelternteil (zB des Lebensgefährten oder - wie hier - der Lebensgefährtin der außerehelichen Mutter) nach dem Modell der leiblichen Eltern nicht zulässig (Hopf in KBB3 § 186a Rz 1; Weitzenböck in Schwimann, ABGB - TaKomm, § 186a Rz 3; Linder in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR LebG-Rechtsfolgen/Innen Rz 31; Deixler-Hübner in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.00 § 186a Rz 3; Stabentheiner in Rummel 3, ErgBd § 186a Rz 21; 7 Ob 144/02f SZ 2002/123 = EvBl 2003/16 = RZ 2003/15 = ÖA 2003, 129 K 2; RIS-Justiz RS0116924). Daran hat auch das FamRÄG 2009 nichts geändert. Nicht beizupflichten ist der Auffassung der Revisionsrekurswerberinnen, aus den mit dieser Novelle geschaffenen Bestimmungen der §§ 90 Abs 3 und 137 Abs 4 ABGB sei abzuleiten, dass die vorrangige Obsorge der leiblichen Eltern und die alleinige Obsorge der außerehelichen Mutter nicht aufrechterhalten werden solle. Zu teilen ist vielmehr die Ansicht des Rekursgerichts: Die genannten Bestimmungen sehen keine gemeinsame Obsorge der Ehegatten für ein bloß von einem der beiden stammendes Kind vor, sondern statuieren zur Wahrung des Kindeswohls nur eine Unterstützungspflicht und eine Vertretungsbefugnis. Dies spricht nicht für, sondern gegen die Auffassung der Revisionsrekurswerberinnen. Das EPG (BGBl I 135/2009), auf das sich die Revisionsrekurswerberinnen in diesem Zusammenhang ebenfalls berufen wollen, unterstützt ihre Rechtsmeinung ebenso wenig. Im Gegenteil: Während eine Einzeladoption durch eine in Lebensgemeinschaft mit einem gleichgeschlechtlichen Partner lebende Person möglich erscheint (3 Ob 147/10d iFamZ 2011/91, 130 = RdM 2011/81, 96 [Bernat]), bestimmt § 8 Abs 4 EPG, dass die eingetragenen Partner nicht gemeinsam ein Kind an Kindes statt oder die Kinder des jeweils anderen an Kindes statt annehmen dürfen. Damit zeigt der Gesetzgeber unmissverständlich auf, dass er in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft nicht das Modell leiblicher Eltern erblickt. Da das umso mehr für gleichgeschlechtliche Partner, die nicht institutionell verbunden sind - wie hier die Antragstellerinnen, die nicht behauptet haben, eine eingetragene Partnerschaft eingegangen zu sein - gelten muss, gehen die Ausführungen des Revisionsrekurses, wonach die Zweitantragstellerin als zweiter Elternteil anzusehen und zu behandeln sei, ins Leere.

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberinnen sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 167 ABGB daher nicht gegeben. Eine Analogie setzt eine Lücke, also eine planwidrige Unvollständigkeit der rechtlichen Regelung voraus (RIS-Justiz RS0098756; RS0008757). Eine Gesetzeslücke ist nur dann anzunehmen, wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS-Justiz RS0008866 [T27]). Wollte der Gesetzgeber, wie offenbar hier, hingegen den ungeregelten Fall bewusst anders als den geregelten entschieden wissen, ist ein Umkehrschluss zu ziehen (RIS-Justiz RS0008870; P. Bydlinski in KBB3 § 7 Rz 2 mwN). Da das von einem Normunterworfenen rechtspolitisch Erwünschte für sich allein selbstverständlich niemals Grund für einen Analogieschluss sein kann (RIS-Justiz RS0103694; P. Bydlinski aaO mwN), lässt sich aus § 167 ABGB nichts für den Standpunkt der Revisionsrekurswerberinnen gewinnen.

Nichts zu gewinnen ist für die Antragstellerinnen auch daraus, dass der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 147/10d gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt hat, die Wortfolge „von Personen verschiedenen Geschlechts“ in § 2 Abs 1 FMedG idF BGBl I 135/2009 als verfassungswidrig aufzuheben. Die Erstantragstellerin hat die Insemination in Dänemark vornehmen lassen. Dass sie sich, wie behauptet, in Übereinstimmung mit der Zweitantragstellerin zu diesem Schritt entschlossen haben mag (eine diesbezügliche Feststellung haben die Vorinstanzen nicht getroffen), kann die Rechtslage zur Frage der gemeinsamen Obsorge nicht verändern.

Von einer von den Revisionsrekurswerberinnen weiters behaupteten Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung kann keine Rede sein. Ist doch verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten die gemeinsame Obsorge für ein Kind, das nicht von beiden abstammt, in gleicher Weise versagt: Die Bestimmung des § 166 ABGB, dass mit der Obsorge für das uneheliche Kind die Mutter allein betraut ist, gilt auch, wenn die Mutter einen Lebensgefährten hat, der nicht der leibliche Vater des Kindes ist. Wollte man gleichgeschlechtlich orientierten Lebenspartnern die gemeinsame Obsorge für das leibliche Kind eines der beiden einräumen, weil es ihnen aus biologischen Gründen jedenfalls unmöglich ist, leibliche Eltern eines gemeinsamen Kindes zu sein, würde dies heterosexuelle Paare benachteiligen, denen diese Möglichkeit zwar theoretisch offen steht, ein gemeinsamer Kinderwunsch aber versagt bleibt.

Richtig weisen die Revisionsrekurswerberinnen darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Urteil vom 24. 6. 2010, Schalk und Kopf/Österreich, 30141/04, ausgesprochen hat, dass auch die Beziehung eines gleichgeschlechtlichen Paares unter den Begriff „Familienleben“ fallen könne und daher Art 14 iVm Art 8 EMRK zur Anwendung gelange. Gleiches wurde auch in der Entscheidung vom 22. 7. 2010, P.B. und J.S./Österreich, 18984/02, gesagt und in der Zulässigkeitsentscheidung vom 31. 8. 2010, Gas und Dubois/Frankreich, 25951/07 S 8 wiederholt. Dass gleichgeschlechtliche Partner unter den Familienbegriff des Art 8 EMRK fallen können, bedeutet jedoch nicht, dass gleichgeschlechtlichen Paaren die gemeinsame Obsorge für ein leibliches Kind eines der beiden übertragen werden müsse. Jemandem das Recht auf Erlangung der Obsorge für ein Kind abzusprechen, das nicht von ihm abstammt, stellt, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, keinen Verstoß gegen die genannten Bestimmungen der EMRK dar. Judikatur des EGMR, die diese Ansicht in Frage stellte oder bezweifeln ließe, liegt nicht vor. Wiederholt hat der EGMR, der sich bisher vor allem mit einschlägigen Adoptionsfällen zu befassen hatte, ausgesprochen, dass kein Recht auf Adoption, also auf die Einräumung der vollen Elternschaft, bestehe (E v 26. 2. 2002, Frette/Frankreich, 36515/97 Rn 32; vom 22. 1. 2008, E.B./Frankreich, 43546/02 Rn 41; vgl auch Gas und Dubois/Frankreich, 25951/07). Eine Verpflichtung der Staaten, Personen die Obsorge für Kinder zu ermöglichen, ohne dass diesen Personen die volle Elternschaft zukäme, ist keinem Urteil des EGMR zu entnehmen.

Der schließlich noch erhobene Einwand einer Diskriminierung gegenüber Pflegeeltern übergeht, dass die Übertragung der Obsorge an Pflegeeltern voraussetzt, dass leiblichen Eltern(-teilen) die Obsorge ganz oder teilweise entzogen wurde. Richtig haben die Vorinstanzen erkannt, dass eine Übertragung der Obsorge ganz oder zum Teil an die Zweitantragstellerin (nur) dann möglich wäre, wenn der Erstantragstellerin aus Gründen des Kindeswohls die Obsorge für N***** im selben Umfang entzogen würde. Die von den Revisionsrekurswerberinnen hingegen angestrebte gemeinsame Obsorge ist aus den dargelegten Gründen nicht möglich.

Da die Entscheidungen der Vorinstanzen der Rechtslage entsprechen, ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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