OGH 3Ob166/11z

OGH3Ob166/11z12.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei I*****, vertreten durch Löffler Jelincic Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die verpflichtete Partei H*****, vertreten durch Dr. Michael Kramer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 29.777,80 EUR sA, über den Revisionsrekurs der G***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Juli 2011, GZ 47 R 161/11s, 47 R 162/11p, 47 R 163/11k-41, womit ua infolge Rekurses der verpflichteten Partei und der Einschreiterin der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. Februar 2011, GZ 64 E 405/10d-27, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Einschreiterin wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit rechtskräftiger Exekutionsbewilligung des Bezirksgerichts Josefstadt vom 9. Oktober 2009, GZ 13 E 4096/09a-2, wurde der betreibenden Gläubigerin gegen den Verpflichteten unter anderem die Rechteexekution gemäß §§ 331 ff EO durch Pfändung und Verwertung der dem Verpflichteten an der G***** Privatstiftung zustehenden Gesamtrechte als Stifter, insbesondere des Rechts zur Auflösung der Privatstiftung und Einziehung des Liquidations- bzw Auflösungserlöses bewilligt. Dem Verpflichteten wurde jede Verfügung über die Gesamtrechte an der Stiftung sowie der daraus erfließenden Rechtsansprüche untersagt. Der Privatstiftung wurde verboten, aus dem betreffenden Rechtsverhältnis Leistungen an die verpflichtete Partei zu erbringen. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag wurde vorbehalten.

Das Erstgericht ermächtigte die betreibende Partei antragsgemäß, das umfassende Änderungsrecht der Stiftungserklärung, das Forderungsrecht des Verpflichteten gegen die Privatstiftung als ihr Begünstigter sowie auf Übertragung des dem Verpflichteten zustehenden Anteils eines allfälligen Liquidationserlöses geltend zu machen, außerdem die Stiftungsurkunde im Punkt 4. so abzuändern, dass die Privatstiftung ausdrücklich verpflichtet wird, monatlich 1.488,89 EUR an den Verpflichteten als Begünstigten auszuschütten und vorzusehen, dass der Verpflichtete einen klagbaren Anspruch auf Ausschüttung hat.

Das Rekursgericht änderte den Beschluss des Erstgerichts über Rekurs des Verpflichteten und der Privatstiftung teilweise dahin ab, dass es das Wort „umfassende“ im Zusammenhang mit dem Änderungsrecht des Verpflichteten strich und den Antrag der betreibenden Partei auf Ermächtigung zur Geltendmachung des Rechts auf Übertragung des dem Verpflichteten zustehenden Anteils eines allfälligen Liquidationserlöses abwies.

Bei der Verwertung nach § 333 Abs 1 EO handle es sich nur um ein Vorverfahren, durch das dem Verpflichteten Werte verschafft werden sollen, auf die dann der betreibende Gläubiger Exekution führen könne. Soweit die betreibende Partei daher die Übertragung des dem Verpflichteten zustehenden Anteils eines allfälligen Liquidationserlöses begehre, könne das Gericht die betreibende Partei nur zur Ausübung des Änderungsrechts ermächtigen; auf einen allfälligen Liquidationserlös könne die betreibende Partei erst greifen, wenn dem Verpflichteten durch Ausübung des übertragenen Änderungsrechts eine Forderung entstanden sei. Da der Umfang des Änderungsrechts mit dem Recht des Verpflichteten identisch sei, könne der Ausdruck „umfassend“ als entbehrlich entfallen.

Das übrige Rekursvorbringen der Drittschuldnerin zur Unzulässigkeit der Exekution wegen Widerpruchs zu einer einstweiligen Verfügung des Landesgerichts für Strafsachen Wien bzw wegen bestehender Rechte von R***** erachtete das Rekursgericht wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot als unzulässig. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Ermächtigungsbeschlusses hätten sich für das Erstgericht keinerlei Anhaltspunkte ergeben, die gegen die von der betreibenden Partei beantragte Ermächtigung sprechen würden, geschweige denn für das Vorliegen eines Einstellungsgrundes.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der betreibenden Partei bereits im ersten Schritt des Verwertungsverfahrens bezüglich einer Privatstiftung das Recht auf Übertragung eines allfälligen späteren Liquidationserlöses eingeräumt werden könne.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Drittschuldnerin aus den Revisionsrekursgründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen und Einstellung des Exekutionsverfahrens, soweit davon Rechte des Verpflichteten gegen die Drittschulderin und umgekehrt berührt würden. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig (§ 78 EO in Verbindung mit § 528 Abs 1 ZPO).

Die Drittschuldnerin führt zur Zulässigkeit ihres Rechtsmittels aus, dass das Rekursgericht das Rekursvorbringen nicht mit dem Hinweis auf das Neuerungsverbot als unzulässig zurückweisen hätte dürfen. Aufgrund des im Exekutionsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes hätte das Gericht von Amts wegen dafür sorgen müssen, dass die vorgebrachten Tatsachen als für die Entscheidung maßgebliche Gründe aufgeklärt werden.

Die der Exekution entgegen stehende einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Strafsachen Wien und die in der Stiftungsurkunde festgelegte Eigenschaft von R***** als Mitstifterin und Mitbegünstigte der Drittschuldnerin seien als gerichtsbekannte und offenkundige Tatsachen anzusehen, weshalb deren Nichtbeachtung als ein einem gravierenden Verfahrensmangel gleichzuhaltender Nichtigkeitsgrund anzusehen sei. Gleichzeitig macht die Drittschuldnerin die Nichtbeachtung dieser Tatsachen als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und unter dem Rechtmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend.

Unrichtig sei auch die Rechtsansicht des Rekursgerichts, wonach die Drittschuldnerin bereits gegen die Exekutionsbewilligung vorgehen hätte müssen und ihr Vorbringen im Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Verwertungsantrag präkludiert sei.

Schließlich hätten die Vorinstanzen übersehen, dass die Pfändung einzelner aus einem Gesamtrecht ableitbarer Befugnisse und Rechte untauglich sei; die Bewilligung der Verwertung untauglicher Exekutionsobjekte sei unzulässig.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung steht dem Drittschuldner, dem das gerichtliche Verbot, an den Verpflichteten zu leisten, zugestellt wurde (§ 331 Abs 1 Satz 2 EO), ein Rekursrecht gegen die Exekutionsbewilligung zu, wenn ihn diese gesetzwidrig belastet oder sie gesetzwidrig erfolgt ist oder wenn ihm ungerechtfertigte Aufträge erteilt werden (RIS-Justiz RS0003998; vgl auch RIS-Justiz RS0002150 [T14]; Oberhammer in Angst 2 § 331 EO Rz 70; Frauenberger in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 331 EO Rz 64).

Im vorliegenden Fall ist die Exekutionsbewilligung, die die Pfändung der Gesamtrechte des Verpflichteten als Stifter anordnete, in Rechtskraft erwachsen. Die Drittschuldnerin setzt sich mit ihren Rechtsmitteln nun gegen den Verwertungsbeschluss zur Wehr. Sie ist mit ihrem Rechtsmittelvorbringen nicht präkludiert (vgl dazu Oberhammer in Angst 2 § 331 EO Rz 70; Frauenberger in Burgstaller/Deixler-Hübner, § 331 EO Rz 64; siehe auch 3 Ob 177/10s, wonach im Rekursverfahren gegen den Verwertungsbeschluss Fragen der Pfändbarkeit von Stifterrechten insoweit aufgeworfen werden können, als sie für die Frage der Verwertbarkeit von Bedeutung sind).

Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs ist auch das Rekursgericht nicht davon ausgegangen, dass das Vorgehen der Drittschuldnerin gegen den Verwertungsbeschluss verspätet sei und bereits die Exekutionsbewilligung bekämpft hätte werden müssen.

2. Im Vordergrund des Rechtsmittelvorbringens der Drittschuldnerin steht, dass das Rekursgericht auf das Vorliegen der einstweiligen Verfügung des Landesgerichts für Strafsachen Wien sowie die Rechte von R***** als offenkundige Tatsachen von Amts wegen achten müssen. Ferner hätten Erstgericht und Rekursgericht den Inhalt der Stiftungsurkunde von Amts wegen in ihre Entscheidungen einzubeziehen gehabt.

2.1. Richtig ist, dass der Grundsatz, dass offenkundige Tatsachen nicht einmal behauptet werden müssen, auch für das Exekutionsverfahren gilt (RIS-Justiz RS0040240 [T5]). Allerdings handelt es sich bei den von der Drittschuldnerin angesprochenen Tatsachen nicht um „offenkundige Tatsachen“ im Sinne der Rechtsprechung.

2.2. Der Umstand, dass ein Register (Firmenbuch, Grundbuch) öffentlich ist, bedeutet nicht, dass die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig sind. Gerichtskundigkeit erfordert, dass der Richter die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen; andernfalls kann er nämlich nicht als „kundig“ angesehen werden. Es reicht beispielsweise auch nicht aus, dass Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen sind (RIS-Justiz RS0040240 [T4]). Demgemäß ist das Rekursgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das entsprechende Rekursvorbringen gegen das - auch im Rekursverfahren in Exekutionssachen geltende (RIS-Justiz RS0002371) - Neuerungsverbot verstoßen hat.

2.3. Bei dem dem Erstgericht vorgeworfenen Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz würde es sich um eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens handeln, die nicht mehr im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0042963).

2.4. Hinsichtlich der Nichteinbeziehung des Inhalts der Stiftungsurkunde in die Entscheidungen der Vorinstanzen zeigt die Drittschuldnerin keine Erheblichkeit dieses angeblichen Stoffsammlungsmangels auf (vgl RIS-Justiz RS0116273 [T2]):

Hat eine Privatstiftung mehrere Stifter, so können die dem Stifter zustehenden oder vorbehaltenen Rechte nur von allen Stiftern gemeinsam ausgeübt werden, es sei denn, die Stiftungsurkunde sieht etwas anderes vor (§ 3 Abs 2 PSG; RIS-Justiz RS0115134 [T11]). Nach Punkt 11 der von der Drittschuldnerin mit ihrem Rekurs (ON 35) vorgelegten Stiftungsurkunde übt der Verpflichtete, solange er lebt, die Stifterrechte (und zwar auch das Recht auf Abänderung der Stiftungsurkunde) allein aus. Demgemäß ergeben sich aus dem Inhalt der Stiftungsurkunde keine Verwertungshindernisse.

3. Soweit die Drittschuldnerin noch auf die Unpfändbarkeit einzelner aus einem Gesamtrecht ableitbarer Rechte verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass sich die Exekutionsbewilligung auf die Gesamtrechte des Verpflichteten bezieht (vgl RIS-Justiz RS0004162 [T1]). Gerade das dem Stifter vorbehaltene Änderungsrecht begründet - so wie ein vorbehaltenes Widerrufsrecht - die Pfändbarkeit der Gesamtrechte des Stifters (RIS-Justiz RS0120752).

4. Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage wird von der Drittschuldnerin - von ihrem Verfahrensstandpunkt aus verständlich - nicht releviert. Da der Revisionsrekurs nur Ausführungen zu nicht erheblichen Rechtsfragen enthält, ist er als unzulässig zurückzuweisen (RS0102059 [T2 und T12]).

Stichworte