Spruch:
Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.326,90 EUR (darin enthalten 898,15 EUR USt und 4.938 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt Schadenersatz aufgrund eines Vermögensverwaltungsvertrags mit der Beklagten. Diese habe 1998 aus eigener Initiative vom Wertpapierdepot des Klägers Wertpapiere verkauft und stattdessen eine Anleihe eines Unternehmens erworben, von dem der Beklagten als deren Hausbank bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass es kurz vor dem Konkurs stand. In der Folge seien 2001 fällige Zinszahlungen ausgeblieben und über das Unternehmen tatsächlich der Konkurs eröffnet worden. Auch die 2004 fällige Kapitalrückzahlung sei nicht erfolgt.
Die Klage wurde im August 2004 eingebracht. Nach der Tagsatzung am 17. und 18. 10. 2005 wurde die Verhandlung auf unbestimmte Zeit zur Einvernahme weiterer Zeugen vertagt und der Konkursakt beigeschafft. Dass das Erstgericht auch beabsichtigte, von Amts wegen einen Sachverständigen beizuziehen (beantragt war ein solcher Beweis nicht), findet im Akteninhalt keinen Niederschlag.
In einem Aktenvermerk vom Februar 2006 hielt die Erstrichterin fest, der Klagevertreter erkläre, „mit der Einholung eines Gutachtens vorerst zuzuwarten, da ein vergleichbarer Prozess in Wien anhängig ist, wo der Gutachtensauftrag bereits erteilt wurde“. Er werde sich in zwei Monaten wieder melden.
Laut dem nächsten Aktenvermerk vom Jänner 2007 teilte der Klagevertreter mit, dass noch zugewartet werden möge, weil Parallelverfahren abgewartet werden sollten und allenfalls Einigungsversuche eingeleitet würden. Offizielles Ruhen des Verfahrens werde jedoch abgelehnt.
Als nächster Verfahrensschritt findet sich ein Aktenvermerk vom September 2008, in dem der Klagevertreter eine Ruhensanzeige in Aussicht stellt, sowie ein Aktenvermerk von Oktober 2008, wonach eine solche Anzeige nicht erfolgt sei. Nach einem Aktenvermerk von November 2008 teilte der Klagevertreter mit, dass „das Verfahren in Wien“ noch laufe, ein Gutachten aber bereits vorliegen solle. Er werde alle Unterlagen sammeln. Die Richterin möge mit weiteren Schritten noch bis Ostern 2009 zuwarten, der Klagevertreter werde sich wieder melden.
Als nächsten Verfahrensschritt beraumte das Erstgericht am 24. 9. 2009 eine Tagsatzung für den 17. 11. 2009 an. In dieser berief sich die beklagte Partei auf Verjährung des Anspruchs mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens nach § 1497 ABGB.
Ohne weitere Beweisaufnahme wies das Erstgericht das Klagebegehren wegen Verjährung nach § 1497 ABGB ab.
Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss Folge, hob das Urteil auf und verwies das Verfahren zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Bis zum Aktenvermerk vom Jänner 2007, in dem ein offizielles Ruhen seitens des Klagevertreters noch abgelehnt worden sei, könne im Sinne der Judikatur zu § 1497 ABGB nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger von einer Verfahrensfortführung Abstand nehmen habe wollen. Er habe die Verfahrensfortsetzung dem Erstgericht überlassen und bis zu diesem Zeitpunkt mit gutem Grund annehmen können, dass sich das Erstgericht entweder durch Einsichtnahme in die von ihm bekannt gegebenen Akten von den Voraussetzungen für die Verfahrensfortführung überzeugen oder die sonst ausstehenden Beweise aufnehmen werde. Bis dahin sei ihm daher keine ungebührliche Untätigkeit vorwerfbar. Danach sei aber bis zur Ausschreibung der Tagsatzung im September 2009 „die dreijährige Verjährungsfrist“ noch nicht abgelaufen und daher Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung gemäß § 1497 ABGB nicht eingetreten. Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB komme nicht zum Tragen. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil Judikatur zur Frage der Auswirkung wiederholter Ersuchen, mit der Verfahrensfortsetzung zuzuwarten, auf die Verjährung nicht vorliege.
Die beklagte Partei beantragt in ihrem Rekurs die Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Der Kläger betrachtet in der Rekursbeantwortung den Rekurs als nicht zulässig, beantragt diverse Beweisaufnahmen durch den Obersten Gerichtshof sowie letztlich „den Rekurs der beklagten Partei kostenpflichtig abzuweisen“ und in der Sache selbst im Sinne einer Klagsstattgebung zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt:
Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage nur unter der weiteren Voraussetzung unterbrochen, dass die Klage gehörig fortgesetzt wird. Nach der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist nicht gehörige Fortsetzung iSd § 1497 ABGB anzunehmen, wenn die Untätigkeit des Klägers ungewöhnlich ist und er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts mehr gelegen ist (RIS-Justiz RS0034765, 1 Ob 198/05g; 7 Ob 15/01h; 3 Ob 560/91 uva). Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen, die im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein müssen (RIS-Justiz RS0034849; 7 Ob 15/01h).
Wenn sich - wie hier - die beklagte Partei auf Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens beruft, ist es Aufgabe der klagenden Partei, beachtliche Gründe für ihre Untätigkeit und für die Nichtaufnahme und Nichtfortsetzung des Verfahrens vorzubringen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen (RIS-Justiz RS0034704; RS0034805; M. Bydlinski in Rummel ABGB3 Rz 10 zu § 1497; Mader in Schwimann, ABGB2 Rz 25 zu § 1497).
Von Amts wegen ist allerdings zu prüfen, ob die klagende Partei überhaupt gehalten war, eine Prozesshandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen (7 Ob 15/01h; 1 Ob 198/05g). Konnte oder musste sie eine Tätigkeit des Gerichts abwarten, kann aus ihrer Untätigkeit nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, es sei ihr an der Erreichung des Prozessziels nichts mehr gelegen (RIS-Justiz RS0034755). In Fällen, in denen die Fortsetzung des Verfahrens dem Prozessgericht obliegt und daher der klagenden Partei nur vorgeworfen werden kann, die ausstehende Prozesshandlung beim säumigen Gericht nicht betrieben zu haben, ist stets ein großzügiger, sonst ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0109334 [T2]; 7 Ob 15/01h; 1 Ob 198/05g).
Die Frage, ob ein längeres Zuwarten mit der Fortsetzung der Verfolgung eines Anspruchs iSd § 1497 ABGB noch hingenommen werden kann oder eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falls zu beantworten (RIS-Justiz RS0034805). Mehrere Jahre dauernde Untätigkeit wurde in der Rechtsprechung stets als ungebührlich gewertet. Es wird davon ausgegangen, dass in Fällen, in denen die Fortsetzung des Verfahrens ausschließlich der amtswegig vorzunehmenden Tätigkeit des Prozessgerichts oblag, eine Untätigkeit des Klägers von nicht mehr als drei Jahren, also einem der kurzen Verjährungszeit entsprechenden Zeitraum, keinen Verstoß gegen die in § 1497 ABGB normierte Pflicht der gehörigen Fortsetzung der rechtzeitig eingebrachten Klage darstellt (so auch zuletzt 2 Ob 140/09s).
Hier ist dem Kläger aber nicht nur vorzuwerfen, eine ausstehende Prozesshandlung beim säumigen Gericht nicht betrieben zu haben. Er hat vielmehr durch seine Ersuchen und Stellungnahmen aktiv auf das Erstgericht eingewirkt, zuzuwarten und nicht von sich aus tätig zu werden. In dieser Konstellation ist bei einem mehr als dreijährigen Verfahrensstillstand, der überdies nicht auf Betreiben des Klägers sondern aufgrund amtswegiger Tätigkeit des Gerichts beendet wurde, jedenfalls von einer nicht gehörigen Fortsetzung der Klage und daher von einer Verjährung des Anspruchs iSd § 1497 ABGB auszugehen.
Der vom Berufungsgericht herangezogene Zeitpunkt des Aktenvermerks im Jänner 2007, wonach der Klagevertreter ein offizielles Ruhen des Verfahrens ablehne, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungsrelevant. Der Umstand, dass im gesamten Zeitraum des Verfahrensstillstands davor ein Ruhen des Verfahrens nicht thematisiert und danach allenfalls angestrebt, jedenfalls aber nicht angezeigt wurde, zeigt keine Änderung der Einstellung des Klägers zum Verfahrensziel während des Verfahrensstillstands auf.
Dass „ein vergleichbarer Prozess in Wien“ bzw „Parallelverfahren“ anhängig gewesen wären, ist nicht aktenkundig. Auch hat der Kläger nie dargelegt, inwiefern irgendein bestimmtes Verfahren wenn schon nicht präjudiziell so zumindest für das vorliegende Verfahren beweiserleichternd oder im Hinblick auf zu klärende Rechtsfragen aussagekräftig wäre und daher sinnvollerweise abgewartet werden sollte.
Das vom Erstgericht bei der Wiedergabe des Vorbringens des Klägers und in der rechtlichen Beurteilung erwähnte angebliche Vergleichsanbot eines (ehemaligen?) Mitarbeiters der beklagten Partei vom Winter 2009 ändert an dieser Beurteilung nichts, ist der Kläger doch auch nach dem Winter (und entgegen der Ankündigung seines Vertreters auch nach Ostern) 2009 untätig geblieben.
Auch der behauptete Verstoß des Erstgerichts gegen Art 6 EMRK kann nicht nachvollzogen werden. Die Judikatur zum Eintritt der Verjährung durch nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens iSd § 1497 ABGB besteht langjährig und konnte die - anwaltlich vertretene - klagende Partei nicht überraschen. Inwiefern hier das Erstgericht aufklären hätte müssen bzw in der Unterlassung ein Verstoß gegen das „fair-trial“-Prinzip liegen sollte, ist nicht ersichtlich.
Die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 1489 Satz 2 ABGB kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - auch wenn eine strafgerichtliche Verurteilung nicht erfolgt sein muss - grundsätzlich nur gegenüber dem Schädiger selbst zum Tragen, nicht aber gegen dritte, mithaftende Personen (RIS-Justiz RS0034393). Demnach lösen von Funktionären oder Erfüllungsgehilfen ausgeübte strafbare Handlungen juristischen Personen gegenüber nicht die 30-jährige Frist aus (RIS-Justiz RS0034423 [T3 und T4]; 3 Ob 120/06b). Diese Auffassung wird von M. Bydlinski in RZ 1982, 218 und Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht3 Rz 15/20 abgelehnt. Darauf ist hier aber nicht weiter einzugehen, weil sich der Kläger lediglich allgemein auf Strafverfahren im Zusammenhang mit der beklagten Partei bezieht, ohne darzulegen, inwiefern und von wem im Zusammenhang mit dem eingeklagten Schadensfall des Klägers eine strafbare Handlung gesetzt worden wäre. Schon aus diesem Grund besteht keinerlei Substrat für die Annahme der 30-jährigen Verjährungsfrist.
Dass dem Obersten Gerichtshof grundsätzlich die Kompetenz zukommt, im Rahmen eines Rechtsmittels nach § 519 Abs 2 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, bedeutet im Gegensatz zur offensichtlichen Vorstellung des Klägers in seiner Rekursbeantwortung nicht, dass der Oberste Gerichtshof in diesem Fall selbst Tatsacheninstanz wäre. Eine derartige Entscheidung ist lediglich bei Entscheidungsreife - also auf Basis ausreichender Tatsachenfeststellungen - möglich. Die Anträge auf Aktenbeischaffungen durch den Obersten Gerichtshof zur Klärung des Sachverhalts im Sinne des Vorbringens der Kläger sind daher unbeachtlich. Weitere Beweisaufnahmen durch die Vorinstanzen sind dagegen nicht erforderlich, weil die Sache entscheidungsreif im Sinne des Rechtsstandpunkts der beklagten Partei ist:
Es ist von der Anwendbarkeit der dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen und weiters davon, dass der Kläger durch sein aktives Verhalten die Klage entgegen § 1497 ABGB nicht ordnungsgemäß fortgesetzt hat. Seine Ansprüche sind daher verjährt.
Die Kostenentscheidung ist in § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.
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