OGH 2Ob140/09s

OGH2Ob140/09s4.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Georg B*****, vertreten durch Dr. Stefan Hoffmann, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen (restlich) 188.536,09 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen (richtig:) den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. Februar 2009, GZ 3 R 223/08x-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 25. Juni 2008, GZ 4 Cg 151/02a-17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00140.09S.0304.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.386,08 EUR (darin 397,68 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Beklagte verursachte im Jahr 1999 einen Verkehrsunfall, indem er als „Schwarzfahrer“ in betrunkenem Zustand einen Gendarmeriebeamten anlässlich einer Verkehrskontrolle niederstieß und dabei schwer verletzte. In einem Parallelverfahren machte dieser seine Ansprüche (Zahlung und Feststellung) gegen den Beklagten als Lenker, die Fahrzeughalterin und gegen die nunmehrige Klägerin als Haftpflichtversicherer geltend. Mit Teil- und Zwischenurteil des Berufungsgerichts vom März 2004 wurde das Leistungsbegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt und dem Feststellungsbegehren gegen den (dort) Erstbeklagten zur Gänze und gegen die (dort) Zweit- und Drittbeklagten je begrenzt mit den Haftungshöchstbeträgen nach EKHG stattgegeben. Mit Teil- und Teilzwischenurteil des Erstgerichts vom Dezember 2004, das nach Bestätigung durch das Berufungsgericht im September 2005 in Rechtskraft erwuchs, wurde (neuerlich) ausgesprochen, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und dem Feststellungsbegehren wurde nunmehr auch gegen die (dort) Zweit- und Drittbeklagten zur Gänze stattgegeben. Im März 2007 wurde das Verfahren durch Ruhen (Erstbeklagter) sowie durch Abschluss eines Vergleichs (Zweit- und Drittbeklagte) beendet.

Mit der gegenständlichen Regressklage begehrt die Klägerin vom Beklagten den Ersatz der an den Geschädigten bezahlten Beträge und Feststellung der Haftung des Beklagten für ihre künftigen Aufwendungen als KFZ-Haftpflichtversicherer aus dem gegenständlichen Unfall. In der mündlichen Verhandlung vom 13. 12. 2002 beschloss das Erstgericht die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung im Parallelverfahren. Das Verfahren werde nach rechtskräftiger Entscheidung im Parallelverfahren über den Anspruchsgrund von Amts wegen fortgesetzt werden. Die Klägerin brachte - mangels amtswegiger Fortsetzung - am 15. 11. 2007 einen Fortsetzungsantrag ein.

Der Beklagte erhob hierauf den Einwand der Verjährung infolge nichtgehöriger Fortsetzung der Klage. Das Berufungsurteil im Parallelverfahren vom März 2004 - über den Anspruchsgrund - sei seit Mai 2004 rechtskräftig. Demnach sei die Klägerin über dreieinhalb Jahre lang inaktiv geblieben.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Verjährung ab. Bereits mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom Juli 2004 sei im Parallelverfahren über den Anspruchsgrund rechtskräftig entschieden worden. Eine ungebührliche Untätigkeit des Klägers sei erst nach Ablauf der Verjährungsfrist von drei Jahren anzunehmen. Dies sei hier jedoch der Fall, da zwischen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Juli 2004 und dem Fortsetzungsantrag der Klägerin mehr als drei Jahre lägen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, trug dem Erstgericht die ergänzende Verhandlung und neuerliche Entscheidung auf und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die Beurteilung der Frage, ob die im Parallelverfahren zweitbeklagte Fahrzeughalterin neben der Gefährdungshaftung nach EKHG auch eine Verschuldenshaftung treffe, sei infolge des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs vom 1. Juli 2004 dem zweiten Rechtsgang vorbehalten worden (2 Ob 148/04k). Wenngleich die insoweit im zweiten Rechtsgang noch zu klärenden Tatfragen nur für den noch offenen Teil des gestellten Feststellungsbegehrens erforderlich gewesen seien, so habe diese Frage doch einen entscheidenden Punkt der geltend gemachten Anspruchsgrundlagen, nämlich ob die dort Zweitbeklagte auch eine Verschuldenshaftung nach ABGB zu vertreten habe, betroffen. Erst mit Rechtskraft des im zweiten Rechtsgang ergangenen Berufungsurteils vom Juli 2005 sei insoweit Klarheit geschaffen worden. Der Maßstab von drei Jahren habe daher erst mit Rechtskraft dieser Entscheidung, somit im September 2005, zu laufen begonnen, sodass der Klägerin aufgrund ihres Fortsetzungsantrags vom 15. November 2007 keine „ungewöhnliche Untätigkeit“ angelastet werden könne. Die Unterbrechungswirkung der Klage sei daher nach wie vor gegeben. Die Einrede der Verjährung erweise sich daher als nicht berechtigt. Der Rechtsfrage, ab wann der Unterbrechungsgrund als weggefallen anzusehen sei, wenn im Vorprozess über einzelne von mehreren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen, etwa wegen eines gestellten Feststellungsbegehrens mit unterschiedlichen Haftungshöchstgrenzen, sukzessive entschieden werde, komme über den Einzelfall hinaus Bedeutung zu. Nachdem diesbezüglich keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe, sei der Rekurs gemäß § 519 Abs 2 ZPO zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten erhobene Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; weder in dessen Begründung, noch im Rekurs wird eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

1. Die Frage, ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung eines Anspruchs im Sinne des § 1497 ABGB noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, aus der entnommen werden muss, dass es der Partei an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozessziels fehlt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falls zu beantworten (RIS-Justiz RS0034805 [T6]; RS0034849 [T5]).

2. In Fällen, in denen die Fortsetzung des Verfahrens dem Prozessgericht obliegt und daher dem Kläger nur vorgeworfen werden kann, die ausstehende Prozesshandlung beim säumigen Gericht nicht betrieben zu haben, wird stets ein großzügiger Maßstab anzulegen sein (7 Ob 15/01h mwN). Der Kläger ist diesfalls in der Regel erst bei einer Untätigkeit von drei Jahren so zu behandeln, als hätte er von vornherein die Klage nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist angebracht (RIS-Justiz RS0034681).

3. Die Frage der Haftung nach dem ABGB oder (bloß) nach dem EKHG berührt (auch) den Grund des Anspruchs. Für die - hier allein relevante - Frage der gehörigen Verfahrensfortsetzung ist aber nicht die exakte Abgrenzung zwischen Anspruchsgrund und Anspruchshöhe von Bedeutung; wesentlich ist vielmehr, dass die Klägerin bis zur Rechtskraft der Entscheidung im zweiten Rechtsgang des Parallelprozesses - somit bis September 2005 - mit guten Gründen annehmen konnte, das Erstgericht vertrete die Auffassung, dass im Parallelprozess noch keine rechtskräftige Entscheidung über den Anspruchsgrund vorliege, und nehme deshalb von einer Verfahrensfortsetzung Abstand.

4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Klägerin bis zum September 2005 überhaupt keine, und insgesamt - wegen der Unterschreitung des Maßstabs einer Frist von drei Jahren - keine „ungewöhnliche Untätigkeit“ anzulasten sei, ist daher jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar.

Da somit auch bei Annahme der kurzen (dreijährigen) Verjährungsfrist von einer gehörigen Fortsetzung des Verfahrens auszugehen ist, bedarf es auch nicht des Eingehens auf die - in der Rekursbeantwortung thematisierte - generelle Frage der Frist für die Verjährung von Regressansprüchen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4150 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

 

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