OGH 1Ob25/11z

OGH1Ob25/11z23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Josef S*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die Antragsgegnerin Elisabeth S*****, vertreten durch Gabl, Kogler, Papesch, Leitner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 10. November 2010, GZ 21 R 208/10b‑86, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Eferding vom 30. März 2010, GZ 3 C 51/05d‑82, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00025.11Z.0223.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.) Hebt das Gericht zweiter Instanz die erstgerichtliche Entscheidung wegen des Fehlens rechtserheblicher Tatsachenfeststellungen auf, können die Parteien im zweiten Rechtsgang zu den von der Aufhebung betroffenen Teilen des Verfahrens neues Vorbringen erstatten. Lediglich bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigte Streitpunkte können nicht wieder aufgerollt werden (RIS‑Justiz RS0042441; RS0042014 [T2]), dies gilt auch im Verfahren außer Streitsachen (vgl RIS‑Justiz RS0042411 [T7]; iglS RS0120282).

Im vorliegenden Verfahren lautete der Ergänzungsauftrag des Rekursgerichts dahin, die Höhe der mit dem Liegenschaftsvermögen zusammenhängenden Schulden zum Entscheidungszeitpunkt festzustellen. Damit war es der Antragsgegnerin möglich, zu diesem Problemkreis ergänzendes Vorbringen zu erstatten. Die aufgrund des insoweit ergänzten Beweisverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen zu diesem Thema sind daher beachtlich.

2.) Soweit der Revisionsrekurswerber einen Mangel des Rekursverfahrens darin erblicken will, dass das Rekursgericht ergänzende Feststellungen zu den im Aufteilungsverfahren zu berücksichtigenden Verbindlichkeiten ohne Anberaumung einer mündlichen Rekursverhandlung getroffen hat, ist ihm entgegenzuhalten, dass er mit seinen Ausführungen jedenfalls seiner Obliegenheit, die Relevanz eines allenfalls vorliegenden Verfahrensmangels darzulegen (vgl RIS‑Justiz RS0123872), nicht nachkommt. Er behauptet weder, dass und aus welchem Grund im Falle seiner Beteiligung an einer Rekursverhandlung andere (für ihn günstigere) Tatsachenfeststellungen getroffen worden wären noch, dass etwa das Erstgericht im Fall einer Aufhebung und Zurückverweisung einen für ihn günstigeren Sachverhalt festgestellt hätte (vgl nur RIS‑Justiz RS0120213; zuletzt 1 Ob 155/10s zum rechtlichen Gehör).

3.) Nicht leicht verständlich sind die Revisionsrekursausführungen zur Frage, welche „Zahlungen“, „Zinsenzahlungen“, „fiktiven Zinsen“ bzw Zahlungen auf ein Kreditkonto des Antragstellers bei der Ermittlung der mit dem ehelichen Vermögen im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, geht der Antragsteller andererseits doch selbst davon aus, es sei der „konkrete Schuldenstand“ zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung maßgeblich.

Zur Klarstellung ist daher vorerst darauf hinzuweisen, dass es in erster Linie nicht um bereits geleistete Zahlungen geht, sondern darum, inwieweit die Antragsgegnerin Verbindlichkeiten treffen, die mit den in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften zusammenhängen. Dass dabei auch im Wege einer „Umschuldung“ begründete Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, steht außer Frage.

Hier wurde festgestellt, dass mehrere Kinder der Parteien über Ersuchen der Antragsgegnerin und um diese zu unterstützen Geld zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten mit der Abrede zur Verfügung gestellt haben, dass die Mutter die jeweiligen Geldbeträge nach Tunlichkeit und Möglichkeit samt 4 %iger Verzinsung zurückzahlen solle. Angesichts dieser Abrede ist es auch nicht von Relevanz, ob die Zahlungen der Kinder unmittelbar auf ein Kreditkonto des Antragstellers geleistet wurden oder ob die Geldbeträge der Antragsgegnerin mit der festgestellten Zweckbestimmung übergeben wurden. Soweit nun zu dem für die Aufteilungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt entsprechende Verbindlichkeiten der Antragsgegnerin gegenüber ihren Kindern (einschließlich Zinsen) bestanden haben, hat das Rekursgericht diese zutreffend vom (fiktiven) Verkehrswert der (rechnerisch als unbelastet angenommenen) Liegenschaften abgezogen.

Soweit der Revisionsrekurswerber ohne nähere Begründung ausführt, es wäre von einer „Verjährung der diesbezüglichen Zinsenzahlungsverpflichtung“ auszugehen, unterlässt er eine ausreichend nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den Verjährungsvoraussetzungen. Es kann daher mit dem Bemerken sein Bewenden haben, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die auch für die Zinsenzahlung maßgebliche „Möglichkeit und Tunlichkeit“ bereits eingetreten wäre, und auch sonst nicht erkennbar ist, warum die Antragsgegnerin unter den vorliegenden Umständen ihren Kindern gegenüber erfolgreich einen Verjährungseinwand erheben könnte.

4.) Ebenfalls nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen zu einer Differenzierung zwischen dem Bodenwert der Liegenschaften und den jeweiligen Gebäudewerten. Warum bei der Ermittlung des Liegenschaftswerts zwar die Steigerung der Grundstückspreise ‑ zu seinen Gunsten ‑, nicht aber auch gleichzeitig die Verringerung der Gebäudewerte ‑ zu seinen Ungunsten ‑ zu berücksichtigen wäre, wird aus den Rechtsmittelausführungen nicht klar. Geht es um die Ermittlung des ‑ hier der Höhe nach außer Streit stehenden ‑ Werts der (bebauten) Liegenschaften zum Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung, kommt eine Differenzierung zwischen dem reinen Bodenwert einerseits und dem Wert der Bauwerke andererseits grundsätzlich nicht in Betracht. Im Übrigen hat bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass die Verringerung der Gebäudewerte in den letzten 13 Jahren nicht etwa aus einer substanzschädigenden Benützung durch die Antragsgegnerin resultiert, sondern sich allein aus dem „Zeitablauf“ ergibt.

5.) Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass die von einem Ehegatten zu leistende Ausgleichszahlung nicht streng rechnerisch zu ermitteln ist, sondern sich innerhalb eines gewissen Ermessensspielraums zu bewegen hat, wobei auf die besonderen Umstände des Falls Bedacht zu nehmen ist (vgl dazu RIS‑Justiz RS0057596; RS0115637). Eine unvertretbare Überschreitung des Ermessensspielraums, die vom Obersten Gerichtshof als erhebliche Rechtsfrage aufzugreifen wäre, zeigt der Revisionsrekurswerber nicht auf. Das Rekursgericht hat seine gegenüber dem rein rechnerischen Ergebnis reduzierte Festsetzung der Ausgleichszahlung vor allem damit begründet, der Antragsteller habe die Antragsgegnerin und seine Kinder in einer besonders schwierigen Situation (heranstehende Zwangsversteigerung der Liegenschaften) verlassen und nichts zur Abwendung der Zwangsversteigerung und damit zur Erhaltung der Liegenschaften im Familienbesitz beigetragen; hätte die Antragsgegnerin nicht mit Unterstützung der Kinder alle verfügbaren Kräfte und Mittel eingesetzt, um die heranstehende Zwangsversteigerung abzuwenden, würden sich die Liegenschaften wohl nicht mehr in der Aufteilungsmasse befinden. Dagegen führt der Antragsteller nichts Überzeugendes ins Treffen. Es bestehen daher keine Bedenken gegen die Auffassung des Rekursgerichts, die Antragsgegnerin habe im besonderen Maße zum Erhalt des Werts des Liegenschaftsvermögens beigetragen, zumal es der praktischen Erfahrung entspricht, dass bei der Zwangsversteigerung von Liegenschaften häufig ein den Verkehrswert unterschreitender Erlös erzielt wird.

6.) Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers bestehen auch keine Bedenken gegen die Entscheidung des Rekursgerichts, eine Verzinsung der noch zu leistenden Ausgleichszahlung erst mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit der Entscheidung anzuordnen. Da es sich bei der Festsetzung einer Ausgleichszahlung um einen rechtsbegründenden Gerichtsakt handelt, tritt erst damit die Fälligkeit ein, weshalb im Regelfall eine frühere Verzinsung nicht in Betracht kommt (vgl nur 4 Ob 195/01g, 3 Ob 169/06h mwN). Abgesehen von der längeren Verfahrensdauer vermag der Antragsteller auch keine besonderen Billigkeitsgründe für eine frühere Verzinsung zu nennen. Berücksichtigt man, dass es ersichtlich der Antragsgegnerin nicht leicht möglich ist, den noch zuerkannten Betrag von 41.200 EUR flüssig zu machen, stellt die Ablehnung einer früheren Verzinsung keine Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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