Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die betreibende Partei hat der verpflichteten Partei die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Revisionsrekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Verpflichtete ist aufgrund der vollstreckbaren Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juli 2009, AZ 1 R 213/10p, ua schuldig, in die Übertragung der Internet-Domain Namen <taurusrubens.com> und <rubenstaurus.com> auf die betreibende Partei einzuwilligen.
Zur Erwirkung der Einwilligung in die Übertragung der Internet-Domain Namen beantragte die betreibende Partei die Bewilligung der Exekution nach § 354 EO (zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung). Der die Internet-Domain Namen verwaltende Registrar, dem gegenüber der Verpflichtete seine Erklärung abzugeben habe, habe seinen Sitz in den USA. Dort sei die Fiktion der Bestimmung des § 367 EO, nach dem die Willenserklärung mit Erlangung der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gelte, nicht anwendbar, weshalb die Exekution nach § 354 EO geboten sei. Andernfalls wäre die Durchsetzung der Verpflichtung zur Einwilligung in die Übertragung der Domains nicht durchsetzbar.
Das Erstgericht wies unter Punkt II. seiner Entscheidung den Antrag auf Bewilligung der Exekution nach § 354 EO ab. Es sei § 367 EO anzuwenden; dem Gläubiger komme kein Wahlrecht zwischen den einzelnen Exekutionsarten zu. Darauf, ob die Durchsetzung des Titels in den USA möglich sei oder nicht, sei nicht Bedacht zu nehmen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der betreibenden Partei Folge und bewilligte die beantragte Exekution nach § 354 EO. Es setzte für die Vornahme der Einwilligung eine Frist von 10 Tagen und drohte für den Fall der Säumnis die Verhängung einer Geldstrafe von 5.000 EUR an. Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es existiere keine Rechtsprechung zu der Frage, ob die Fiktion des § 367 EO gegenüber Erklärungsempfängern im Ausland anwendbar sei oder ob in derartigen Fällen die Exekution doch nach § 354 EO zu bewilligen wäre. Weiters stelle sich die Frage nach der Anwendbarkeit des § 358 EO auf die Exekution nach § 354 EO.
In der Sache ging das Rekursgericht davon aus, die betreibende Partei habe schon in ihrem Antrag bescheinigt, dass der die Domain-Namen verwaltende Registrar seinen Sitz in den USA habe. Die Rechtsansicht des Erstgerichts über das Verhältnis von § 367 EO zu § 354 EO sei grundsätzlich zu billigen. Dessen ungeachtet sei die Fiktion des § 367 EO als österreichische Norm einem ausländischen Adressaten gegenüber unanwendbar. Seit der EO-Novelle 2008 brauche bei der Exekution nach § 354 EO dem Verpflichteten nicht die Gelegenheit eingeräumt zu werden, sich zur angedrohten Strafe zu äußern.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig und auch berechtigt.
Nach Ansicht des Verpflichteten sei der Umstand, dass der Adressat der Erklärung des Verpflichteten eine Registrierstelle mit Sitz in den USA ist, nicht geeignet, die Bestimmungen des österreichischen Vollstreckungsrechts einer Änderung zuzuführen. Da im Titel nur die Abgabe einer Willenserklärung und nicht die Vornahme einer die Erklärung mitumfassenden Handlung begehrt werde, komme § 367 EO und nicht § 354 EO zur Anwendung, weshalb der erstinstanzliche Beschluss wiederherzustellen sei.
1. Voranzustellen ist:
1.1. Die Registrierstelle schuldet dem Domaininhaber aufgrund eines Registrierungsvertrags den Erfolg der exakten und jederzeitigen Adressierbarkeit der übermittelten Daten und ist verpflichtet, alle Einträge zur Domain aufrechtzuerhalten (Thiele in Bergauer/Staudegger, Recht und IT, 190). Dieses Verhältnis ist ein privatrechtliches Dauerschuldverhältnis, nach Thiele (aaO) in Form einer typengemischten Vereinbarung mit werkvertraglichen, Kauf- und Pachtelementen. Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses geht die Registrierstelle (die kein staatliches oder öffentliches Register ist) nach den mit dem Domaininhaber vereinbarten Geschäftsbedingungen vor. In diesen Bedingungen könnte eine Einwilligungserklärung des Domaininhabers oder die Vorlage eines die Löschung anordnenden rechtskräftigen Gerichtsurteils als Voraussetzung dafür verlangt werden, dass die Registrierstelle die für die Löschung erforderlichen weiteren Handlungen vornimmt.
1.2. Im vorliegenden Fall lautet der Titel aber nicht auf Löschung, sondern verpflichtet die Beklagte, in die Übertragung der Domains an die betreibende Partei einzuwilligen. Ob nach zivilrechtlichen Vorschriften ein Übertragungsanspruch in Ansehung einer Domain zu bejahen ist, ist in Lehre und Rechtsprechung umstritten; der Oberste Gerichtshof hat dazu noch nicht abschließend Stellung genommen (4 Ob 226/04w = ecolex 2005/403 [Braunböck]; 4 Ob 165/05a; 3 Ob 287/08i). Diese Frage ist auch im vorliegenden Zusammenhang nicht zu beantworten, weil bei Erteilung der Exekutionsbewilligung der Bestand der betriebenen Forderung bzw die materielle Richtigkeit des Exekutionstitels nicht geprüft werden darf (Jakusch in Angst, EO2 § 3 Rz 19; RIS-Justiz RS0013464).
1.3. Liegt ein auf Übertragung der Domain lautender Exekutionstitel vor, stellt sich bei der Vollstreckung das grundsätzliche Problem, dass - da es sich bei der Domainregistrierung um einen privatrechtlichen Vertrag handelt - die am Titelverfahren gar nicht beteiligte Registrierstelle an das Titelurteil nicht gebunden ist und zur Akzeptanz eines Wechsels des Vertragspartners nicht gezwungen werden kann (Sonntag, Einführung in das Internetrecht, 65 f), was sich schon aus dem im Exekutionsverfahren geltenden, aus den Bestimmungen der §§ 37, 262 EO ableitbaren allgemeinen Grundsatz ergibt, dass in die Rechte Dritter nicht eingegriffen werden darf. Die Durchsetzung des Übertragungsanspruchs kann nur dadurch erfolgen, dass der beklagte Domaininhaber gegenüber der Registrierstelle eine entsprechende Abtretungserklärung abgibt. Der Erfolg hängt freilich von deren Zustimmung ab, da mit der betreffenden Willenserklärung ein Parteiwechsel verbunden ist (Thiele, Shell gegen Shell - eine neue Dimension des Domainrechts?, MR 2002, 198 [209]). Eine derartige titelmäßige Verpflichtung wäre mit einem an die Vergabestelle gerichteten Antrag des Verpflichteten auf Übertragung der strittigen Domain auf die betreibende Partei erfüllt.
Die Entscheidung, ob aufgrund einer solchen Erklärung die betreibende Partei als neuer Vertragspartner akzeptiert wird, bleibt der Registrierstelle vorbehalten. Auf einen Löschungsanspruch und die Möglichkeit des Betreibenden, die freigewordenen Domains selbst anzumelden, ist der vorliegende Exekutionstitel hingegen nicht zu reduzieren. Mangels einer Reservierung der Domain zu Gunsten des Betreibenden, bestünde die Gefahr, dass ein Dritter im Moment der Löschung durch eine Neuanmeldung den Prozesserfolg zu nichte machen könnte.
2.1. Zur Vollstreckung des Anspruchs auf Löschung und Übertragung von Domains kommen als Exekutionsarten grundsätzlich die Exekution nach § 367 EO und die Exekution nach § 354 EO (zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen) in Betracht. Schuldet der Verpflichtete die Abgabe einer Willenserklärung, gilt gemäß § 367 EO die Erklärung der verpflichteten Partei mit der Vollstreckbarkeit als abgegeben und zwar nicht nur gegenüber der betreibenden Partei, sondern auch anderen gegenüber, ohne dass eine Exekutionsbewilligung notwendig wäre. Da der Gesetzgeber an Stelle der exekutiven Durchsetzung eine gesetzliche Fiktion setzt, nach der die Willenserklärung als abgegeben gilt, sobald Vollstreckbarkeit eingetreten ist, ist eine Exekution weder erforderlich noch zulässig (RIS-Justiz RS0004552 [T4]). Nach § 354 EO wird hingegen der Anspruch auf eine Handlung vollstreckt, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann und deren Vornahme zugleich ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt. Dieser Anspruch wird dadurch exekutiv durchgesetzt, dass der Verpflichtete auf Antrag vom Exekutionsgericht durch Geldstrafen oder durch Haft bis zur Gesamtdauer von sechs Monaten zur Vornahme der Handlung angehalten wird.
In der Lehre wurde auch die Meinung vertreten, Ansprüche auf Löschung und Übertragung einer Domain seien nach § 353 EO (zur Erwirkung vertretbarer Handlungen) zu vollstrecken (Kilches, Exekution auf Internet-Domains, RdW 2001, 390). Nach dieser Ansicht sei „Dritter“ iSd § 353 EO der Provider, der die Registrierung der Domain verwalte. Dieser sei berechtigt, von der Aufrechterhaltung einer Domain-Registrierung Abstand zu nehmen, wenn diese rechtswidrig wäre. Aufgrund des gegen den Domaininhaber gerichteten Exekutionstitels könne der Provider die Registrierung zurücknehmen. Verweigere er die Vornahme dieser Handlung, so könne er wegen Beihilfe zur Beeinträchtigung der Namensführung oder des Markenrechts geklagt werden. Daneben könnten gegen den Verpflichteten Beugestrafen nach § 354 EO verhängt werden. Die Mitwirkung des Providers bei der Übertragung sei demnach mittelbar über § 353 EO erzwingbar.
Jakusch (RdW 2001, 580) vertritt hingegen die Ansicht, der Anspruch auf Löschung einer Internet-Domain sei nicht nach § 353 EO, sondern, sofern nicht ohnedies § 367 EO greife, nach § 354 EO zu vollstrecken. Die Meinung Kilches sei abzulehnen, weil im Rahmen der Exekution nach § 353 EO zur Erwirkung vertretbarer Handlungen dem Provider als Dritten nicht der Auftrag erteilt werden könne, die Domain zu löschen bzw sie auf den betreibenden Gläubiger zu übertragen. Das Wesen der Exekution nach § 353 EO bestehe nämlich darin, dass der betreibende Gläubiger durch die Exekutionsbewilligung ermächtigt werde, die vom Verpflichteten geschuldete Leistung auf Kosten des Verpflichteten herstellen zu lassen. Es sei Sache des betreibenden Gläubigers, einen Dritten (etwa einen Gewerbetreibenden) zu finden, dem er den Auftrag zur Erbringung der fraglichen Leistung erteile. Der Dritte stehe dabei in keinerlei Rechtsbeziehung zum Exekutionsgericht, das auch nicht berechtigt sei, dem Dritten irgendwelche Aufträge zu erteilen. Dies ergebe sich schon aus dem Grundsatz, dass im Rahmen eines Exekutionsverfahrens niemals in Rechte Dritter eingegriffen werden dürfe. Sofern nicht überhaupt schon gemäß § 367 EO mit Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels die für die Löschung bzw Übertragung der Internet-Domain erforderlichen Willenserklärungen des Inhabers als abgegeben anzusehen seien, komme zur Durchsetzung eines derartigen Anspruchs allein (und nicht „daneben“ wie Kilches vermeine) die Exekution nach § 354 EO (zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen) in Betracht.
Dieser Meinung folgt Klicka in Angst, EO2 § 354 EO Rz 14a.
2.2. Da die titelmäßig geschuldete Leistung auf Einwilligung der Übertragung der Domains lautet, somit in der Abgabe einer Willenserklärung besteht, liegt ein Titel iSd § 367 EO vor. Von § 367 EO nicht fingiert wird der für die Domainübertragung erforderliche Zugang der Willenserklärung. Ist deren Adressat, wie im vorliegenden Fall ein Dritter, ist der Titel diesem vorzulegen (Feil/Marent [2008], EO, § 367 Rz 1 mwN; Höllwerth in Burgstaller/Deixler EO, § 367 Rz 14). Wäre der Titel etwa der österreichischen Vergabestelle „NIC.at GmbH“ zu übermitteln, hätte diese infolge der Fiktionswirkung des § 367 EO ohne weiteres Vollstreckungsverfahren davon auszugehen, dass die Willenserklärung des Verpflichteten als abgegeben gilt. Im vorliegenden Fall besteht aber die Besonderheit, dass die maßgebliche Registrierstelle nicht in Österreich ansässig ist, sondern in den USA, da Domains mit der top level domain „.com“ nicht in Österreich, sondern in den USA verwaltet werden. Eine Vorlage des österreichischen Titelurteils durch die Betreibende an die in den USA ansässige Registrierstelle mit dem Hinweis, nach der österreichischen Rechtsordnung werde fingiert, dass diese Erklärung bereits aufgrund des Urteils - ohne weitere Vollstreckung - als abgegeben gilt, könnte durchaus scheitern, wie dies im Exekutionsantrag (freilich ohne relevantes Bescheinigungsanbot) behauptet wurde. Diese Frage könnte nur an Hand der Geschäftsbedingungen des Registrierungsvertrags beurteilt werden.
3. Auch wenn die Ablehnung einer von der Betreibenden selbst bei der Registrierstelle beantragten Übertragung feststünde, könnte hier die beantragte Exekution nach § 354 EO nicht bewilligt werden:
3.1. Die Anordnungen der EO über die verschiedenen Exekutionsarten sind zwingendes Recht und unterliegen nicht der Parteienverfügung (so schon 3 Ob 60/65 = JBl 1961, 38; zur Abgrenzung der Exekutionsarten nach § 353 f EO: RIS-Justiz RS0004781). Es gibt kein Wahlrecht, weshalb sich bei Willenserklärungen wegen der Erklärungsfiktion des § 367 EO die Vollstreckung erübrigt (Klicka in Angst 2 § 354 Rz 6 mwN).
3.2. Der Exekutionstitel benennt die Registrierstelle nicht und enthält auch nicht die Verpflichtung, dass der Beklagte (Verpflichtete) seine Einwilligung gegenüber der Registrierstelle persönlich zu erklären hätte. Eine Umdeutung des Exekutionstitels in dem von der Betreibenden angestrebten Sinn einer Verpflichtung nach § 354 EO bedeutete eine über den Wortlaut hinausgehende und damit unzulässige Auslegung. Die Betreibende hätte schon im Titelverfahren den Umstand bedenken können und müssen, dass für die angestrebte Übertragung der Domains unvertretbare Handlungen des Verpflichteten im Ausland erforderlich sein könnten, dass also mit der Abgabe der Willenserklärung allein und wegen der Besonderheit der Erklärungsfiktion des § 367 EO die Durchsetzung des materiellen Anspruchs im Ausland auf Hindernisse stoßen werde. Diese vorhersehbaren Hindernisse können nicht im Exekutionsverfahren im Wege einer Erweiterung der Titelverpflichtung in Richtung § 354 EO beseitigt werden. Für eine Exekutionsführung in dieser Exekutionsart, die grundsätzlich dafür zur Verfügung steht, dass der Verpflichtete die erforderliche Mitwirkung des Dritten (hier der Registrierstelle) herbeiführt (Klicka aaO § 354 Rz 3), bietet der vorliegende Exekutionstitel keine Deckung. Zusammenfassend ist also festzustellen:
Wenn ein Exekutionstitel nur eine vom Verpflichteten abzugebende Willenserklärung anführt, die gemäß § 367 EO mit dem Tag der Rechtskraft als abgegeben gilt, ist eine Umdeutung des Exekutionstitels in Richtung einer nach § 354 EO durchzusetzenden Handlungspflicht nicht zulässig.
Die den Exekutionsantrag abweisende Entscheidung des Erstgerichts ist wiederherzustellen, ohne dass es darauf ankäme, ob ein weiterer Abweisungsgrund aus dem Grund des § 358 EO vorliegt.
Die Betreibende hat dem im Zwischenstreit obsiegenden Verpflichteten die Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO).
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