OGH 4Ob163/10i

OGH4Ob163/10i9.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** D*****, vertreten durch Dr. Hubert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. J***** D*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek und Mag. Robert Lackner, Rechtsanwälte in Leoben, 2. W***** B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, 3. Dr. L***** D*****, vertreten durch Dr. Edmund Thurn, Rechtsanwalt in Murau, 4. R***** J*****, 5. DI Dr. E***** F*****, viert- und fünftbeklagte Partei vertreten durch Dr. Hanno Hofmann, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 27.906,36 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Mai 2010, GZ 4 R 183/09b-57, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 28. September 2009, GZ 4 Cg 108/06y-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.012,76 EUR (darin 335,46 EUR USt), der drittbeklagten Partei die mit 2.014,20 EUR (darin 335,70 EUR USt) und den viert- und fünftbeklagten Parteien die mit 2.012,40 EUR (darin 335,10 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin und die fünf Beklagten sind Miteigentümer (vier Miteigentümer zu 1/12, zwei zu 1/3) der als „S*****alm“ bezeichneten Liegenschaft, einer arrondierten Alm, die sich von der Talsohle des K*****baches (Seehöhe 1.400 m) bis auf den D*****gipfel (Seehöhe 2.433 m) erstreckt. Die Alm befindet sich in guter Verkehrslage in der Nähe der Landesstraße über dem S*****pass. Sie hat eine Gesamtfläche von rund 423 ha und besteht aus rund 96 ha landwirtschaftlich genutzten Flächen (Hüttenanger mit Bauflächen, genutzte und ungenutzte Weideflächen), rund 85 ha Wald unterschiedlicher Kategorien (Wirtschaftswald, Schutzwald im Ertrag und Schutzwald außer Ertrag), rund 234 ha alpinem Ödland und rund 6 ha Weg, Sumpf und Bach. Die Liegenschaft wird von den Miteigentümern auch als Eigenjagd genutzt. Sie hat einen Verkehrswert von knapp 1,5 Mio EUR, wobei der anteilige Wert der Eigenjagd ca 227.000 EUR beträgt. Auf der Liegenschaft befindet sich eine Almhütte mit Wohn- und Stallbereich, ein zur Jagdhütte umgebautes ehemaliges Schweinestallgebäude und zwei Fischteiche mit einer Gesamtfläche von 20 m². Im Falle einer Realteilung ist es nicht möglich, dass jeder der Miteigentümer einen gleichen Anteil von den Bauflächen, Gebäuden und Anlagen und den (qualitativ hochwertigen) Weideflächen um die Hütte sowie eine für eine Eigenjagd erforderlichen Fläche von mindestens 115 ha erhält.

Die Klägerin begehrte zuletzt Realteilung entsprechend Teilungsvorschlag laut Plan Beil. /T, hilfsweise die Realteilung entsprechend dem Teilungsvorschlag Variante 1 im Privatgutachten vom 15. 4. 2009, hilfsweise die Zivilteilung. Der Erstbeklagte und Ehegatte der Klägerin anerkannte das Haupt- und das Eventualbegehren auf Realteilung und bestritt das Eventualbegehren auf Zivilteilung; alle übrigen Beklagten bestritten (nur) die Begehren auf Realteilung.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das erste Eventualbegehren ab und gab dem zweiten Eventualbegehren auf Zivilteilung statt. Im Fall einer Realteilung könnten die Gebäude nur einem der Miteigentümer zugeteilt werden, während die anderen Teilflächen unbebaut bleiben müssten; dies stehe der Gleichartigkeit der aufgeteilten Liegenschaftsteile ebenso entgegen wie der Umstand, dass die Klägerin, die Viertbeklagte und der Fünftbeklagte nur Liegenschaftsteile zugewiesen bekämen, die aufgrund ihrer Größe unter der Eigenjagdgrenze lägen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Bei einer von den Eigentümern zum Viehauftrieb und im Rahmen der Eigenjagd genutzten Alm sei die Gleichartigkeit der durch Realteilung entstehenden Teilstücke nicht gegeben, wenn nur einer von sechs Miteigentümern die in Relation zur gesamten Liegenschaftsfläche zwar geringen, aber wegen ihrer besseren Qualität nicht vernachlässigbaren guten Weideflächen im Ausmaß von 4,35 ha („Hüttenanger“) samt den darauf befindlichen Gebäuden mit 1.000 m² Grund erhalte und nur der Hälfte der Miteigentümer nach Realteilung die Eigenjagdbefugnis verbliebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie die Stattgebung des Realteilungsbegehrens, hilfsweise die Aufhebung der Entscheidung anstrebt, ist unzulässig. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

1. Naturalteilung ist eine Teilung der gemeinsamen Sache in annähernd gleichartige und gleichwertige Teile, deren Gesamtwert dem Wert der ungeteilten Sache ungefähr gleichzukommen hat, wobei nur geringfügige Wertunterschiede in Geld auszugleichen sind (RIS-Justiz RS0013851, RS0013856). Bei Realteilung hat jeder Miteigentümer einen Teil von annähernd gleicher Beschaffenheit und gleichem Wert zu erhalten (RIS-Justiz RS0013851; vgl RS013854). Die den Teilhabern zufallenden Stücke müssen nicht nur gleichwertig, sondern auch gleich beschaffen sein (daher keine Teilung hier bebaute, dort unbebaute Grundstücke: RIS-Justiz RS0013829 [T11]). Die Realteilung ist tunlich, wenn ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßig großen Wertausgleichs in Geld und eine beträchtliche Wertverminderung die Sache in Teile zerlegt werden kann, sodass der Wert des Ganzen in den Teilen erhalten bleibt (RIS-Justiz RS0013831).

2.1. Es ist anerkannt, auch die teilweise Aufhebung der Gemeinschaft durch Realteilung zuzulassen, sofern dadurch keine wirtschaftliche Einheit zerstört wird. Dabei besteht die Möglichkeit, dass nicht real geteilte Objekte entweder der Zivilteilung unterworfen werden oder gemeinschaftlich bleiben. Das Nebeneinander von Real- und Zivilteilung ist daher möglich, bleibt aber als Ganzes ein Anwendungsfall der Realteilung (RIS-Justiz RS0013240 [T1, T3, T4], 5 Ob 12/09i mwN).

2.2. Eine teilweise Aufhebung des Miteigentums ist dort unzulässig, wo eine Sache oder eine Mehrheit von Sachen, die aus irgendeinem Grunde eine Einheit bildet, so geteilt werden soll, dass diese Einheit verloren geht (vgl RIS-Justiz RS0013241 [T1]). Oft nur aus historischen Gründen oder rein zufällig in einer Einlagezahl verbundene Liegenschaftsteile müssen nicht grundsätzlich ein gleiches rechtliches Schicksal erleiden, sofern nicht eine Wertminderung durch Zerstörung einer wirtschaftlichen Einheit eintritt. Bei einer mehrere Objekte umfassenden Gemeinschaft tritt eine Wertminderung durch Realteilung dann ein, wenn eine wirtschaftliche Einheit zerstört wird. Die Aufhebung der Gemeinschaft an mehreren Liegenschaften, die zu einem landwirtschaftlichen Unternehmen gehören, ist nur durch Zivilteilung möglich (5 Ob 89/99w mwN). Ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, ist nach der Verkehrsanschauung sowie nach den wirtschaftlichen Absichten der Teilhaber zu beurteilen (RIS-Justiz RS0013843 [T2]).

3. Die Tunlichkeit einer Realteilung ist immer nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (RIS-Justiz RS0013852 [T12, T13]). Ob durch eine Realteilung eine zuvor bestandene wirtschaftliche Einheit zerstört wird, ist nach der Verkehrsanschauung sowie den konkreten, einzelfalltypischen wirtschaftlichen Gegebenheiten und der persönlichen Situation der konkret hievon Betroffenen und Beteiligten zu beurteilen (RIS-Justiz RS0013843 [T5]).

4. Bei seiner Beurteilung, ob eine Realteilung möglich ist, hat das Gericht die Interessen aller Parteien zu berücksichtigen. Den ihm in dieser Frage offenstehenden Ermessensspielraum hat das Berufungsgericht im Anlassfall nicht überschritten (vgl RIS-Justiz RS0004282). Seine Auffassung, die mangelnde Teilbarkeit der Almhütte und des Hüttenangers sowie der Umstand, dass hinsichtlich einzelner Teilstücke die Berechtigung der Eigenjagd verloren gehe, begründe die Untunlichkeit der Naturalteilung, wendet die angeführte Rechtsprechung zutreffend auf den Einzelfall an.

5.1. Soweit die Revisionswerberin dem Berufungsgericht vorwirft, es habe - unterstelle man die Unteilbarkeit von Hütte und Hüttenanger - die Möglichkeit eines Nebeneinander von Real- und Zivilteilung nicht ausreichend geprüft, geht sie von der unzutreffenden Prämisse aus, dass die streitverfangene Liegenschaft keine wirtschaftliche Einheit darstellt.

5.2. Ob eine wirtschaftliche Einheit vorliegt, ist nach der Verkehrsanschauung sowie nach den wirtschaftlichen Absichten der Teilhaber zu beurteilen (5 Ob 89/99w mwN, 7 Ob 258/01v). Solches ist im Anlassfall zu bejahen, steht doch fest, dass die streitverfangene Almliegenschaft eine arrondierte Alm ist, die von ihren Miteigentümern almwirtschaftlich und auch als Eigenjagd genutzt wird. § 1 Abs 2 Steiermärkisches AlmschutzG (stmk LGBl 1984/68) bestimmt, dass Almen (das sind gemäß § 1 Abs 1 leg cit Wirtschaftsobjekte, die infolge ihrer Höhenlage nur während beschränkter Vegetationsperioden zur Viehhaltung getrennt von den Heimgütern genutzt werden können) Grundstücke verschiedener Kulturgattungen (wie Alpe, Weide, Wiese, Wald, Almwege, Bringungsanlagen, Gewässer sowie die dazugehörigen Almhütten und Almstallungen) zu einer Einheit zusammenfassen, die Almwirtschaft ermöglicht. Die damit gegebene wirtschaftliche Einheit steht einer Realteilung der Almliegenschaft entgegen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da die zweit- bis fünftbeklagten Parteien in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, dienten ihre Schriftsätze der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Stichworte