OGH 8ObA74/10f

OGH8ObA74/10f4.11.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** M*****, vertreten durch Dr. Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Peter Döller, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. August 2010, GZ 10 Ra 95/10d-18, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat mehrfach klargestellt, dass bei Erreichen des Regelpensionsalters und Anspruch auf Regelpension der Kündigungsschutz zwar nicht generell und jedenfalls auszuschließen ist, dass aber bei der Prüfung der Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ein strenger Maßstab anzulegen ist (8 ObA 53/04h; RIS-Justiz RS0119456; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht III4, § 105 Erl 39). Einerseits ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die mit jeder Pensionierung verbundenen Einkommenseinbußen toleriert. Andererseits darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Kündigung bei Erreichen des Regelpensionsalters für den Arbeitnehmer nicht unvorhersehbar ist (8 ObA 53/04h). Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn die von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs erarbeiteten Grundsätze - wie hier - beachtet werden (RIS-Justiz RS0051753 [T9]; RS0051785 [T7]).

2. Der Oberste Gerichtshof entschied weiters, dass eine Kündigung eines Arbeitnehmers nach Erreichen des Regelpensionsalters keine Diskriminierung aufgrund des Alters darstellt (9 ObA 131/05p = SZ 2006/158; zustimmend Reissner, Der ältere Arbeitnehmer - Altersbezogene Schutzbestimmungen im Lichte des Antidiskriminierungsrechts, DRdA 2010, 24 [34]; Ziehensack, DRdA 2008/22, 264 [268]). In weiterer Folge sprach auch der EuGH aus, dass eine zwangsweise Versetzung in den Ruhestand dann keine Diskriminierung wegen des Alters verwirklicht, wenn sie vor dem Hintergrund des Art 6 Abs 1 der RL 2000/78/EG (vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 17 Rz 124 sowie § 20 Abs 3 und 4 GlBG) gerechtfertigt ist, daher insbesondere auch im Fall der Erreichung des Regelpensionsalters (Rs C-411/05 , Palacios de la Villa; RdW 2007/759, 735 mit Anm von Runggaldier; ZESAR 2008, 42 mit Anm von Reichold). Dem Umstand, dass in 9 ObA 131/05p die Kündigung eines Vertragsbediensteten nach dem VBG zu beurteilen war, kommt unter diesem europarechtlich zu beurteilenden Aspekt entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers keine Bedeutung zu. Der Oberste Gerichtshof hielt in 9 ObA 131/05p überdies fest, dass eine Diskriminierung wegen des Alters insbesondere auch dann nicht anzunehmen ist, wenn ein Arbeitnehmer nur über eine Mindestpension verfügt, zumal dieser Umstand ausschließlich auf seine subjektiven Verhältnisse zurückzuführen ist.

3. Das Berufungsgericht prüfte die vom Kläger angefochtene Kündigung unter beiden Aspekten der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen und der vom Kläger behaupteten Diskriminierung wegen des Alters und stellte die für seine Beurteilung nach der Judikatur maßgebenden Grundsätze zutreffend dar. Es berücksichtigte im Rahmen der von ihm angestellten maßgeblichen Gesamtbetrachtung (RIS-Justiz RS0051741) ausdrücklich, dass der Kläger aufgrund seines kurzen Versicherungsverlaufs eine im Verhältnis zum letzten Aktivbezug eher geringe Pension bezieht. Übereinstimmend mit der ständigen Rechtsprechung bezog es bei der Beurteilung der Interessenbeeinträchtigung aber auch das Einkommen der Ehegattin als einen Faktor in seine Beurteilung mit ein (RIS-Justiz RS0051703; RS0051845, zuletzt 8 ObA 23/10f).

All dies bestreitet der Revisionswerber gar nicht. Er beruft sich zur Untermauerung seines Standpunkts auf die Entscheidungen 8 ObA 53/04h und 9 ObA 244/01z, denen aber jeweils kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. In 8 ObA 53/04h war die damals gekündigte Klägerin zur Bestreitung ihrer Lebenserhaltungskosten allein auf ihr Einkommen angewiesen. In 9 ObA 244/01z hatte die damals gekündigte Arbeitnehmerin das Regelpensionsalter noch nicht erreicht. Dem Einwand des Revisionswerbers, seine Gattin könne keine Pension beantragen, weil sonst aus dem Familieneinkommen seine Lebenserhaltungskosten nicht zu bestreiten wären, ist schon das Berufungsgericht in jedenfalls vertretbarer Weise mit der Begründung nicht gefolgt, dass Vorbringen und Feststellungen darüber, wann die Ehegattin des Klägers in Pension gehen könnte und welche Pension sie erhalten würde, völlig fehlen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass bei einer Gesamtbetrachtung wesentliche Interessen des Klägers, der das Regelpensionsalter erreicht hat und eine Alterspension bezieht, durch die Kündigung hier nicht beeinträchtigt sind, ist jedenfalls wegen des anzulegenden strengen Prüfungsmaßstabs keineswegs unvertretbar.

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