OGH 4Ob104/10p

OGH4Ob104/10p31.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B***** GmbH, 2. B***** GmbH, beide *****, beide vertreten durch Prof. Dr. Johannes Hintermayr und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. P***** GmbH, 2. A***** P*****, 3. H***** P*****, alle vertreten durch Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung, 1.000 EUR sA und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 69.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. April 2010, GZ 4 R 75/10t-27, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die „Urkundenvorlagen und Ergänzungen zum außerordentlichen Revisionsrekurs“ sowie die „ergänzende Eingabe“ der klagenden Parteien vom 18. 6., 25. 6. und 28. 6. 2010 werden zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der neue Gesetzeswortlaut von § 1 UWG idF der UWG-Novelle 2007 zwingt nicht zur Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung zur vertretbaren Rechtsauffassung beim Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch (RIS-Justiz RS0077771 [T71]). Maßgebend für die Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (RIS-Justiz RS0077771 [T76]).

2.1. Die Klägerinnen stützen ihren Vorwurf lauterkeitswidrigen Verhaltens darauf, dass die Beklagten die im gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren für ihren Nährmittelerzeugungsbetrieb festgesetzten Betriebszeiten nicht einhielten.

2.2. Nicht bescheinigt ist, dass in dem die Betriebsanlage ursprünglich genehmigenden Bescheid bestimmte (eingeschränkte) Betriebszeiten im Spruch oder in Form einer Auflage behördlich festgesetzt worden oder durch ausdrückliche Bezugnahme im Spruch auf außerhalb des Bescheids gelegene Schriftstücke (zB Plan- und Beschreibungsunterlagen, Verhandlungsschriften oder Gutachten) zum normativen Inhalt des Bescheidspruchs gemacht worden sind oder dass im Genehmigungsverfahren betreffend eine Änderung der Betriebsanlage, in dem mit Bescheid vom 19. 9. 1994 die Änderung und der Betrieb des Nährmittelerzeugungsbetriebs durch die Errichtung zusätzlicher Anlagenteile gewerbebehördlich genehmigt wird, auch die Betriebszeiten Gegenstand des verfahrenseinleitenden Antrags waren.

2.3. Bei diesem Sachverhalt weicht die den Sicherungsantrag abweisende Entscheidung des Rekursgerichts, die den Standpunkt der Beklagten für vertretbar erachtet, sie dürfe die bewilligte Betriebsanlage ohne zeitliche Einschränkungen betreiben, von der zuvor aufgezeigten Rechtsprechung zur Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung nicht ab.

3.1. Das Rechtsmittel zeigt weder eine der angefochtenen Entscheidung entgegengesetzte Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, noch eine ihr entgegengesetzte Verwaltungspraxis auf.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass nicht in einer im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflage, sondern in einer Betriebsbeschreibung enthaltene Betriebszeitenregelungen dadurch normativen Charakter erlangen, dass die Betriebsbeschreibung in den Spruch des Genehmigungsbescheids aufgenommen wird (VwGH 18. 6. 1996, 96/04/0050; vgl auch 12. 9. 2007, 2007/04/0100).

3.3. Sind Betriebszeiten weder im ursprünglichen Genehmigungsverfahren beantragt, noch von der Behörde als Auflage festgesetzt worden, darf die Betriebsanlage ohne zeitliche Beschränkung betrieben werden (UVS Steiermark 17. 11. 2005, 43.14-6/2005).

3.4. Dass die Beklagten bestimmte Betriebszeiten im ursprünglichen Genehmigungsverfahren beantragt und damit den Umfang des Genehmigungsgegenstands beschränkt hätten (die erste Genehmigung stammt nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten aus dem Jahr 1927), wurde weder behauptet, noch ist dies bescheinigt. Soweit die Klägerin mit dem Inhalt des Bescheids vom 19. 9. 1994 und der in dem ihm vorausgehenden Verfahren ergangenen Verhandlungsschrift vom 15. 9. 1994 argumentiert, übersieht sie, dass das Abänderungsverfahren nach § 81 GewO nicht der inhaltlichen Überprüfung eines nach § 77 GewO ergangenen Genehmigungsbescheids dient; dessen Inhalt ist dem Änderungsverfahren vielmehr zugrunde zu legen (VwGH 26. 5. 1998, 98/04/0028). Von einer Änderung einer bereits bestehenden und bewilligten Betriebsanlage kann nur gesprochen werden, wenn eine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung der Anlage vorliegt, auf die sich die Änderung beziehen soll (VwGH 31. 3. 1992, 91/04/0305), weil dem Ansuchen auf Änderung andernfalls schon deshalb nicht entsprochen werden kann (VwGH 8. 10. 1982, 81/04/0068). Gegenstand der Genehmigung können demnach immer nur die beantragten Änderungen der Betriebsanlage und die Auswirkungen der Änderung auf die bereits genehmigte Anlage (§ 81 Abs 1 zweiter Satz GewO), soweit dies zur Wahrung der im § 74 Abs 2 GewO umschriebenen Interessen erforderlich ist, sein. Dass von diesem Verfahrensgegenstand im Änderungsverfahren 1994 auch die Betriebszeiten umfasst gewesen wären, wurde weder behauptet, noch ist solches bescheinigt.

4. Bringen die Beklagten vor, die beanstandeten Handlungen stünden mit dem Gesetz im Einklang, steckt darin der - wenn auch nicht ausdrücklich erhobene - Einwand, seine Auffassung sei jedenfalls mit guten Gründen vertretbar (4 Ob 39/04w; 4 Ob 296/02m).

5. Nach ständiger Rechtsprechung steht jeder Partei nur eine Rechtsmittelschrift zu. Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig (RIS-Justiz RS0041666). Die am 18. 6., 25. 6. und 28. 6. 2010 beim Obersten Gerichtshof eingelangten - jeweils als „Ergänzung“ zum zuvor erhobenen Rechtsmittel bezeichneten - Schriftsätze der Klägerinnen waren daher zurückzuweisen.

Stichworte