Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 26.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 7. 2008 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 10.683,42 EUR (darin enthalten 1.410,57 EUR an USt und 2.220 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 64,56 EUR (darin enthalten 10,76 EUR an USt) bestimmten Kosten der Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Parteien bestand seit 16. 4. 2007 ein Fahrzeug-Kaskoversicherungsvertrag für den PKW Mercedes CLK 320, Baujahr 2003, womit der Klägerin unter anderem der Verlust des Fahrzeugs durch Diebstahl gedeckt war.
Die Klägerin verfügte über zwei Autoschlüssel mit Fernbedienung für ihr Fahrzeug. Das Funksignal der Fernbedienung reichte etwa 10 bis 15 m. Den einen Schlüssel hatte die Klägerin in Gewahrsam, den zweiten ihr Sohn, der das Fahrzeug etwa zweimal in der Woche benützte. Der Sohn betrieb ein Friseurgeschäft im 8. Bezirk in Wien. Sein Hauptwohnsitz lag im 18. Bezirk, als Nebenwohnsitz war er an der Wohnadresse der Klägerin im 17. Bezirk gemeldet. Den Weg zu seinem Geschäft legte er üblicherweise nicht mit dem PKW seiner Mutter zurück.
Am 16. 6. 2008 zwischen 12:30 Uhr und 13:45 Uhr wurde aus dem Friseursalon die Gürteltasche des Sohnes gestohlen, in der diverse Wohnungsschlüssel, ein Reisepass, Bargeld und auch die Zweitschlüssel für den Mercedes der Klägerin verwahrt waren. Er war zum Zeitpunkt des Diebstahls entweder in der Nähe der Wohnung der Klägerin im 17. Bezirk oder in der Nähe ihres Arbeitsplatzes im 13. Bezirk abgestellt. Die Klägerin wurde vom Sohn noch am selben Tag von dem Vorfall verständigt. Sie war zwar in Sorge, dass auch ihr Mercedes gestohlen werden könnte, hielt dies aber wegen der räumlichen Distanz zwischen dem Tatort und dem Abstellplatz des Fahrzeugs (3 km zu ihrer Wohnung und rund 13 km zu ihrem Arbeitsplatz) für unwahrscheinlich. Die Klägerin „kam nicht auf die Idee“, die Beklagte vom Diebstahl der Autoschlüssel zu verständigen oder die Schlösser des Fahrzeugs austauschen zu lassen oder das Fahrzeug zu garagieren. Die Beklagte hatte der Klägerin im Vorfeld nicht mitgeteilt, wie sie sich bei Verlust eines Autoschlüssels verhalten sollte. Wenn die Klägerin die Beklagte über den Diebstahl des Zweitschlüssels informiert hätte, hätte die Beklagte den Austausch der Schlösser verlangt, widrigenfalls sie den Versicherungsvertrag gekündigt hätte.
Die Klägerin parkte am 27. 6. 2008 gegen 17:00 Uhr den Mercedes „2 Straßenecken“ von ihrer Hauseingangstür entfernt (das sind zwischen 100 bis 200 m). Als sie das Fahrzeug am 30. 6. 2008 gegen 10:00 Uhr in Betrieb nehmen wollte, war es nicht mehr auffindbar. Es kann nicht festgestellt werden, ob die bislang unbekannten Täter den Mercedes unter Verwendung des dem Sohn gestohlenen Zweitschlüssels entwendet haben. Zwischen dem Diebstahl des Zweitschlüssels und dem Diebstahl des Fahrzeugs benützte der Sohn der Klägerin den Mercedes nicht mehr. Die Klägerin erstattete am 30. 6. 2008 bei der Polizei eine Anzeige.
Die Beklagte „setzte“ den Versicherungsvertrag mit Wirkung ab 30. 7. 2008 „außer Kraft“.
Für den gesamten Zulassungszeitraum wurden für das Fahrzeug keine Nachschlüssel nachbestellt. Der der Klägerin verbliebene Autoschlüssel wies keine Kopierspuren auf.
Die Klägerin begehrt den Wiederbeschaffungswert des Mercedes. Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass der Mercedes unter Verwendung des Zweitschlüssels gestohlen worden sei. Ihr Sohn habe seine Gürteltasche samt Autoschlüssel „sicher hinter dem Kassenpult“ verwahrt. Es habe kein örtlicher Zusammenhang zwischen dem Schlüssel und dem Fahrzeug bestanden, sodass der Diebstahl des Schlüssels keine erhebliche Gefahrerhöhung nach § 23 VersVG bewirkt habe. Die Distanz zwischen dem Parkplatz und dem Wohnort der Klägerin sei so groß gewesen, dass das Funksignal das Fahrzeug nicht hätte identifizieren können.
Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung, weil sie infolge schuldhaft herbeigeführter Gefahrerhöhung nach § 23 ff VersVG leistungsfrei sei. Die Klägerin habe rund 14 Tage nach dem Diebstahl des Schlüssels nichts zum Schutz des Fahrzeugs unternommen, insbesondere keinen Austausch der Fahrzeugschlösser veranlasst oder auch nur die Beklagte verständigt. Die örtliche Distanz zwischen den Tatorten sei derart gering, dass der Schlüsseldieb das Fahrzeug der Klägerin leicht habe finden können. Den Tätern sei durch den Diebstahl des Reisepasses der Name des Sohns der Klägerin bekannt gewesen, sodass sie die Möglichkeit gehabt hätten, die Adresse seines Haupt- und Nebenwohnsitzes herauszufinden, etwa durch eine Anfrage beim Zentralen Melderegister. Die Klägerin sei in Kenntnis der Gefahrerhöhung gewesen und habe sie grob fahrlässig herbeigeführt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Im Diebstahl der Autoschlüssel liege eine erhebliche Erhöhung der Gefahr, die unabhängig vom Willen der Klägerin eingetreten sei. Da die Klägerin nach den Feststellungen nicht von der erheblichen Erhöhung der Gefahr gewusst habe, komme nur in Betracht, dass ihr unverschuldetes Nichtwissen so schwer wiege, dass es einer positiven Kenntnis gleichkomme. Die allfällige Gedankenlosigkeit der Klägerin könne mit einer groben Sorgfaltsverletzung nicht gleichgesetzt werden. Es liege nicht auf der Hand, dass ein Dieb von Autoschlüsseln ein Fahrzeug, das in einem anderen Bezirk abgestellt sei, auffinden könne. Dass die Klägerin, ihr Fahrzeug nach dem Diebstahl des Schlüssels nicht „besonders“ gesichert habe, befreie die Beklagte nicht von ihrer Zahlungspflicht. Eine Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG scheitere daran, dass der Klägerin keine auffallende Sorglosigkeit angelastet werden könne. Die Kausalität zwischen dem Verhalten der Versicherungsnehmerin und dem Eintritt des Versicherungsfalls sei nicht bewiesen.
Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Ob eine Gefahrerhöhung vorliege, müsse „vom Standpunkt sachgemäßer, vernünftiger Versicherungstechnik“ beurteilt werden. Das Unterlassen des Austauschs der Schlösser könne nicht als erhebliche Gefahrerhöhung angesehen werden. Selbst wenn man davon ausginge, sei der Klägerin keine „Vornahme“ der Gefahrerhöhung anzulasten. Die Rechtsprechung nehme zwar auch dann eine willkürliche Gefahrerhöhung an, wenn der Versicherungsnehmer es unterlasse, eine auf andere Weise herbeigeführte Erhöhung der Gefahr zu beseitigen. Dies könne jedoch nur dann gelten, wenn den Versicherungsnehmer eine Verpflichtung treffe, die Gefahrerhöhung zu beseitigen. Ansonsten wäre die Unterscheidung zwischen gewillkürter und nicht gewillkürter Gefahrerhöhung obsolet. Die Klägerin habe nach dem Diebstahl des Zweitschlüssels keine vereinbarte Obliegenheit getroffen, zu handeln. Eine Handlungspflicht könne sich daher nur nach allgemeinen Grundsätzen ergeben, nämlich wenn die Beseitigung der Gefahrenlage ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre. Der Austausch von Schlössern sei aber nicht ohne weiteres zumutbar, weil er Kosten verursache, für welche die Klägerin keinen Ersatz erhalten hätte. Nach dem Schlüsseldiebstahl sei es nicht auf der Hand gelegen, dass dieser Aufwand überhaupt notwendig sei, weil der Zweitschlüssel lediglich mit dem Namen eines an einer anderen Adresse hauptgemeldeten Verwandten eines unbekannten Eigentümers in Verbindung zu bringen gewesen sei. Ohne Kenntnis der Adresse des Eigentümers des Fahrzeugs sei es in einem „Parkraum“ wie Wien höchst unwahrscheinlich, dass ein Fahrzeug mit dem Fernbedienungssignal ausgeforscht werden könne. Beim Diebstahl einer Tasche handle es sich um ein „quasi alltägliches“ Diebstahlsdelikt, bei dem es den Tätern nur um das Geld gehe. Die Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen sei hier einer gewillkürten Gefahrerhöhung durch die Klägerin nicht gleichzuhalten.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der Frage oberstgerichtliche Judikatur fehle, unter welchen Voraussetzungen das Unterlassen der Beseitigung der ohne Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen Gefahrerhöhung einer „Vornahme“ gemäß § 23 Abs 1 VersVG gleichzuhalten sei.
Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.
Nach Abschluss des Versicherungsvertrags darf der Versicherungsnehmer ohne Einwilligung des Versicherers weder eine Erhöhung der Gefahr vornehmen noch ihre Vornahme durch einen Dritten gestatten (§ 23 Abs 1 VersVG). Erlangt der Versicherungsnehmer davon Kenntnis, dass durch eine von ihm ohne Einwilligung des Versicherers vorgenommene oder gestattete Änderung die Gefahr erhöht ist, so hat er dem Versicherer unverzüglich Anzeige zu machen (§ 23 Abs 2 VersVG). Der Versicherer ist im Fall einer Verletzung der Vorschrift des § 23 Abs 1 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsfall nach der Erhöhung der Gefahr eintritt (§ 25 Abs 1 VersVG). Die Verpflichtung des Versicherers bleibt unter anderem bestehen, wenn die Verletzung nicht auf einem Verschulden des Versicherungsnehmers beruht (§ 25 Abs 2 VersVG). Die Verpflichtung des Versicherers zur Leistung bleibt auch bestehen, wenn die Erhöhung der Gefahr keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt hat (§ 25 Abs 3 2. Fall VersVG).
Unter Gefahrerhöhung ist nach ständiger Rechtsprechung ein Gefährdungsvorgang anzusehen, der seiner Natur nach geeignet ist, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (RIS-Justiz RS0080491). Die neu hinzutretenden Umstände müssen den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher machen und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen können, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämie fortzusetzen (RIS-Justiz RS0080357). Nur eine vom Versicherungsnehmer willkürlich herbeigeführte Gefahrerhöhung hat Leistungsfreiheit nach § 25 Abs 1 VersVG zur Folge (RIS-Justiz RS0080030). Auch das Unterlassen der Beseitigung einer unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen Gefahr ist als „Vornahme“ iSd § 23 Abs 1 VersVG anzusehen (RIS-Justiz RS0080419). Dem Versicherungsnehmer muss klar sein, dass seine Verhaltensweise geeignet ist, die Gefahr des Eintritts eines Versicherungsfalls zu vergrößern (RIS-Justiz RS0030324, RS0080414). Es muss ihm zumindest ein der positiven Kenntnis gleichkommendes schwerwiegendes Nichtwissen um die Gefahrerhöhung anzulasten sein (7 Ob 285/99h; RIS-Justiz RS0080335). Für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung ist grundsätzlich der Versicherer beweispflichtig (RIS-Justiz RS0043736). Der Beweis mangelnder Kausalität zwischen Gefahrerhöhung und Schadensfall obliegt dem Versicherungsnehmer. Dass der Versicherungsfall auch durch einen anderen Umstand verursacht worden sein könnte, rechtfertigt die Herstellung dieses Negativbeweises nicht (RIS-Justiz RS0080494).
Die Kenntnis davon, dass der Diebstahl eines Schlüssels grundsätzlich eine Gefahrerhöhung darstellt, weil dadurch das sichernde Schloss mit dem dafür vorgesehenen Werkzeug jederzeit geöffnet werden kann und daher keinen Schutz mehr für die zu sichernden Gegenstände darstellt, ist von jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erwarten. Es liegt auf der Hand, dass der Diebstahl eines Zweitschlüssels den Diebstahl des Fahrzeugs erheblich für den Täter erleichtert. Wird daher der Schlüssel eines Fahrzeugs gestohlen, tritt dadurch grundsätzlich eine Erhöhung der Gefahr des Diebstahls des Fahrzeugs ein, die dem Versicherungsnehmer in dem Augenblick bekannt wird, in dem er von der Wegnahme des Schlüssels erfährt. Auch die Klägerin hatte nach den Feststellungen Sorge, dass der Mercedes gestohlen werden könnte, mag sie dies auch letztlich wegen der örtlichen Distanz für unmöglich eingestuft haben. Ihr war die Gefahrerhöhung bekannt oder sie musste ihr wenigstens bekannt sein, weil sie vom Diebstahl des Zweitschlüssels erfuhr.
Die Gefahrerhöhung trat zwar ohne Willen der Klägerin ein. Es stellt sich aber die vom Berufungsgericht zu Recht als wesentlich bezeichnete Frage, ob das Verhalten der Klägerin, nämlich Maßnahmen zu unterlassen, um einen Diebstahl ihres Fahrzeugs unter Verwendung des Zweitschlüssels zu verhindern, also die Gefahrerhöhung zu beseitigen, als „Vornahme“ im Sinn von § 23 Abs 1 VersVG zu beurteilen ist.
Wie bereits dargelegt, kann auch das Unterlassen der Beseitigung einer unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eingetretenen Gefahr als „Vornahme“ anzusehen sein. Aus dem Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ergibt sich zwar keine konkrete Handlungsobliegenheit der Klägerin für den Fall des Diebstahls eines Autoschlüssels. Ein Versicherungsnehmer ist aber zur Beseitigung der nicht von ihm herbeigeführten Gefahrerhöhung durch aktives Tun auch dann gehalten, wenn ihm dieses - wie nach allgemeinen Grundsätzen (vgl RIS-Justiz RS0022458) - möglich und zumutbar ist (auch Schauer, Das Österreichische Versicherungsvertragsrecht3 240). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine Kosten verursachende Handlung einem Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist, kann nicht geteilt werden. Welche Handlungen dem Versicherungsnehmer zur Beseitigung der Gefahrerhöhung möglich und zumutbar sind und welche Kosten dafür in Kauf genommen werden müssen, kann nicht generell gesagt werden. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, welche Gefahrerhöhung unter welchen Umständen eingetreten ist, wie wahrscheinlich ein Schadenseintritt ist, mit welchem Schaden zu rechnen ist und welche Handlungsmöglichkeiten dem Versicherungsnehmer konkret zu Gebote standen.
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Zweitschlüssel aus einem Geschäftslokal des Sohns der Klägerin - aus einer von ihr selbst so bezeichneten „sicheren Verwahrung“ - gestohlen wurde. Dies legt nahe, dass kein Gelegenheitstäter am Werk war, sondern eine Person, die über die Verhältnisse im Geschäftslokal Bescheid wusste. Täter, denen es nur um Bargeld geht, werden nicht nach einer „sicher“ verwahrten, also nicht ohne Weiteres sichtbaren Tasche langwierig suchen, sondern sich dem offensichtlichen Verwahrungsort von Geld, nämlich der Kasse des Geschäftslokals, zuwenden. Dies war aber nicht der Fall. Werden Autoschlüssel unter diesen Umständen gestohlen, liegt die Vermutung nahe, dass die Täter bereits einen gewissen Wissensstand über die Identität und die Lebensumstände der bestohlenen Person haben. In einer solchen Situation ist es keinesfalls unwahrscheinlich, dass die Täter auch die kriminelle Energie aufbringen werden, die üblichen Standorte des zum Schlüssel gehörenden Fahrzeugs durch Beobachtungen ausfindig zu machen, falls sie ihnen nicht ohnehin bereits vor der Tat bekannt waren. Das Argument, ein konkretes Fahrzeug sei aufgrund der Parkraumsituation in Wien nur rein zufällig ausfindig zu machen, überzeugt nicht. Ist nämlich der mögliche Aufenthaltsort der das Fahrzeug benützenden Personen bekannt oder ausfindig gemacht, so ist es ein Leichtes, auch das Fahrzeug mit Hilfe der Fernbedienung aufzuspüren. Einerseits engt die Marke die Suche auf nur einige bestimmte Fahrzeuge ein, anderseits kann das „richtige“ Fahrzeug durch das Signal der Fernbedienung leicht erkannt werden. Durch Abgehen oder Befahren der zum Parken in Frage kommenden Straßenzüge im näheren Umfeld des Wohnorts des Besitzers oder des Benützers des PKWs (das Fahrzeug stand in einer für das Dauerparken üblichen Entfernung von 100 bis 200 m vom Wohnort der Klägerin entfernt) ist es nicht schwierig, das „richtige“ Fahrzeug zu finden.
Nach den Umständen des Einzelfalls, unter denen der Zweitschlüssel gestohlen wurde, ist der Diebstahl des Fahrzeugs unter Verwendung dieses Schlüssels sehr wahrscheinlich. Ein Schlösseraustausch wäre binnen kurzer Zeit möglich gewesen und hätte einen Kostenaufwand von rund 1.000 EUR verursacht. Im Hinblick auf den Wert des Fahrzeugs von 26.000 EUR ist der Klägerin dieser Aufwand zuzumuten. Dies umso mehr, als sie entgegen § 23 Abs 2 VersVG die Beklagte nicht unverzüglich von der Gefahrerhöhung verständigte. Sie hat damit nicht einmal versucht abzuklären, welche Kosten sie tatsächlich tragen müsste, hätte doch allenfalls auch die Möglichkeit bestanden, dass der Versicherer diese Kosten selbst übernimmt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hat daher die Klägerin eine Gefahrerhöhung nach § 23 VersVG vorgenommen, weil sie den Austausch der Fahrzeugschlösser unterließ.
Der Beweis, dass diese Unterlassung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls hatte, das Fahrzeug also nicht unter Verwendung des entwendeten Zweitschlüssels gestohlen wurde, ist der Klägerin nicht gelungen. Damit ist die Beklagte nach § 25 VersVG leistungsfrei.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren sind die zutreffenden Einwendungen der Klägerin gegen das von der Beklagten gelegte Kostenverzeichnis zu berücksichtigen. Barauslagen in der Höhe von 3 EUR für Adressenermittlung und 3,20 EUR für Kopierkosten stehen nicht zu. Sie sind nicht bescheinigt. Überdies ist nicht erkennbar, warum die Adressenermittlung notwendig wurde. Kopierkosten sind grundsätzlich vom Einheitssatz gedeckt (Obermaier, Das Kostenhandbuch Rz 76 mN). Weiters wird in der Kostennote nicht die Klagseinschränkung ab der Tagsatzung vom 31. 3. 2009 berücksichtigt, wodurch sich die Bemessungsgrundlage verringerte. Auch die für die Berufung verzeichneten Kosten basieren nicht auf dem eingeschränkten Klagsbetrag.
Die Einwendungen der Klägerin gegen das Kostenverzeichnis nach § 54 Abs 1a ZPO waren zur Gänze berechtigt und führen zur Reduktion des Kostenzuspruchs an die Beklagte. Es stellt sich daher die Frage, ob die Einwendungen zu honorieren sind.
§ 54 Abs 1a ZPO regelt, dass das am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (§ 193 ZPO) dem Gericht zu übergebende Kostenverzeichnis gleichzeitig auch dem Gegner auszuhändigen ist. Dieser kann dazu binnen einer Notfrist von 14 Tagen Stellung nehmen. Soweit der Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt, hat das Gericht diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Nach der Regierungsvorlage (113 BlgNR 24. GP 31) soll diese Bestimmung der Entlastung der Gerichte dienen, sodass sie jene Positionen, zu denen der Gegner keine begründeten Einwendungen erhoben hat, der Kostenentscheidung zu Grunde zu legen haben. Damit wird die Dispositionsmaxime auf den Kostenersatzanspruch ausgeweitet. Diese Regelung soll aber nur für das am Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gelegte Kostenverzeichnis gelten.
Die Gesetzeslage gibt keinen Aufschluss über den Kostenersatz für den Einwendungsschriftsatz.
Im Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass erfolgreiche Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis des Prozessgegners nach § 54 Abs 1a ZPO zu einem Kostenersatzanspruch der im Zwischenstreit über die Kosten erfolgreichen Partei führt, wobei die Honorierung nach TP 2.I.1.e) RATG (sonstige Schriftsätze) auf der sinngemäß nach § 11 RATG zu ermittelnden Bemessungsgrundlage erfolgt (Höllwerth, Einwendungen gegen die Kosten, § 54 Abs 1a ZPO, ÖJZ 2009/80, 743; Fucik, Mustereinwendungen gegen das Kostenverzeichnis, ÖJZ 2009/86, 791; Salficky, Gedanken zu § 54 Abs 1a ZPO, AnwBl 2009, 473; Woller, Budgetbegleitgesetz 2009: Auswirkungen auf das Zivilverfahren, ecolex 2009, 567 [der zu dieser Frage nur ausführt, dass die Äußerung der Gegenseite kostenpflichtig sei]).
Die Judikatur der Rekursgerichte zur vorliegenden Frage ist uneinheitlich. Einerseits wird die Kostenersatzpflicht für berechtigte Einwendungen im dargelegten Sinn bejaht (Oberlandesgericht Linz, 4 R 205/09h; Oberlandesgericht Innsbruck, 1 R 211/09p), andererseits verneint (Oberlandesgericht Graz, 5 R 186/09a, 2 R 184/09k; Oberlandesgericht Wien, 30 R 46/09v). Die ablehnende Rechtsmeinung wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Bestimmung der Entlastung der Gerichte dienen solle, welche Zweck bei Annahme einer Kostenersatzpflicht unterlaufen würde. Es sei vielmehr nicht von einem Zwischenstreit auszugehen, sodass für die Einwendungen wie für die Vorlage des Kostenverzeichnisses kein Kostenersatz gebühre.
Nach dem Gesetzestext sind Kostenverzeichnisse, gegen die keine begründeten Einwendungen erhoben wurden, vom Gericht ungeprüft seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (Höllwerth aaO, Fucik aaO; Salficky aaO; ablehnend: Mayr, Zivilverfahrensrechtliche Neuerungen des Budgetbegleitgesetzes 2009, ecolex 2009, 562). Dies spricht für die Kostenersatzpflicht für erfolgreiche Einwendungen gegen eine Kostennote nach § 54 Abs 1a ZPO. Das Erheben von begründeten Einwendungen ist Voraussetzung dafür, dass das Gericht die Kostennote überhaupt inhaltlich überprüft. Sie sind jedenfalls zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Muss aber der Rechtsanwalt begründete Einwendungen verfassen, um das Gericht zu veranlassen, das Kostenverzeichnis zu überprüfen, so ist dies mit dem nicht gesondert zu honorierendem Legen einer Kostennote nicht zu vergleichen. Es liegt vielmehr ein nach Schluss der Verhandlung erster Instanz durchzuführendes Zwischenverfahren infolge Einwendungen gegen die verzeichneten Prozesskosten vor. Die Kosten der Einwendungen sind daher ausgehend vom Erfolg im Zwischenstreit zu ersetzen. Die Bemessungsgrundlage ist analog § 11 RATG zu ermitteln und orientiert sich an dem Betrag, auf den sich die Einwendungen beziehen. Da es sich dabei aber nicht um einen Kostenrekurs, sondern um Äußerungen im erstinstanzlichen Verfahren handelt, scheidet mangels gesetzlicher Anordnung eine Honorierung nach TP 3A RATG aus. Die Einwendungen sind nach TP 2. I.1.e) RATG (sonstige Schriftsätze) zu honorieren. Insoweit waren die von der Klägerin verzeichneten Kosten nach TP 3A zu kürzen und der Beklagten der Ersatz an die Klägerin aufzutragen.
Im vorliegenden Fall hat aber nicht nur die Klägerin, sondern auch die Beklagte Einwendungen erhoben. Diese führten im Zwischenstreit (mangels Beschwer) nicht zu einem Erfolg. Die Beklagte obsiegt in der Hauptsache, es trifft sie daher keine Kostenersatzpflicht. § 50 Abs 2 ZPO gilt nur für Rechtsmittel und ist hier nicht anwendbar. Es würde auch den Zweck der Bestimmung, die Kostenentscheidung für das Gericht zu erleichtern, völlig unterlaufen, müsste man hypothetisch nachvollziehen, ob Einwendungen gegen eine der Kostenentscheidung gar nicht zugrunde liegende Kostennote erfolgreich wären. Die in der Hauptsache obsiegende Beklagte hat daher die Kosten ihrer Einwendungen selbst zu tragen.
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