OGH 1Ob39/10g

OGH1Ob39/10g20.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann, Dr. Stefan Geiler, Mag. Priska Seeber und MMag. Dr. Stefan Dorner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Branka P*****, vertreten durch Mag. Gerhard Brandstätter, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 7.270 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. November 2009, GZ 4 R 245/09z-32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 25. Juli 2009, GZ 5 Cg 208/08d-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts, das in der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens rechtskräftig ist, wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.990,42 EUR (darin enthalten 228,90 EUR USt und 617 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte und ihr damaliger Ehegatte nahmen im Jahr 2004 bei der klagenden Bank einen Kredit über 45.000 EUR, rückzahlbar in 80 monatlichen Raten von 417,08 EUR mit einer Gesamtbelastung von 74.640,60 EUR auf. Ihre beiden Kinder waren damals 11 und 8 Jahre alt. Die Beklagte verdiente als Raumpflegerin durchschnittlich 500 EUR netto monatlich, zusätzlich bezog sie Transferleistungen von rund 300 EUR pro Monat. Ihr damaliger Ehegatte verdiente als Fernfahrer monatlich knapp 1.600 EUR netto. Er hatte Schulden von rund 3.500 EUR aus zwei Krediten bei einer anderen Bank, die er allein aufgenommen hatte, um damit Möbel für die eheliche Wohnung anzuschaffen. Die monatlichen Rückzahlungsraten betrugen 270 EUR.

Nachdem der Ehemann der Beklagten bei mehreren Kreditinstituten vergeblich versucht hatte, einen Kredit zu erlangen, setzte er sich mit einem Kreditvermittler in Verbindung. Dieser stellte in Aussicht, gegen eine Vermittlungsprovision von rund 3.000 EUR einen Kredit beschaffen zu können. Der Ehemann der Beklagten übermittelte diesem „Zuträger“ Unterlagen über die Einkommensverhältnisse der Familie. Nach den schriftlichen und telefonischen Auskünften des Ehemanns erstellte der Kreditvermittler auf einem Formular der Klägerin eine Haushaltsrechnung, in der nach Saldierung von Einkommen und Ausgaben ein monatlich frei verfügbares, gemeinsames Einkommen von rund 960 EUR verblieb. Weiters holte er eine Auskunft des Kreditschutzverbands über den Ehemann der Beklagten ein, in der die beiden Verbindlichkeiten aus den Krediten aufschienen. Diese Urkunden übermittelte der Kreditvermittler der Klägerin, die daraufhin selbst Auskünfte über die Beklagte und deren Ehemann einholte, entsprechend diesen Unterlagen eine Haushaltsrechnung über einen Kreditbetrag von 45.000 EUR erstellte, und sich grundsätzlich mit einem Kreditabschluss einverstanden erklärte. Am 11. 11. 2004 fuhr das Ehepaar nach Wien zur Unterfertigung des Kreditvertrags, zumal der Ehemann der Beklagten dieser mitgeteilt hatte, sie müsse mitfahren, um die Krediturkunde zu unterfertigen. Der Gatte der Beklagten erklärte ihr, mit dem Geld sollten ein neues Fahrzeug und Möbel für die neue Ehewohnung angeschafft werden. Die Beklagte wusste, dass ein Kredit über 45.000 EUR aufgenommen werden sollte. Das Ehepaar verfügte damals bereits über ein Fahrzeug. Der Ehemann war aber bei einem Unternehmen in Salzburg als Fernfahrer tätig und regelmäßig die ganze Woche unterwegs, weshalb dieser PKW entweder die gesamte Zeit über in Salzburg stand oder die Beklagte ihren Gatten dorthin bringen musste, um unter der Woche über ein Auto zu verfügen. Bevor das Ehepaar in die Bankfiliale ging, traf es den Kreditvermittler. Dieser erklärte, sie sollten bei der Bank angeben, dass das ganze Geld für die Wohnungseinrichtung verwendet werde. Als sie in der Filiale ankamen, lagen bereits die von einer Mitarbeiterin der Bank vorbereiteten Selbstauskünfte sowie eine Haushaltsrechnung vor, welche die Ehegatten ohne nähere Erörterung unterfertigten. Der Ehemann erklärte der Mitarbeiterin der Bank, der Kredit werde für eine Wohnungseinrichtung benötigt und verwendet. Die Mitarbeiterin der Klägerin fragte nicht weiter nach, obwohl das eigentlich jeder vergleichbare Kreditkunde behauptete. Ob der Ehemann der Beklagten in der Lage sein würde, den Kredit zurückzuzahlen, wurde nicht erörtert.

In der Haushaltsrechnung war für den Ehemann der Beklagten unter Berücksichtigung des 13. und 14. Monatsgehalts ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von knapp unter 1.800 EUR angesetzt, für die Beklagte inklusive Transferzahlungen von knapp über 900 EUR, dies bei gemeinsamen monatlichen Ausgaben von rund 1.700 EUR. Auf dieser Basis errechnete die Mitarbeiterin der Klägerin ein gemeinsames monatlich frei verfügbares Einkommen von rund 1.000 EUR und kam rechnerisch unter Berücksichtigung einer 15%igen „Sicherheitsreserve“ auf eine zumutbare (mögliche) Kreditrate von 860 EUR. Die Beklagte und ihr Ehegatte unterfertigten die Kreditvereinbarung jeweils als Kreditnehmer. Nach Abdeckung der Schulden aus den beiden Krediten des Ehemanns von 3.572 EUR und nach Abzug einer Kreditgebühr wurden 41.068 EUR bar ausbezahlt. Davon übergab der Ehemann der Beklagten dem Kreditvermittler 3.000 EUR Provision. Um 16.500 EUR wurde ein Audi A 6 angeschafft, den die Beklagte nutzte. Darüber hinaus kaufte das Ehepaar für die neue Wohnung eine Küche um 2.500 EUR. Einen Betrag von rund 15.000 EUR verwendete der Ehemann für die Anschaffung eines LKWs in Serbien, um sich selbständig zu machen und ein höheres Einkommen zu erzielen, was er auch mit der Beklagten abgesprochen hatte. Tatsächlich scheiterte diese Investition jedoch. Das restliche Geld (4.068 EUR) verspielte der Ehemann teilweise im Casino, teilweise wendete er es für den gemeinsamen Lebensunterhalt auf; so bezahlte er etwa die Miete für die gemeinsame Wohnung.

Die Ehe wurde Anfang 2007 einvernehmlich geschieden. Der Ehemann verpflichtete sich, die Rückzahlung aus dem bei der Klägerin aufgenommenen Kredit allein zu übernehmen, die Beklagte haftete nach § 98 EheG als Ausfallsbürgin. Ein gegen den Hauptschuldner eingeleitetes Exekutionsverfahren blieb erfolglos. Per 18. 5. 2007 betrug die Forderung aus dem Kredit 44.737,68 EUR. Im Februar 2008 wurde über das Vermögen des Hauptschuldners das Schuldenregulierungsverfahren eingeleitet, das zu einem Abschöpfungsverfahren führte. Die für die beiden Kinder sorgepflichtige Beklagte verdient derzeit monatlich zwischen 750 EUR und 900 EUR netto.

Die Klägerin begehrte aus dem aushaftenden Kredit einen Teilbetrag von 7.270 EUR und verwies insbesondere auf das wirtschaftliche Interesse beider Kreditnehmer am Abschluss des Kreditvertrags und die Verwendung der Kreditmittel auch zu Gunsten der Beklagten.

Die Beklagte wendete - soweit noch relevant - ein, sie sei Interzedentin iSd § 25c KSchG, weil sie vom Kredit in keiner Weise profitiert hätte, was auch der Klägerin bekannt gewesen sei. Sie sei nicht darüber aufgeklärt worden, dass ihr damaliger Ehegatte angesichts der Gesamtbelastung die eingegangene Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder zumindest nicht vollständig erfüllen werde können. Überdies liege ein krasses Missverhältnis zwischen der von ihr übernommenen Kredithaftung und ihrem Einkommen vor. Die Haftungserklärung sei sittenwidrig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens - statt. Es verneinte die Eigenschaft der Beklagten als Interzedentin aufgrund des Eigeninteresses an der Anschaffung des neuen Fahrzeugs und der neuen Möbel, wofür nahezu die Hälfte der ausbezahlten Kreditvaluta verwendet worden sei. Aufgrund des maßgeblichen Interesses der Beklagten am Abschluss des Kreditvertrags sei dieser auch nicht sittenwidrig.

Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es ließ die Revision mangels einer einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Eingehen der Verbindlichkeit die Stellung als Interzedent ausschließe, zu. In der rechtlichen Beurteilung folgte das Berufungsgericht der in 3 Ob 1/09g vertretenen Auffassung, nicht schon jedes eigene wirtschaftliche Interesse am Eingehen der Verbindlichkeit schließe die Interzession aus, sondern es sei zur Abgrenzung einer materiell fremden Schuld von einer „echten“ Mitschuld das dem Gläubiger bekannte und von ihm leicht erforschbare Innenverhältnis der beiden Schuldner maßgeblich. Im konkreten Fall treffe die Beklagte als Kreditnehmerin die Beweislast, dass sie in Wahrheit lediglich als Interzedentin aufgetreten sei. Maßgeblich sei, ob nach dem Willen des Ehepaars der Beklagten gegenüber ihrem (damaligen) Ehegatten ein vollständiges Regressrecht im Fall ihrer Inanspruchnahme zugekommen wäre, was aufgrund der im nachfolgenden Ehescheidungsverfahren getroffenen Vereinbarung über die alleinige Rückzahlungsverpflichtung des Ehemanns zu bejahen sei. Die Bankangestellte habe die Information über die beabsichtigte Verwendung des Kredits für eine Wohnungseinrichtung nicht weiter hinterfragt, obwohl das eigentlich jeder vergleichbare Kreditkunde behaupten würde. Daraus könne unschwer entnommen werden, dass die Bankangestellte diesen Behauptungen nicht geglaubt hätte. Bei dieser Situation wäre es Sache der Klägerin gewesen, den wahren Kreditzweck zu erforschen und insbesondere auch abzuklären, ob es tatsächlich der Interessenlage der Beklagten entsprochen habe, ebenfalls als Hauptschuldnerin aufzutreten. Dann hätte die Klägerin erfahren, dass nach den - wahren - Einkommens- und Lebensverhältnissen des Ehepaars der Ankauf eines LKWs in Serbien ebenso wie die Anschaffung eines neuen PKWs nicht in den finanziellen Bereich der Beklagten gefallen sei, zumal diese durch die - offenkundige - Führung des gemeinsamen Haushalts ihre eheliche Beistandspflicht bereits erfüllt und überdies im Vergleich zu ihrem Ehemann über ein weit geringeres Einkommen verfügt habe. Die Klägerin hätte auch erkennen müssen, dass sich die Beklagte nur deshalb als Hauptschuldnerin zur Verfügung gestellt hätte, weil es sich dabei um eine - durch den „Zuträger“ bekanntgegebene - zwingende Bedingung für die Kreditvergabe gehandelt habe. Ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte in den Genuss der Kreditmittel gekommen sei, sei sie Interzedentin iSd § 25c KSchG. Darüber hinaus sei die Haftungserklärung der Beklagten sittenwidrig. Es komme bei dieser Prüfung auf die im Zeitpunkt des Eingehens der Haftung gegebenen und in absehbarer Zeit zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Interzedenten (und nicht auch des Hauptschuldners) an. Das hier gegebene krasse (objektive) Missverhältnis zwischen dem Einkommen der Beklagten und dem Umfang der eingegangenen Haftung führe zur Prüfung weiterer für die Inhaltskontrolle rechtserheblicher Gesichtspunkte wie die inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrags, die Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten, und die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber. Die Beklagte habe den Kreditvertrag nur deshalb unterfertigt, um dem - dringlichen - Ansinnen ihres Ehemanns zu entsprechen. Dieser habe sie mehr oder weniger ultimativ aufgefordert, mit ihm zwecks Unterfertigung des Kreditvertrags nach Wien zu fahren. Dort sei sie zusätzlich unter den psychischen Druck des auf die Provision bedachten „Zuträgers“ geraten. Damit sei unzweifelhaft von einer verdünnten Willensfreiheit auf Seiten der Beklagten auszugehen, was die Klägerin bei entsprechender Nachforschung auch hätte erkennen können.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

1.) Zur Interzedenteneigenschaft iSd § 25c KSchG:

Nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmung bedeutet Interzession den Beitritt des Verbrauchers zu einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant. Nach den Materialien (ErlRV 311 BlgNR 20. GP, 25) sollten Fälle, in denen mehrere Personen gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit (als „echte Mitschuldner“) eingehen, von § 25c KSchG nicht erfasst werden. Die mit der Entscheidung 7 Ob 65/04s eingeleitete, zu RIS-Justiz RS0119014 dokumentierte Judikaturlinie schließt eine fremde Verbindlichkeit iSd § 25c KSchG und damit die Interzedenteneigenschaft des Mithaftenden aus, wenn diesem die Kreditaufnahme (auch) zugute kommt, was in der Lehre unter anderem von P. Bydlinski (ÖBA 2005/1247, 52) und Kathrein (in KBB2 § 25c KSchG Rz 3) kritisiert wurde.

Der Ausschluss der Interzedenteneigenschaft bereits aufgrund eines Eigeninteresses des Mithaftenden wird in den Entscheidungen 3 Ob 111/08g (= JBl 2009, 253 [P. Bydlinski]) und 3 Ob 1/09g (= ÖBA 2010/1591, 55 [Kellner]) abgelehnt: Ein Eigeninteresse an der Kreditaufnahme sei bloß ein Indiz für den Vertragswillen nach Begründen einer echten Mitschuld. Entscheidend dafür, ob ein Interzessionsgeschäft vorliege, könne nur der Parteiwille sein, der aus den Umständen des Vertragsabschlusses zu erschließen sei. Maßgeblich sei das dem Gläubiger bekannte oder von ihm leicht erforschbare Innenverhältnis der beiden Schuldner. Eine materiell fremde Schuld sei dadurch charakterisiert, dass dem zahlenden Interzedenten ein Regressanspruch gegenüber dem Schuldner zustehe. Wenn die Bank eine Bürgenhaftung verlange und die Frage des möglichen Eigeninteresses gar nicht erörtert werde, reiche ein tatsächlich bestehendes Eigeninteresse nicht aus, eine Interzession auszuschließen. In einem solchen Fall obliege es der Bank, Umstände zu behaupten und zu beweisen, dass der Vertragswille auf die Begründung einer echten Mitschuld gerichtet gewesen sei.

Der - dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte - Widerspruch zwischen diesen beiden dargestellten Judikaturlinien spielt aber im vorliegenden Fall keine Rolle, was eine weitere Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Judikatur- und Lehrmeinungen überflüssig macht.

Im Vordergrund steht zunächst, dass die Beklagte nach der Kreditvertragsurkunde keine Bürgschaftsvereinbarung abgeschlossen hat, sondern gemeinsam mit ihrem damaligen Gatten als (Mit-)Kreditnehmerin die Vereinbarung getroffen hat. Wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, hätte die Beklagte auch im Sinne der Rechtsauffassung des dritten Senats behaupten und beweisen müssen, dass sie in Wahrheit lediglich als Interzedentin aufgetreten ist. Soweit es eine - der Klägerin erkennbare - Vereinbarung eines Regressrechts der Beklagten als Indiz für ihre Interzedentenstellung betrifft, arbeitete das Berufungsgericht mit Vermutungen bzw Schlussfolgerungen, die durch den Sachverhalt nicht gedeckt sind. Eine etwa zwei Jahre nach der Kreditaufnahme im Zuge der einvernehmlichen Scheidung getroffene Vereinbarung, wer den gemeinsam aufgenommenen Kredit im Innenverhältnis zurückzuzahlen hat, bedeutet keinesfalls zwingend, dass die damaligen Ehegatten vor oder bei Eingehen der Kreditverpflichtung - noch dazu für die Klägerin erkennbar - ein Regressrecht der Ehefrau vereinbart hätten. Auch das Argument des Berufungsgerichts, die Bankangestellte habe den Behauptungen des Ehemanns zum Zweck des Kredits nicht geglaubt, weil jeder vergleichbare Kreditkunde den gleichen Zweck angebe, ist durch den festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt. Bei einem Kreditbetrag in dieser Größenordnung ist die Angabe eines Kreditzwecks mit „Wohnungseinrichtung“ nicht derart unplausibel, dass dies eine „inquisitorische“ Befragung der Kreditnehmer rechtfertigte, ob diese Angaben auch der Wahrheit entsprächen. Dass die Bank die Beklagte zur Übernahme der Verpflichtung aus dem Kreditvertrag gedrängt hätte, indem sie die Kreditaufnahme von dieser Mithaftung abhängig gemacht hätte, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Der Beklagten war sowohl der Verwendungszweck als auch die Höhe des aufzunehmenden Kredits nach den Besprechungen mit ihrem Ehemann klar. Ein Eigeninteresse der Beklagten, das auch nach der Judikatur des dritten Senats ein Indiz gegen die Interzedenteneigenschaft darstellt, ist hier zumindest hinsichtlich der Anschaffung des PKWs und der Kücheneinrichtung als Teil des ehelichen Gebrauchsvermögens gegeben. Selbst nach den in 3 Ob 111/08g entwickelten Kriterien wären 50 % der Anschaffungskosten von 19.000 EUR, also 9.500 EUR, der Beklagten als „eigener“, von einer Interzession nicht erfasster Anteil zuzurechnen. Die zitierte Entscheidung betraf die Aufnahme eines Kredits zur Sanierung eines Hauses, das im Hälfteeigentum der Ehegatten stand. In diesem Fall wurde davon ausgegangen, dass zumindest für das Hälfteeigentum des anderen Ehegatten eine materiell fremde Schuld des Mithaftenden vorliege und im Innenverhältnis eine Belastung nach Kopfteilen, also je zur Hälfte, zu erfolgen habe. Jener Anteil, der der Klägerin ähnlich diesen Kriterien zugerechnet werden könnte, entspricht rund 21 % der aufgenommenen Kreditsumme von 45.000 EUR. Ein Vergleich zwischen dem eingeklagten Betrag von 7.270 EUR mit dem aushaftenden Kreditbetrag von 44.737,68 EUR ergibt eine Relation von rund 16 %. Im konkreten Fall ist somit davon auszugehen, dass der Beklagten der Nachweis ihrer Interzedentenstellung nicht gelungen ist. Sie kann sich schon deshalb nicht auf die in § 25c Satz 2 KSchG geregelte Rechtsfolge der Verletzung einer Aufklärungspflicht der Bank (Haftungsbefreiung) berufen.

2.) Zur Sittenwidrigkeit einer Mithaftung:

Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit rechtsgeschäftlicher Haftungserklärungen volljähriger Familienangehöriger ohne jedes oder jedenfalls ohne ausreichendes Einkommen und Vermögen hat das Gericht eine auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bezogene Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind neben der konkreten vertraglichen Ausgestaltung der Mithaftung (einschließlich der absoluten Höhe der eingegangenen Verpflichtung) bei der Abwägung der für und gegen die Sittenwidrigkeit sprechenden Umstände etwa das Abdingen bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften, das Fehlen einer betragsmäßigen Haftungsbegrenzung bzw die damit fehlende Überschaubarkeit des Risikos überhaupt oder eine hoffnungslose Überschuldung des Hauptschuldners, in der Person des mithaftenden Angehörigen liegende Umstände (wie die Verharmlosung der Tragweite oder des Risikos der Verpflichtung durch einen Angestellten der Bank, die Überrumpelung des Angehörigen oder die Ausnützung einer seelischen Zwangslage, die sich aus der gefühlsmäßigen Bindung zum Kreditnehmer oder der wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihm ergibt) und letztlich auch die geschäftliche Unerfahrenheit (RIS-Justiz RS0048309; RS0048300). Als erster Schritt einer Sittenwidrigkeitskontrolle ist ein krasses Missverhältnis zwischen Haftungsumfang und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Interzedenten als auslösendes Moment der Inhaltskontrolle zu überprüfen (8 Ob 253/99k = SZ 73/79; 9 Ob 85/02v = SZ 2002/80). Ist vom Vorliegen eines solchen krassen Missverhältnisses als objektives Element auszugehen, so sind die weiteren für die Inhaltskontrolle relevanten Gesichtspunkte innerhalb eines beweglichen Beurteilungssystems danach zu beurteilen, ob entsprechende Indikatoren in der Gesamtschau ein Sittenwidrigkeitsurteil rechtfertigen (10 Ob 315/02z ua). Die maßgeblichen Kriterien für ein Sittenwidrigkeitsurteil sind a) die inhaltliche Missbilligung des Interzessionsvertrags, b) die Missbilligung der Umstände seines Zustandekommens infolge verdünnter Entscheidungsfreiheit des Interzedenten, und c) die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber (1 Ob 211/98f; 4 Ob 354/98g ua). Diese Kriterien wurden für den - hier eben nicht gegebenen - Interzessionsfall entwickelt. Auch bei einem krassen Missverhältnis zwischen Eigeneinkommen der Beklagten (500 EUR netto monatlich) und Gesamtkreditbelastung (74.640,60 EUR) wäre eine Sittenwidrigkeit der Haftungsübernahme zu verneinen. Die Argumente des Berufungsgerichts zum psychischen Druck, dem die Beklagte seitens ihres Mannes wie auch des „Zuträgers“ ausgesetzt gewesen sei, was die Annahme einer verdünnten Willensfreiheit rechtfertige, sind in dieser Form nicht durch den festgestellten Sachverhalt gedeckt. Die Beklagte war aufgrund der Gespräche mit ihrem Mann sehr wohl darüber informiert, wofür und in welchem Ausmaß ein Kredit aufgenommen werden sollte. Eine Überrumpelung einer unter Druck gesetzten Mithaftenden, die noch dazu der klagenden Bank erkennbar gewesen sein müsste, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen. Auch hier ist das nicht unbeträchtliche Eigeninteresse der Beklagten an der Kreditgewährung, die auch der Anschaffung eines (von ihr zu nutzenden) PKWs und einer Kücheneinrichtung diente, zu beachten, was die Annahme der Sittenwidrigkeit einer Haftungsübernahme in der Regel ausschließt (vgl 8 Ob 100/03v). Damit kann die Beklagte ihrer Zahlungsverpflichtung nicht die Sittenwidrigkeit ihrer Haftungserklärung entgegenhalten.

3.) Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

4.) Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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