OGH 14Os46/10m

OGH14Os46/10m13.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrzej S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 erster und zweiter Fall und Z 3, 130 dritter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 37 Hv 42/09t des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 1. März 2010, AZ 7 Bs 75/10v (ON 291), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

G r ü n d e :

Andrzej S***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 21. September 2009, GZ 37 Hv 42/09t-214, im zweiten Rechtsgang erneut des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 erster und zweiter Fall und Z 3, 130 dritter und vierter Fall StGB (I), des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II) sowie des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB (V) schuldig erkannt und hiefür unter Einbeziehung der bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche (wegen eines weiteren Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 12 dritter Fall, 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 ½ Jahren verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs - soweit vom Oberlandesgericht als haftrelevant angesehen - hat er

„I. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren und durch Einbruch begangenen Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, anderen fremde bewegliche Sachen weggenommen, und zwar

1. zwischen 11. und 13. November 2007 in Wien Dr. Thomas M***** zwei KFZ-Kennzeichentafeln unbekannten Werts;

2. in der Nacht zum 16. November 2007 in Z***** Verfügungsberechtigten des A***** G***** durch Einschlagen einer Fensterscheibe und anschließendes Einsteigen in eine Holzhütte etwa 30 Fahrzeugschlüssel unbekannten Wertes und einen PKW der Marke Audi A6 Avant, 2,5 TDI, im Verkaufswert von ca 19.000 Euro durch Eindringen mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel;

II. am 16. November 2009 in W***** den Polizeibeamten Werner K***** mit Gewalt an seiner Festnahme zu hindern versucht, indem er mit seinem Fahrzeug mit unvermindertem Tempo auf den Beamten zufuhr, der auf der Straße stand, um ihn anzuhalten, sodass sich dieser nur durch einen Sprung zum Fahrbahnrand in Sicherheit bringen konnte, und indem er kurz nach seiner Anhaltung im Zuge der Festnahme versuchte, sich loszureißen und Werner K***** umzurennen und wegzudrücken;

V. am 18. November 2007 und am 29. April 2008 in S***** die Polizeibeamten Werner K***** und Benedikt O***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie der von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung des Quälens oder Vernachlässigens eines Gefangenen nach § 312 Abs 1 StGB falsch verdächtigte, indem er anlässlich seiner Vernehmungen vor dem Journalrichter des Landesgerichts Salzburg und in der Hauptverhandlung behauptete, die Genannten hätten ihn am 16. November 2007 in W***** nach seiner Fesselung mittels Handschellen mehrfach massiv geschlagen, getreten, seinen Kopf gegen den Asphalt geschlagen und ihn auf diese Weise am Körper verletzt, obwohl er wusste, dass die Verdächtigung falsch war.“

Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom heutigen Tag, AZ 14 Os 10/10t, 11/10i, zurückgewiesen, über seine Berufung hat das damit zuständige Oberlandesgericht (§ 285i StPO) noch nicht entschieden.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Oberlandesgericht Linz die über Andrzej S***** am 18. November 2007 verhängte (ON 4) und bereits wiederholt, zuletzt mit Beschluss der Vorsitzenden des Schöffengerichts (§ 32 Abs 3 StPO) vom 18. Februar 2010 (ON 282), fortgesetzte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und c StPO neuerlich fort (ON 291).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten entzieht sich zur Gänze einer meritorischen Erledigung.

Auf Einwendungen gegen die Dringlichkeit des Tatverdachts ist im Hinblick auf den mittlerweile rechtskräftigen Schuldspruch nicht einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0108486).

Analoges Heranziehen der Z 1 des § 281 Abs 1 StPO kommt im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht in Betracht (vgl Ratz, Zur Bedeutung von Nichtigkeitsgründen im Grundrechtsbeschwerdeverfahren, ÖJZ 2005, 415 ff [417]; 14 Os 43/09v), womit das darauf bezogene - zudem gar nicht den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichts bildende, sondern ausschließlich frühere Haftfortsetzungsbeschlüsse betreffende - Vorbringen (wonach im ersten Rechtsgang nach der Geschäftsverteilung unzuständige Richter eingeschritten und im zweiten Rechtsgang die Schöffen nicht in der Reihenfolge der Dienstliste herangezogen worden seien) einer inhaltlichen Antwort nicht zugänglich ist.

Soweit die Beschwerde das Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr bestreitet, scheitert sie an der Unterlassung entsprechender Argumentation in der Haftbeschwerde und demgemäß an der Erschöpfung des Instanzenzugs (RIS-Justiz RS0114487). Die vom Angeklagten selbst verfasste, mit 4. März 2010 datierte „Ergänzung des Beschwerdevorbringens“ wurde erst am 8. März 2010, sohin nach Ablauf der Frist des § 176 Abs 5 StPO (im Übrigen sogar nach der Entscheidung durch das Oberlandesgericht) eingebracht (ON 293) und war daher unter dem Aspekt der Ausschöpfung des Instanzenzugs jedenfalls unbeachtlich [13 Os 55/09a; 13 Os 73/09y; 14 Os 145/09v, 146/09s]).

Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof zu den Einwänden des Beschwerdeführers betreffend die nach seinem Standpunkt unzulässige Berücksichtigung seiner in Deutschland erlittenen Vorverurteilungen (hier: bei der Prognoseentscheidung) bereits in Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie in der in dieser Strafsache ergangenen Entscheidung vom 15. Dezember 2009, AZ 14 Os 149/09g, ausführlich Stellung genommen, worauf verwiesen wird.

Die Behauptung einer Verletzung des „rechtlichen Gehörs“ durch unterlassene Auseinandersetzung mit in der Haftverhandlung vorgebrachten Argumenten im Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 18. Februar 2010 geht schon im Ansatz fehl, weil strafgerichtliche Entscheidungen oder Verfügungen gemäß § 1 Abs 1 GRBG nur nach Erschöpfung des Instanzenzugs Gegenstand einer Grundrechtsbeschwerde sein können. In den Geltungsbereich des GRBG fallen demnach nur solche Beschlüsse, gegen die kein Rechtsmittel zulässig ist, oder Rechtsmittelentscheidungen, die ihrerseits keinem weiteren Rechtszug unterliegen, in letzterem Fall aber nur diese und nicht auch die Entscheidungen der Vorinstanzen (RIS-Justiz RS0061078). Mit den diesbezüglichen Erwägungen des Oberlandesgerichts, dessen Fortsetzungsbeschluss die erstinstanzliche Entscheidung nicht bloß zu beurteilen, sondern zu ersetzen hat und solcherart eine neue - reformatorische - Entscheidung darstellt (§ 174 Abs 4 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0116421, RS0120817), setzt sich die Beschwerde aber nicht auseinander und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0106464).

Aus welchem Grund in der gerügten Vorgangsweise des Erstgerichts eine - vom Oberlandesgericht zu Unrecht nicht erkannte - Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen zu erblicken sein sollte, ist nicht nachvollziehbar. Derartiges wurde auch in der Beschwerde gegen die erstgerichtliche Haftentscheidung nicht behauptet, weshalb ein weiteres Mal der Instanzenzug nicht ausgeschöpft wurde.

Entsprechendes gilt für das Beschwerdevorbringen betreffend eine „Fristüberschreitung“ (§ 178 Abs 2 StPO), das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen (§§ 9 Abs 2, 177 Abs 1 StPO) und das Verhältnismäßigkeitsgebot (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO), wurden doch in der Grundrechtsbeschwerde behauptete derartige Gesetzesverletzungen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss, die sich - abgesehen von den bereits behandelten Argumenten - in einem Verweis auf die Ausführungen in der Haftverhandlung (in der entsprechendes Vorbringen ebenfalls nicht erstattet wurde; ON 281) sowie im Enthaftungsantrag vom 8. Februar 2010 (welcher seinerseits bloß pauschal auf früheres Beschwerdevorbringen verweist, ON 274) erschöpfte (ON 286), nicht substantiiert eingewendet (14 Os 70/07m [14 Os 81/07d]; 14 Os 68/08f [14 Os 70/08p]; RIS-Justiz RS0114487).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch zurückzuweisen.

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