Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist die Tochter eines rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilten Verbrechers, der sie 24 Jahre lang gegen ihren Willen in einem Verlies festgehalten, mehrfach vergewaltigt und mit ihr insgesamt sieben Kinder gezeugt hat. Sie hat mittlerweile ihren Namen geändert, tritt im Verfahren aber noch unter ihrem alten Namen auf.
Die Beklagte ist Medieninhaberin eines Printmediums, das ausführlich in Wort und Bild über die Klägerin als Verbrechensopfer berichtet hat. Im Rahmen dieser Berichterstattung wurde mehrfach ein älteres Lichtbild der Klägerin sowie eine Zeichnung mit ihrem möglichen heutigen Aussehen veröffentlicht sowie ihr früherer Name genannt, dies jeweils ohne ihre Zustimmung.
Die Klägerin bekämpft Teile dieser Berichterstattung; die Beklagte habe ihr Recht auf Namensanonymität und auf Wahrung ihrer Geheimsphäre gemäß § 16 ABGB sowie ihr Recht am eigenen Bild gemäß § 78 UrhG verletzt. Die Klägerin sei durch die Nennung ihres Vor- und Nachnamens, durch die Abbildung ihres unverfremdeten Lichtbilds sowie durch die Nennung des vollen Namens identifizierbar und werde als Opfer eines jahrelangen Missbrauchs durch den eigenen Vater und einer über Jahre dauernden Freiheitsentziehung bloßgestellt. Die Veröffentlichungen beträfen ihre Intim- und Sexualsphäre und ihr Privat- und Familienleben, seien weit von einer seriösen (anonymisierten) Kriminalberichterstattung entfernt und dienten lediglich der Befriedigung der Neugier und der Sensationslust der Leser.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass die von ihr veröffentlichten Lichtbilder die Klägerin im Alter von elf, vierzehn und achtzehn Jahren, nicht hingegen ihr aktuelles Aussehen zeigten; die veröffentlichte Zeichnung sei „bewusst verfremdet" worden. Ihre Berichterstattung über den spektakulären Kriminalfall entspreche den Tatsachen und gehe nicht über das zur Darstellung der dem Vater der Klägerin angelasteten Taten erforderliche Ausmaß hinaus. Der Name des Täters sei noch vor Erscheinen der beanstandeten Berichterstattung der Beklagten infolge medialer Verlautbarung eines Ersuchens der Sicherheitsbehörden in der Öffentlichkeit bekannt geworden. In der Folge hätten „alle europäischen Medien" darüber unter Nennung des Namens des Täters berichtet. Auch der Klagevertreter habe die Identität der Klägerin als Opfer ihres Vaters preisgegeben. Die Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Art 10 EMRK) und dem Recht der Klägerin auf Namensanonymität falle zu Gunsten der Berichterstattung aus.
Das Rekursgericht gebot der Beklagten mit einstweiliger Verfügung, es bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage zu unterlassen, den Vornamen und den früheren Nachnamen der Klägerin und/oder Fotos und/oder sonstige Abbildungen der Klägerin und/oder gleichermaßen identifizierende Angaben in Zusammenhang mit näher angeführten wörtlichen und/oder sinngleichen Behauptungen [betreffend intime Details aus dem qualvollen Leben der Klägerin als Verbrechensopfer] zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten. Die Klägerin sei der Öffentlichkeit ausschließlich unter ihrem früheren Namen, nicht aber unter ihrem aktuellen Namen bekannt. Durch Weiterverwendung dieses Namens im vorliegenden Verfahren in Verbindung mit dem eindeutigen Klagsinhalt sei den Bestimmtheitserfordernissen des § 75 ZPO Genüge getan. Sinn und Zweck dieser Bestimmung sei die Individualisierung einer Person, sodass es zu keinen Verwechslungen komme. Dazu genügten jedoch auch Künstlernamen oder Pseudonyme, vor allem dann, wenn eine bestimmte Person nur unter dieser Bezeichnung bekannt und ihr eigentlicher Name völlig unbekannt sei; damit erfülle der Künstlername oder das Pseudonym viel besser die Individualisierungsfunktion, an die § 75 Z 1 ZPO denke. Wer Partei des Verfahrens ist, ergebe sich im Übrigen aus dem gesamten Klagsinhalt. Die beanstandete Bildberichterstattung verletze berechtigte Interessen der Klägerin iSd § 78 UrhG, weil sie anhand der in Rede stehenden Fotos zumindest von Angehörigen und/oder Bekannten identifiziert werden könne und die damit verbundene Wortberichterstattung das Privatleben bzw die Intimsphäre der Klägerin der Öffentlichkeit preisgebe. Die Bildberichterstattung über die Klägerin als Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung greife in deren höchstpersönlichen Lebensbereich ein und führe zu deren Bloßstellung, weil das mutmaßlich Geschehene nicht neutral und sachlich, sondern in detailliertester, offenkundig auf die bloße Befriedigung der Neugier und Sensationslust der Leserschaft ausgerichteter Weise dargestellt werde. Die Veröffentlichung von Personenbildnissen sei in diesem Zusammenhang nicht durch ein Informationsinteresse der Allgemeinheit gedeckt. Die Wortberichterstattung der Beklagten verletze darüber hinaus das Recht der Klägerin auf Namensanonymität. Abzuwägen sei das in der Namensanonymität konkretisierte Persönlichkeitsrecht der Klägerin und ihres Schutzes der Privatsphäre einerseits und das Informationsinteresse der Allgemeinheit und der Schutz der Meinungsfreiheit sowie der öffentlichen Aufgaben der Medien andererseits. Die seit Bekanntwerden des sie betreffenden Kriminalfalls von der Öffentlichkeit abgeschirmte Klägerin habe zur Nennung ihres Namens in Zusammenhang mit den beanstandeten Veröffentlichungen keinen sachlichen Anlass geboten. Die Klägerin sei unverschuldet und ohne ihr Zutun als Opfer von Straftaten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, sie müsse - selbst unter Berücksichtigung des besonderen Stellenwerts, der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit zukomme - die Einschränkung ihres Persönlichkeitsrechts durch unnotwendige und wiederholte Nennung ihres früheren Namens im Zusammenhang mit intimen Details aus ihrem qualvollen Leben als Verbrechensopfer nicht hinnehmen. Ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund, den Namen eines Verbrechensopfers, der von Behördenvertretern öffentlich genannt worden sei, in Medienberichten ständig von neuem nennen zu dürfen, bestehe nicht. Auch die Nennung des früheren Namens der Klägerin greife im gegebenen Zusammenhang in den höchstpersönlichen Lebensbereich der Klägerin ein, sei sachlich nicht gerechtfertigt und verletze deren schutzwürdige persönlichkeitsrechtliche Interessen.
Rechtliche Beurteilung
1. Mit dieser Entscheidung hat das Rekursgericht bei seiner sorgfältig und ausführlich begründeten Interessenabwägung die Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Bildnisschutz (hier sind die Interessen der Abgebildeten daran, durch die Verbreitung ihres Bildnisses nicht bloßgestellt oder entwürdigend oder herabsetzend dargestellt zu werden - RIS-Justiz RS0078186 - gegenüber dem Veröffentlichungsinteresse des Bildverbreiters abzuwiegen, vgl RIS-Justiz RS0078088, RS0077767) und zum Recht auf Namensanonymität (eine Namensnennung verstößt dann gegen das aus § 16 ABGB abgeleitete Persönlichkeitsrecht, wenn sie schutzwürdige Interessen des Genannten beeinträchtigt, wobei es auf den Inhalt der mit der Namensnennung verbundenen Aussage ankommt, vgl 4 Ob 14/03t mwN; RIS-Justiz RS0009319; zuletzt 17 Ob 2/09g) in vertretbarer Weise auf den Einzelfall angewendet.
2. Dass der frühere Name der Klägerin schon zuvor öffentlich genannt worden ist, rechtfertigt es noch nicht, ihn auch im Printmedium der Beklagten immer wieder im Zusammenhang mit drastischen Schilderungen intimer Details ihres Schicksals zu nennen (vgl 4 Ob 82/09a), ließe sich doch andernfalls jeder Geheimnisschutz durch einmalige Veröffentlichung unterlaufen. Auch bestehen berechtigte Interessen der Klägerin am Schutz ihrer Namensanonymität so lange fort, als die Gefahr droht, dass ihr Persönlichkeitsrecht durch weitere Namensnennungen im beanstandeten Zusammenhang gegenüber einem neuen Personenkreis neuerlich verletzt werden kann. Dass dem überwiegenden Leserkreis des Mediums der Beklagten der frühere Name der Klägerin vor den rechtsverletzenden Veröffentlichungen bekannt gewesen sei, steht nicht fest.
3. Das Rekursgericht untersagte die Namensnennung in Zusammenhang mit bestimmten Behauptungen aus dem intimsten Lebensbereich der Klägerin. Dass die Klägerin - durch die äußeren Umstände gezwungen - nunmehr einen anderen Namen angenommen hat, ändert nichts daran, dass die Nennung ihres vormaligen Namens in Zusammenhang mit einer Schilderung des an ihr begangenen Verbrechens auch weiterhin in ihr Persönlichkeitsrecht eingreift.
4.1. Die Vorschrift des § 75 ZPO dient der einwandfreien Identifizierung der Parteien. Eine einzelne Person soll so genau individualisiert werden, dass es zu keinen Verwechslungen kommt. Das Fehlen oder die Unrichtigkeit von Angaben schadet nicht, soweit nach den im Schriftsatz vorhandenen Informationen eine einzige Person klar und unzweifelhaft festgelegt ist (RIS-Justiz RS0036471).
4.2. Das Rekursgericht ist davon ausgegangen, dass bei objektiver Auslegung nach dem gesamten Inhalt der Klageschrift die Person der Klägerin für das Verfahren ausreichend individualisiert und verwechslungsfest erkennbar ist, mag sie mittlerweile - wofür gute Gründe bestehen - auch ihren Namen geändert haben und ihren Beruf sowie ihre Wohnanschrift gegenüber der Verfahrensgegnerin verschweigen.
4.3. Soweit die Rechtsmittelwerberin in dieser „einseitigen Anonymität" eine Verletzung der „Waffengleichheit" (Art 6 EMRK) erblickt, macht sie in Wahrheit einen Verfahrensmangel (bzw eine Nichtigkeit) erster Instanz geltend, den das Rekursgericht behandelt und verneint hat. Das ist in dritter Instanz nicht mehr anfechtbar (E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 528 Rz 8 je mwN; ders in Angst, EO § 402 Rz 18; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 Rz 44; RIS-Justiz RS0042963).
4.4. Davon abgesehen übersieht die Beklagte, dass eine Exekutionsführung der Klägerin erst nach gerichtlicher Bewilligung möglich ist, wodurch sichergestellt ist, dass keine unberechtigte Person vom Exekutionstitel Gebrauch machen kann. Soweit die Beklagte Probleme bei der Vollstreckbarkeit einer zu ihren Gunsten gefällten Kostenentscheidung befürchtet, ist sie darauf zu verweisen, dass sie in diesem Fall ein rechtliches Interesses besitzt, bei der zuständigen Verwaltungsbehörde den aktuellen Namen der Klägerin in Erfahrung zu bringen.
5. Ob dem Störer der Beweis des Wegfalls der Wiederholungsgefahr gelungen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung auf (RIS-Justiz RS0042818).
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