OGH 5Ob122/09s

OGH5Ob122/09s7.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Mj Anna-Lena M*****, geboren am 21. Jänner 1993, und des Mj Valentin-Clemens M*****, geboren am 6. August 1994, beide vertreten durch die Mutter Regina M*****, alle *****, die Mutter vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterhalts infolge „außerordentlichen Revisionsrekurses" des Vaters Wolfgang M*****, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 27. April 2009, GZ 52 R 96/08m-U20, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Schwaz vom 31. Juli 2008, GZ 1 P 192/07k-U17, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Antrags des Vaters auf Bestellung eines Kollisionskurators für die Antragsteller richtet, wird er mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

II. Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Unterhaltsfestsetzung richtet, werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies I. den Antrag des Vaters, den Jugendwohlfahrtsträger als Kollisionskurator für die beiden Minderjährigen zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu bestellen, ab und verpflichtete ihn II. mit dem antragstattgebenden Teil seines Beschlusses ab 1. Mai 2007 zu folgenden monatlichen Unterhaltsbeiträgen: für seine Tochter bis 31. Jänner 2008 380 EUR und ab 1. Februar 2008 400 EUR sowie für seinen Sohn 380 EUR; die Abweisung des Mehrbegehrens erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters gegen die Abweisung seines Kuratorbestellungsantrags und gegen den antragstattgebenden Teil des Unterhaltsbeschlusses nicht Folge und erklärte - ohne Bewertungsausspruch - den (ordentlichen) Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Dagegen richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs" des Vaters mit dem Begehren, die Anträge auf Leistung von Geldunterhalt abzuweisen, in eventu die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, einen Kollisionskurator zu bestellen, in eventu die angefochtene Entscheidung in eventu auch die des Gerichts erster Instanz aufzuheben und einem der Gerichte die Ergänzung des Verfahrens aufzutragen.

Den „außerordentlichen Revisionsrekurs" des Vaters legte das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vor.

Rechtliche Beurteilung

I. Die Frage der Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators für die Antragsteller betrifft die Obsorgeregelung, die nicht vermögensrechtlicher Natur ist (RIS-Justiz RS0007215, RS0007110; 6 Ob 289/03y). Daher bedurfte es keines Bewertungsausspruchs des Rekursgerichts nach § 59 Abs 2 AußStrG; dem Vater steht die Erhebung eines außerordentlichen Revisionsrekurses grundsätzlich offen (§ 62 Abs 4 AußstrG). Nach Maßgabe des § 62 Abs 1 AußstrG ist jedoch der gegen die Abweisung der Kollisionskuratorbestellung gerichtete Revisionsrekurs nicht zulässig.

I.1. Der Vater erblickt eine erhebliche Rechtsfrage ua in der Missachtung der höchstgerichtlichen Judikatur durch die Vorinstanzen, wonach bei gemeinsamem Haushalt der Eltern und gemeinsamer Pflege der Kinder kein Elternteil seine Kinder im Unterhaltsbemessungsverfahren gegen den anderen Elternteil vertreten kann, sondern es der Übertragung der mit der vollen Betreuung der Kinder zusammenhängenden Rechte und Pflichten an einen Elternteil gemäß § 176 Abs 1 ABGB bedarf (RIS-Justiz RS0047422). Allerdings steht zur Lebensgestaltung der in Scheidung lebenden Eltern fest, dass der Haushalt, in dem die Antragsteller betreut werden, von der Mutter geführt wird und sich der Vater nur selten - meistens nur während der Nacht - in der Ehewohnung aufhält. Auch unter Außerachtlassung der weiteren Angaben des Vaters, er halte sich auch an den Wochenenden (wenn auch aufgrund des Verhaltens der Mutter nur sehr selten) in der Ehewohnung auf und er unternehme mit den Kindern etwa einmal monatlich gemeinsame Aktivitäten, kann in der erkennbaren Rechtsansicht der Vorinstanzen, unter diesen Umständen fehle es an einer gemeinsamen Haushaltsführung und Pflege der Kinder auch durch den Vater, bei der gebotenen Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erblickt werden. Soweit der Vater im Revisionsrekurs unterstellt, er sei an der Betreuung der Kinder durch „Koordinationsaufgaben der familiären Zusammenarbeit", die Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben, logistische Aufgaben wie das Führen der Kinder von und zur Schule sowie Organisation ihrer außerschulischen Weiterbildung und Freizeitgestaltung beteiligt, handelt es sich um im Revisionsrekursverfahren unzulässige Neuerungen (§ 66 Abs 2 AußStrG), die zum Teil auch mit dem festgestellten Sachverhalt in Widerspruch stehen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt und auch jüngst ausgesprochen (worauf die Vorinstanzen Bezug genommen haben), dass der Antrag des nicht allein obsorgeberechtigten, das Kind in seinem Haushalt betreuenden Elternteils, eine durch den anderen Elternteil zu erbringende Geldunterhaltsleistung für das Kind festzusetzen, das Begehren auf Bestellung zum besonderen Sachwalter umfasst, und dass einem solchen Antrag durch eine in der Sache gefällte Unterhaltsentscheidung konkludent stattgegeben werden kann (RIS-Justiz RS0034795 [T3 und T4]; vgl ferner 1 Ob 253/08z; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 434/3, der auf den hauptsächlichen Aufenthalt abstellt), sodass auch dazu keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist.

I.2. Nach § 271 Abs 2 ABGB idF KindRÄG 2001 bedarf es der Bestellung eines Kurators nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen des minderjährigen Kindes nicht zu besorgen ist und dessen Interessen vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden können; dies gilt im Allgemeinen ua in Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des Kindes nach §§ 140 und 148 ABGB, auch wenn es durch den betreuenden Elternteil vertreten wird (so schon die Rechtsprechung zur alten Rechtslage: RIS-Justiz RS0049427). Damit vermutet das Gesetz für die Verfahren zur Durchsetzung des Unterhalts nach § 140 ABGB eine ausreichende Interessenwahrnehmung durch das Gericht (Hopf in KBB² §§ 271, 272 ABGB Rz 3). Worin dennoch eine Gefährdung der Interessen der Antragsteller bei Vertretung im vorliegenden Unterhaltsverfahren durch die Mutter liegen soll, vermag der Vater in seinem Rechtsmittel nicht aufzuzeigen, der auch in diesem Zusammenhang - entgegen der vertretbaren Rechtsansicht der Vorinstanzen - von einem gemeinsamen Haushalt ausgeht.

I.3. Der vom Vater angesprochene § 154 Abs 3 ABGB ist im konkreten Zusammenhang nicht anwendbar. Die §§ 154, 154a ABGB regeln nämlich nur das Recht zur Vertretung der Kinder durch ihre Eltern nach außen, also Behörden und dritten Personen gegenüber, nicht aber im Innenverhältnis zwischen den Eltern (RIS-Justiz RS0048120). Ein Elternteil kann daher die Vertretung der Kinder in Unterhaltsbelangen gegenüber dem anderen Elternteil nur aufgrund des § 154a ABGB durch Setzung der ersten Verfahrenshandlung nicht in Anspruch nehmen (RIS-Justiz RS0047422 [T2]).

I.4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG). II. Eine sofortige Behandlung des „außerordentlichen Revisionsrekurses" betreffend die Unterhaltsfestsetzung durch den Obersten Gerichtshof entspricht nicht dem Gesetz.

II.1. Bei Ansprüchen auf den gesetzlichen Unterhalt ist nach § 58 Abs 1 JN das Dreifache der Jahresleistung als Wert des strittigen Rechts anzunehmen. Eines Bewertungsausspruchs des Rechtsmittelgerichts bedarf es daher nicht (RIS-Justiz RS0042366). Eine Zusammenrechnung des auf jedes Kind entfallenden Entscheidungsgegenstands findet nicht statt (RIS-Justiz RS0017257, RS0112656).

Die im Rekursverfahren strittigen Monatsbeträge von 400 EUR und 380 EUR ergeben Dreijahresbeträge von 14.400 EUR und 13.680 EUR. Der Wert des Entscheidungsgegenstands zu den Unterhaltsbegehren, über die das Rekursgericht entschieden hat, liegt somit jeweils unter 20.000 EUR. II.2. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn - wie hier - der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung). Vor einer nachträglichen Zulassung eines derartigen Revisionsrekurses durch die zweite Instanz ist der Oberste Gerichtshof funktionell unzuständig (RIS-Justiz RS0109516 [T3, T4]; 5 Ob 40/09g).

Die Akten sind demnach dem Erstgericht zurückzustellen, welches das Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen haben wird (§ 69 Abs 3 AußStrG).

Ob das Rechtsmittel den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob es insoweit einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS-Justiz RS0109516 [T10], RS0109505 [T16, T27 und T34]).

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