Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Rechtsmittelwerberin hat die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Über den Kläger wurde zu ***** des Bezirksgerichts Hall in Tirol mit Beschluss vom ***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, ihm blieb die Eigenverwaltung überlassen. Die beklagte Partei meldete in diesem Verfahren eine aus einem vollstreckbaren Notariatsakt resultierende Forderung von 81.562,92 EUR an, die jedoch vom Kläger bestritten wurde. Dem Kläger wurde vom Konkursgericht gemäß § 110 Abs 2 KO eine Frist von 6 Wochen zur Geltendmachung der bestrittenen Forderung mit Klage eingeräumt.
Mit der nun vorliegenden Klage gemäß § 110 Abs 2 KO begehrt der Kläger folgendes Urteil:
„1. Der zwischen den Streitteilen am 21. 2. 2007 abgeschlossene vollstreckbare Notariatsakt ist rechtsunwirksam.
2. Die im Insolvenzverfahren ***** des Bezirksgerichts Hall in Tirol zu PZ 17 angemeldete Forderung der beklagten Partei in Höhe von 81.562,92 EUR besteht nicht zu Recht.
3. Die Gegenforderung der klagenden Partei besteht zu Recht."
Das Erstgericht sprach über die von der beklagten Partei erhobene Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit seine sachliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Nach § 110 Abs 2 KO habe der Kläger ein negatives Feststellungsbegehren zu formulieren, das Klagebegehren auf Unwirksamerklärung eines Notariatsakts sei jedoch ein Rechtsgestaltungsbegehren. Darüber hinaus handle es sich um eine Streitigkeit aus einem Vertrag, für die die Streitteile in einer Gerichtsstandsvereinbarung im Notariatsakt die Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck vereinbart hätten. Die in den Punkten 2. und 3. des Klagebegehrens erhobenen Begehren stünden im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis der Streitteile, sodass für diese Streitigkeiten gemäß den §§ 50 ASGG, 111 Abs 1 KO ebenfalls nicht das angerufene Gericht, sondern „das ASG" zuständig sei. Das Rekursgericht hob den Beschluss im Umfang der Zurückweisung der Klage auf und änderte ihn im Übrigen dahin ab, dass es die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichts verwarf. Rechtlich führte es zusammengefasst aus, dass das Erstgericht als Konkursgericht für die bei ihm eingebrachte Prüfungsklage zuständig sei. Mag der Kläger ein Rechtsgestaltungsbegehren formuliert haben, so ändere dies nichts an der Zuständigkeit des Gerichts, sondern könne allenfalls eine abweisende Entscheidung zur Folge haben. Anhaltspunkte für die Annahme des Erstgerichts, zwischen den Streitteilen habe jemals ein Arbeitsverhältnis bestanden, lägen nicht vor, sodass das vom Erstgericht angenommene Prozesshindernis der sachlichen Unzuständigkeit nicht vorliege. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der von der beklagten Partei dagegen erhobene und auf die Rechtsmittelgründe der Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Gemäß § 45 JN idF der ZVN 1983, BGBl 1983/135, sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht anfechtbar; solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat.
Durch die ZVN 1983 sollte die Anfechtung von Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit weiter eingeengt und klar ausgedrückt werden, dass die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts nie angefochten werden kann, gleichviel, ob die die sachliche Zuständigkeit bejahende Entscheidung von einem Gericht erster oder zweiter Instanz gefällt wurde (RIS-Justiz RS0046318; 1 Ob 52/95 mH auf die Materialien; SpR 265; Ballon in Fasching/Konecny² I § 45 JN Rz 2, 3). Der Gesetzgeber ging dabei von der Erwägung aus, dass die Frage, welche Art von Gericht zu entscheiden hat, für eine Partei meist von geringerer Bedeutung ist. Er hat also das Interesse der Partei daran, welches von mehreren staatlichen Gerichten zu entscheiden hat, gering eingeschätzt (ErläutRV 669 BlgNR 15. GP, 32; jüngst 8 Ob 128/08v mwH). Dabei wurde auch ausgesprochen, dass es für die Anwendung des § 45 JN keinen Unterschied macht, mit welcher Begründung sie erfolgt (RIS-Justiz RS0103687). Ein Rechtsmittel ist selbst dann ausgeschlossen, wenn eine Nichtigkeit oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (3 Ob 266/02t mwN). Ferner wird die Anwendbarkeit des Rechtsmittelausschlusses nun auch für das Verhältnis ordentliches Gericht - Arbeitsgericht (RIS-Justiz RS0046314) und für Entscheidungen im Konkursverfahren (8 Ob 20/02b = EvBl 2003/39; RIS-Justiz RS0117032) bejaht. Der Sinn der Anfechtungsbeschränkung liegt insbesondere auch darin, den Verlust bereits geschehenen Prozessaufwands zu vermeiden (SZ 51/101). Das Erstgericht wurde jedoch im Rahmen seiner individuellen Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 KO angerufen (G. Kodek in:
Bartsch/Pollak/Buchegger4, Österreichisches Insolvenzrecht IV § 111 Rz 2). Eine - allerdings vor der ZVN 1983 begründete - Rechtsprechungslinie entschied, dass der Anfechtungsausschluss gemäß § 45 Abs 1 JN (idF vor der ZVN 1983) nicht Fälle der individuellen Zuständigkeit betreffe, weil die individuelle Zuständigkeit immer auch Elemente der örtlichen Zuständigkeit in sich schließe (RIS-Justiz RS0000140). Der Oberste Gerichtshof wies jedoch schon in der diese Rechtsprechungslinie begründenden Entscheidung vom 26. 11. 1980, 3 Ob 122/80 (= SZ 53/159) auf ältere widersprechende Entscheidungen hin (SZ 12/245; SZ 18/231), die - in beiden Fällen - aussprachen, dass § 51 EO die Anwendbarkeit des Rechtsmittelausschlusses des § 45 Abs 1 JN (aF) nicht hindere. In 5 Ob 302/87 (RIS-Justiz RS0046287; RS0046328) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass der Beschluss, mit welchem das Rekursgericht die Zuständigkeit des Erstgerichts nach § 111 Abs 1 KO bejaht hat, nicht anfechtbar ist, auch wenn sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofs als Konkursgericht erst aus der individuellen Zuständigkeit ergibt. Dagegen wandte sich Fasching, Lehrbuch² Rz 231 und, teilweise, Fink (Anm zu 5 Ob 302/87 in JBl 1987, 792). Fink fordert zu differenzieren: Sei im Einzelfall mit der Bejahung der individuellen Zuständigkeit auch eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit verbunden, so liege ein Fall des § 45 Fall 1 JN nicht vor (dem folgend 2 Ob 123/07p in RIS-Justiz RS0046448; und - wenn auch vor dem Hintergrund des 2. Falls des § 45 JN - 5 Ob 292/02f). Ergebe sich jedoch aus der Bejahung der individuellen Zuständigkeit lediglich eine Zuständigkeitsverschiebung in sachlicher Hinsicht, so sei § 45 Fall 1 JN anzuwenden.
Der hier zu beurteilende Fall ist einerseits mit dem in SZ 12/245 (4 Ob 421/30) entschiedenen, andererseits auch mit dem zu 5 Ob 302/87 entschiedenen Sachverhalt (vgl auch 1 Ob 1012/53 = EvBl 1954/99) durchaus zu vergleichen:
In der Entscheidung SZ 12/245 erklärte sich das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz für unzuständig, weil die Klage gemäß den §§ 232, 51 EO vor dem ausschließlich zuständigen Exekutionsgericht (damals: Bezirksgericht Voitsberg) zu verhandeln sei. Das Oberlandesgericht Graz änderte als Rekursgericht diese Entscheidung ab und bejahte die Zuständigkeit des Landesgerichts. Den dagegen erhobenen Revisionsrekurs wies der Oberste Gerichtshof gemäß § 45 Abs 1 JN (aF) zurück. Entscheidungen eines Gerichtshofs erster Instanz über seine Zuständigkeit könnten auch dann nicht angefochten werden, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichtshofs oder eines Bezirksgerichts begründet sei (ähnlich auch SZ 18/231; aA zu § 51 EO:
OGH 4 Ob 122/35 = ZBl 1935/251 [krit Petschek]; vgl Angst/Jakusch/Mohr, EO14 § 51 E 5, 6).
In 5 Ob 302/87 brachte der Kläger die Klage zuerst gegen seinen Schuldner am Bezirksgericht ein. Nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Schuldners brachte der Kläger eine Klage gemäß § 110 Abs 1 KO gegen den Masseverwalter beim Konkursgericht ein. Dieses erklärte sich als sachlich unzuständig und wies die Klage zurück. Das Rekursgericht hingegen änderte diesen Beschluss ab und wies unter anderem die Einrede der Unzuständigkeit ab. Fink (aaO) stimmte der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Rechtsmittelausschluss des § 45 Fall 1 JN greife, zu, weil im konkreten Fall die Zuständigkeit des Konkursgerichts oder eines in seinem Sprengel gelegenen Bezirksgerichts in Frage komme. Er führt wörtlich aus (aaO 794): „Die Zuständigkeitsentscheidung enthält hier keine Elemente der örtlichen Zuständigkeit (auch wenn sich als Folge der Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit der Verhandlungsort ändern sollte)."
Dass § 51 EO einen ausschließlichen, einer Zuständigkeitsvereinbarung nicht zugänglichen Gerichtsstand (Zwangsgerichtsstand) begründet, während bei Prüfungsprozessen, in denen § 172 Abs 2 KO nicht anzuwenden ist, Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit nicht ausgeschlossen sind (dazu G. Kodek aaO § 111 Rz 2), kann für die hier zu beurteilende Rechtsfrage dahingestellt bleiben, weil in beiden Fällen vor allem die Intention der ZVN 1983, Zuständigkeitsstreitigkeiten zurückzudrängen, im Vordergrund stehen muss.
Da Beurteilungsgegenstand der angefochtenen Entscheidung nach ihrem eigentlichen Inhalt keine Auseinandersetzung mit Fragen der örtlichen Zuständigkeit ist, ist der hiegegen erhobene Revisionsrekurs gemäß § 45 Fall 1 JN unzulässig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO, weil es sich bei der Entscheidung über eine Prozesseinrede um einen selbständigen Zwischenstreit handelt (Bydlinski in: Fasching/Konecny² II/1 § 52 Rz 3).
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