Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Minderheitseigentümerin der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch*****, auf welcher Liegenschaft sich das Haus ***** befindet. Sie begehrt mit ihrem beim Bezirksgericht für ZRS Graz eingebrachten und gegen alle übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft gerichteten Antrag die Aufhebung des Beschlusses der Mit- und Wohnungseigentümer vom 2. 10. 2001 über die Errichtung eines Handy-Sendemastes am Dach des Hauses.
Eine der Antragsgegnerinnen ist die Richterin des Bezirksgerichtes für ZRS Graz Dr. Andrea O*****.
Nach Zustellung des Antrags an die Antragsgegner und deren Äußerung hiezu fasste das Erstgericht einen Beschluss, wonach es für die Behandlung der Rechtssache nicht zuständig sei und überwies diese gemäß § 44 JN an das Landesgericht für ZRS Graz. Gemäß § 79 Abs 1 JN gehörten Klagen gegen Personen, die bei dem nach den Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit zur Verhandlung und Entscheidung berufenen Bezirksgericht als Einzelrichter in Verwendung stünden, vor das Landesgericht, in dessen Sprengel sich das Bezirksgericht befinde. Ob diese Bestimmung auch für das außerstreitige Verfahren anwendbar sei, sei umstritten. Tatsächlich sei aber nicht erkennbar, worin der wesentliche, eine Ungleichbehandlung der beiden Verfahrensarten rechtfertigende Unterschied zwischen einer Entscheidung einer Sache durch den Streit- oder den Außerstreitrichter liege. Es sei daher § 79 Abs 1 JN auch für im außerstreitigen Verfahren zu erledigenden Anträge anzuwenden. Im Weiteren begründete das Erstgericht seine Entscheidung noch mit einer ungünstigen Optik und verfahrensökonomischen Gründen. Einen dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz zurück.
Gemäß § 45 JN sei nach Eintritt der Streitanhängigkeit - diese sei bereits durch die Zustellung des Sachantrags begründet worden (vgl MietSlg 47.464, 44.544) - die getroffene Entscheidung, mit der ein Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausgesprochen habe, nur dann anfechtbar, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde habe. Diese Anfechtungsbeschränkung gelte auch für den Fall der individuellen Zuständigkeit nach § 79 JN, die sowohl örtliche wie sachliche Zuständigkeitselemente enthalte.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO iVm § 52 Abs 2 WEG 2002 (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG) zulässig sei, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht ausreichend geklärt sei, dass die Beschränkung des § 45 JN auch für Fälle der individuellen Zuständigkeit gelte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, der aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig ist. Er ist jedoch nicht berechtigt.
Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass der Beschluss des Erstgerichtes zufolge § 45 zweiter Halbsatz JN unanfechtbar war. Eine nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidung, mit der ein Gericht seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht ist nur dann anfechtbar, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Das ist in Anbetracht des Umstandes, dass sowohl das angerufene Bezirksgericht als auch das Landesgericht, an das die Außerstreitsache überwiesen wurde, ihren Sitz in derselben Gemeinde haben, der Fall.
Der Gesetzgeber der ZVN 1983 ist bei der Neuregelung des § 45 JN vor allem von der Überlegung ausgegangen, Zuständigkeitsstreitigkeiten über sachliche Zuständigkeit sollten so weit wie möglich verhindert und Anfechtungsmöglichkeiten eingeschränkt werden (vgl Ballon in Fasching, Zivilprozessgesetze² Rz 1 und 2 zu § 45 JN). Dem trägt ein Teil der Lehre und Rechtsprechung nicht ausreichend Rechnung, wenn ganz allgemein eine Unanwendbarkeit des § 45 JN für Fälle individueller Zuständigkeit bejaht wird (SZ 53/159; zuletzt 9 Ob 17/02v; Fasching1 I 283; ders LB² Rz 231). Das dort gebrauchte Argument, die individuelle Zuständigkeit schließe immer auch Elemente der örtlichen Zuständigkeit in sich, vermag für diese Lösung nicht zu überzeugen, insbesondere nicht im zweiten Fall des § 45 JN, wo die Anfechtbarkeit ausdrücklich darauf eingeschränkt wird, dass ein Gericht mit einem Sitz in einer anderen Gemeinde zuständig wäre. Ein Teil der Lehre und Rechtsprechung differenziert deshalb richtig bei Entscheidungen über die individuelle Zuständigkeit folgendermaßen: Bewirkt die Bejahung der individuellen Zuständigkeit auch eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit, so ist der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN nicht anwendbar. Führt sie hingegen lediglich zu einer Zuständigkeitsverschiebung in sachlicher Hinsicht, so gilt die Anfechtungsbeschränkung (SZ 51/101 = RZ 1978/139; Mayr in Rechberger² Rz 4 zu § 45 JN; Fink, Anmerkung zu JBl 1987, 792 [794]; Ballon in Fasching² Rz 6 zu § 45 JN). Der erkennende Senat schließt sich, jedenfalls für den Fall, dass das in der individuellen Zuständigkeit auch enthaltene Element der örtlichen Zuständigkeit nicht greift und nur noch eine nach dem Willen des Gesetzgebers nicht anfechtbare Verschiebung der sachlichen Zuständigkeit stattfindet, also im 2. Fall des § 45 JN, diesen Argumenten an.
Zutreffend hat daher das Rekursgericht das Rechtsmittel der Antragstellerin zurückgewiesen.
Den Argumenten der Revisionsrekurswerberin, ein die Zuständigkeit des Landesgerichtes Graz ablehnender Beschluss dieses Gerichtes vom 7. 3. 2002, GZ 21 Nc 10002/02v-15, entfalte nach § 46 JN bindende Wirkung ist noch folgendes entgegenzuhalten:
Durch die ZVN 1983 wurde in § 44 Abs 2 JN angeordnet, dass die Parteien von dem Überweisungsbeschluss durch das Gericht zu verständigen sind, an das die Sache überwiesen worden ist. Der Überweisungsbeschluss ist daher bei seinem Einlangen beim Adressatgericht regelmäßig noch nicht rechtskräftig. Dennoch bindet er nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung jenes Gericht, an welches die Sache überwiesen wurde, auch im Fall der Verneinung der örtlichen Zuständigkeit durch das überweisende Gericht. Dieser Bindungswirkung kann das Gericht, an das die Sache überwiesen wurde, auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor dem Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst und so die Grundlage für einen vom Gesetzgeber nicht gewünschten negativen Kompetenzkonflikt geschaffen würde. An dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof (EFSlg 66.858; SZ 68/217; EFSlg 85.154) trotz gegenteiliger Ansicht der Lehre (Streller RZ 1985, 102; Fucik RZ 1985, 240 FN 91a; Mayr in Rechberger² Rz 4 zu § 44 JN; zuletzt Ballon in Fasching² Rz 12 zu § 44 JN) festgehalten und sieht sich auch der erkennende Senat nicht veranlasst hievon abzugehen. Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin besteht also eine Bindungswirkung an den Beschluss des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 1. März 2002, GZ 42 Msch 10001/02f-14, worauf bei der Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts Bedacht zu nehmen wäre (EFSlg 66.858; 85.154).
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin war daher der Erfolg zu versagen.
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