Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Klägerin war von der Erstnebenintervenientin - einer Landeshauptstadt - die Berechtigung eingeräumt worden, im Rahmen des U***** Jahrmarkts einen Vergnügungsbetrieb zu betreiben. Die Erstnebenintervenientin war für die dazu „notwendige Stromversorgung zuständig". Sie beauftragte „damit" die Zweitnebenintervenientin, die ein Elektrounternehmen betreibt. Für die Absicherung der Zuleitungen zu den „Jahrmarktbetreibern" war der Einbau von Leistungsschaltern mit angebauter FI-Überwachungseinheit in den Schaltverteiler der Erstnebenintervenientin erforderlich, deren Kosten die Klägerin übernahm. Die Zweitnebenintervenientin bestellte bei der S***** GmbH solche „komplette Leistungsschalter" des Fabrikats „M***** G*****", die von der Beklagten hergestellt werden und an das Elektrounternehmen geliefert worden waren. Die S***** GmbH lieferte die noch original verpackten Schalter an die Zweitnebenintervenientin aus, die einen dieser Schalter ordnungsgemäß in den Schaltverteiler einbaute.
Zum Zeitpunkt der Lieferung an die S***** GmbH war eine der vier in dem Leistungsschalter befindlichen M6-Schrauben beim Zusammenbau in der Werkstätte der Beklagten nicht fabrikatsgemäß angezogen worden. Die Schrauben sind durch eine Abdeckplatte verborgen, sodass „selbst eine augenfällige Lockerheit bei der Montage des Teils nicht zu sehen wäre".
Durch das mangelhafte Anziehen der Schraube bestand eine schlechte Auflageverbindung. Es kam dadurch unter großer Last zu einer Unterbrechung des Nullleiters. Das hatte Spannungserhöhungen, die Zerstörung des FI-Überwachungsteils und den Stromausfall am 28. 9. 2002 zur Folge. Diese Überspannung führte zu den Schäden an der Elektrik der Musikanlage und Beleuchtung der Klägerin, die ein Unternehmen mit der Schadensbehebung beauftragte.
Die Schalteinheit „im Wert von ca 550 EUR netto" besteht aus zwei vorgefertigten Stücken, die im Werk der Beklagten dadurch, dass der Schalterblock mit dem Auslöseblock mit vier M6-Schrauben verbunden wird, fertiggestellt wird. Die Schrauben müssen dabei eine genau vorgegebene Einstellung erreichen. Zur Montage und Prüfung derartiger „kleinen" Einheiten, deren Stückpreis sich ab 300 EUR bewegt, wird nur ein Mann eingesetzt, der die Schrauben im ersten Arbeitsgang mit einem Schraubenzieher anschraubt und in einem zweiten Arbeitsgang mit einem Drehmomentschlüssel auf den vorgegebenen Wert festzieht. Anschließend legt er die Spannung ohne Last an. Er dokumentiert die Prüfung durch einen „Kleber". Mit dieser Spannungsmessung kann allerdings der im Anlassfall gegebene Fehler, dass eine der Schrauben nur unzureichend mit dem Schraubenzieher, nicht aber mit dem Drehmomentschlüssel auf den vorgegebenen Wert festgezogen wurde, nicht festgestellt werden. Würde bei der Montage ein zweiter Mann eingesetzt werden, der mit dem Drehmomentschlüssel noch einmal überprüft, ob alle Schrauben korrekt angezogen sind, könnte mit größerer Sicherheit vermieden werden, dass ein fehlerhafter Schalter das Werk verlässt. Bei „größeren Teilen mit über 630 Ampere" besteht bei der Beklagten ein strengeres System, „da die Werte, allerdings nicht die Drehmomente der einzelnen Schrauben, in ein Prüfprotokoll eingetragen sind". Die Überprüfungsschritte bei der Beklagten werden nach konzerninternen Vorgaben gesetzt, die den Mitarbeitern schriftlich vorliegen, wobei die Einhaltung bei den einzelnen Unternehmen ein- bis zweimal im Jahr auditiert wird. Der Konzern, dem die Beklagte angehört, hat 90.000 Mitarbeiter und ist bei Schalteinheiten Weltmarktführer. Das bei den kleineren Einheiten verwendete System hat bisher bei der Beklagten keine Fehleranfälligkeit ergeben. Dass derartige Schadensursachen auftreten, kommt in der Branche nur selten vor. Bei der Beklagten gab es in den letzten fünf Jahren keinen Fall, in dem ein Schalter mit unzureichend angezogener Schraube ausgeliefert worden wäre. Einige tausend Stück solcher Schalteinheiten verlassen jährlich das Werk der Beklagten. Sie setzt für den Zusammenbau dieser Schalter zwei Beschäftigte ein.
Die Beklagte schließt Geschäfte mit Abnehmern unter ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ab, die auf allen ihren Auftragsbestätigungen, Lieferscheinen und dergleichen abgedruckt sind. Der S***** GmbH, die schon in einer länger bestehenden Geschäftsverbindung mit der Beklagten stand, waren diese bekannt. Sie hat ihnen nie widersprochen. Die im Anlassfall erfolgte telefonische Bestellung wurde schriftlich bestätigt. Die Vorderseite der Auftragsbestätigung verweist auf die Geltung der umseits abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Haftung für leichte Fahrlässigkeit und den Ersatz von Folge- und Vermögensschäden ausschließen.
Das Erstgericht wies das auf Ersatz des Verdienstausfalls (3.000 EUR) und der Reparaturkosten (24.116,50 EUR) gerichtete Klagebegehren ab. Es ergänzte den eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt in der rechtlichen Beurteilung um die Feststellung, dass die Klägerin für ihren Vergnügungsbetrieb auf dem Jahrmarkt den elektrischen Strom von der Erstnebenintervenientin bezog, die für die Marktteilnehmer mehrere Schaltverteiler zur Verfügung stellte. Rechtlich führte es aus, dass die Klägerin keinen Anspruch nach dem Produkthaftungsgesetz habe, weil der Leistungsschalter samt FI-Überwachungseinheit unternehmerisch genutzt worden sei, sodass gemäß § 2 Z 1 PHG eine Ersatzpflicht nicht bestehe. Der zwischen der Beklagten und der S***** GmbH geschlossene Kaufvertrag über den Leistungsschalter habe Schutzwirkungen zugunsten der Klägerin entfaltet, weil diese der vertraglichen Leistung der Beklagten insofern nahe gestanden sei, als sie den von der Beklagten hergestellten Leistungsschalter in der dafür vorgesehenen Art und Weise verwendet habe, nämlich in einen Schaltverteiler habe einbauen lassen, um Überspannungen zu verhindern. Zwischen der Beklagten und ihrer Abnehmerin seien die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vereinbart worden. Es sei zwar ein Ausschluss der Schutz- und Sorgfaltspflicht gegenüber Dritten unwirksam, weil dies ein Vertrag zu Lasten Dritter wäre, jedoch sei ein Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit auch gegenüber Dritten wirksam. Ein grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten sei jedoch zu verneinen. Das konzerninterne Konzept der Beklagten für den Zusammenbau des Leistungsschalters sei zwar noch verbesserbar, aber nicht als auffallende Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht zu werten. Es handle sich um ein Konzept, das konzernintern in großem Umfang eingeführt worden sei und sich über einen längeren Zeitraum bewährt habe. Zwar sei ein solcher Fehler grundsätzlich geeignet, erhebliche Folgen auszulösen, und deshalb gerade bei solchen Montagen erhöhte Sorgfalt geboten, jedoch sei es „allgemein technisch nicht möglich", insbesondere durch das Mitwirken von Menschen, die „Funktionsfähigkeit von 100 % des Produktes" zu erreichen, weshalb immer eine gewisse Ausfallsquote vorhanden sein werde. Der dem Mitarbeiter der Beklagten beim Zusammenbau des Schalters unterlaufene Aufmerksamkeitsfehler sei nicht grob fahrlässig. Auch die Organisation der Beklagten für den Zusammenbau und die Kontrolle solcher Produkte sei nicht als grob mangelhaft anzusehen. Wenn überhaupt so sei darin, dass nicht noch eine Kontrolle durch einen zweiten Mann erfolge, leichte Fahrlässigkeit zu erblicken. Die Beklagte müsse ja den Ablauf ihres Betriebs nicht nur aus dem Gesichtspunkt der Produktsicherheit, sondern auch wirtschaftlich organisieren. Eine deliktische Haftung der Beklagten bestehe nicht, weil „ein unmittelbarer schuldhafter Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin durch die Beklagte" nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und der Erstnebenintervenientin statt. Es hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Produkthaftungsgesetz scheide gemäß § 2 Z 1 PHG als Anspruchsgrundlage aus, weil sowohl die Klägerin als auch die Erstnebenintervenientin, in deren Eigentum der Schaltkasten, in dem die Schaltereinheit eingebaut worden sei, und die der Klägerin „den Strom zur Verfügung gestellt" habe, als Unternehmer gehandelt hätten. Als Anspruchsgrundlage komme der vom Erstgericht bejahte Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Frage. Ob die Klägerin sich den im Vertrag zwischen der Beklagten und der S***** GmbH enthaltenen Haftungsausschluss entgegenhalten lassen müsse, könne offen gelassen werden. Der Beklagten sei nämlich ein grobes Organisationsverschulden zur Last zu legen. Würde bei der Montage ein zweiter Mann eingesetzt werden, der eine Nachkontrolle dahin durchführe, ob alle Schrauben korrekt angezogen sind, so könnte mit größerer Sicherheit vermieden werden, dass ein fehlerhafter Schalter das Werk verlasse. Solche Schalter seien für die Sicherheit im elektrischen Bereich extrem wichtig. Mit einem fehlerhaften Schalter sei eine besondere Gefährlichkeit verbunden. Der Zweck der Schalter liege nicht nur im Schutz von Eigentum, sondern im Schutz der Integrität des Menschen. Deshalb sei bei der Herstellung solcher Schaltereinheiten ein besonders hohes Maß an Sorgfältigkeit zu verlangen. Angesichts der Gefahrenträchtigkeit, die von fehlerhaften FI-Schaltereinheiten insgesamt ausgehe, wäre es Aufgabe der Beklagten gewesen, ein (allgemeines) Kontrollsystem einzuführen und es nicht dabei zu belassen, die Fertigstellung von Schutzschaltern einem einzigen Mann zu überlassen. Eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach sei daher zu bejahen. Da die Höhe der Klageforderungen noch nicht geprüft worden sei, sei mit Aufhebung vorzugehen gewesen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer im Sinn des § 2 Z 1 PHG gelten und unter welchen Voraussetzungen ein deckungsgleicher Anspruch („Prüfpflichten des Werkunternehmers in einem Fall wie dem gegenständlichen") vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist - wenngleich nicht aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen - zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Zunächst ist festzuhalten, dass - entgegen der Ansicht der Erstnebenintervenientin - der Rekurs rechtzeitig ist, weil er am letzten Tag der vierwöchigen Rekursfrist (15. 3. 2007) zur Post gegeben (§ 89 Abs 1 GOG) wurde.
2. Ob juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer im Sinn des § 2 Z 1 PHG gelten (s dazu 7 Ob 30/07y), ist für die Entscheidung unerheblich, weil Gegenstand des Verfahrens nicht der Ersatz eines Schadens der Erstnebenintervenientin ist. Die Rekurswerberin führt zu dieser Frage auch nichts aus. Nach § 2 Z 1 PHG ist ein Schaden durch die Beschädigung einer (vom Produkt verschiedenen) Sache nur zu ersetzen, wenn ihn nicht ein Unternehmer erlitten hat, der die Sache überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat (s dazu RIS-Justiz RS0117224). Dass die klagende Kommanditgesellschaft Unternehmer ist und die beschädigte Musikanlage samt Beleuchtung überwiegend in ihrem Unternehmen (Vergnügungsbetrieb) verwendet hat, ist zutreffend nicht strittig. Der von der Klägerin und der Zweitnebenintervenientin in ihren Rekursbeantwortungen vertretenen Auffassung, § 2 Abs 1 PHG komme im Anlassfall nicht zu tragen, weil der fehlerhafte Bauteil - da im Schalterkasten des Stromversorgers eingebaut - nicht im Unternehmen der Klägerin verwendet worden sei, steht schon der Wortlaut der Bestimmung entgegen. Danach kommt es nicht darauf an, dass das schadenstiftende Produkt im Unternehmen des geschädigten Unternehmers verwendet wurde. Ausgeschlossen ist der Ersatz von Schäden an unternehmerisch genutzten Sachen (vgl nur Koziol/Welser II13 381; Posch in Schwimann, ABGB3 § 2 PHG Rz 4). Nach dem erklärten Zweck des Produkthaftungsgesetzes soll bei Sachschäden nicht „jedermann" in den Schutzbereich des Gesetzes fallen, sondern lediglich ein Verbraucher (10 Ob 92/02f = ecolex 2003, 405; 1 Ob 8/05s).
3. Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme eines (groben) Organisationsverschuldens. Das konzerninterne Konzept habe sich über einen längeren Zeitraum bewährt. Bisher habe es im Unternehmen der Beklagten keine Fehleranfälligkeit gegeben. In der Branche kämen Fehler dieser Art nur selten vor. In den letzten fünf Jahren habe es keinen Fehlerfall gegeben. Dies zeige, dass der Einsatz eines zweiten Mannes nicht zwingend erforderlich sei. Ein Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter käme nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht, weil von einer nachweislichen Absicht der vertragsschließenden Teile, die Hauptleistung der Klägerin zugute kommen zu lassen, nicht die Rede sein könne. Außerdem hafte die Beklagte für den eingeklagten Schadenersatz nicht, weil sie mit ihrem Vertragspartner den Ausschluss der Haftung für Folgeschäden vereinbart habe. Schließlich könne die Klägerin allfällige Schadenersatzansprüche gegen die Erstnebenintervenientin geltend machen, weil deren Beauftragte - die Zweitnebenintervenientin - zu einer Prüfung verpflichtet gewesen sei.
4. Der Rekurs ist zulässig, weil entgegen der Auffassung des Erstgerichts - worauf das Berufungsgericht nicht eingegangen ist - eine deliktische Haftung der Beklagten zu bejahen ist.
5. Vor dem Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes zog der Oberste Gerichtshof beginnend mit der Entscheidung 1 Ob 190/75 (SZ 49/14) zur Lösung der Frage der Haftung des Warenherstellers vornehmlich das Institut des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter heran (zur Weiterführung dieser Judikatur nach Inkrafttreten des PHG vgl RIS-Justiz RS0022730): Der Kaufvertrag zwischen Produzenten und (erstem) Händler entfaltet Schutzwirkungen zugunsten desjenigen, der durch den Vertrag mit dem Händler oder - beim mehrstufigen Warenabsatz - durch eine Kette von Verträgen berechtigter Benutzer der Sache wird. Ausgehend davon, dass die Schutzpflichten zugunsten Dritter auf einer ergänzenden Vertragsauslegung und dem Willen der Vertragsparteien beruhen, bejahte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 707/78 (SZ 51/169), dass ein zwischen Produzent und (erstem) Händler vereinbarter, im Fall leichter Fahrlässigkeit grundsätzlich wirksamer Haftungsausschluss auch die Haftung gegenüber dem begünstigten Dritten begrenzt. In der Lehre wird hingegen vielfach (vgl Koziol, Grundfragen der Produktehaftung 21 f; ders Haftpflichtrecht I³ 560 f; Welser, Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten 87; Koziol/Welser II13 146 mwN) vertreten, dass die Schutzpflichten zugunsten Dritter unabhängig vom Willen des Herstellers und Händlers allein aufgrund des Gesetzes bestehen und deshalb das Abbedingen gesetzlicher Pflichten eines Vertragsteils einem Dritten gegenüber ohne dessen Zustimmung zu Lasten dieses Dritten ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter wäre. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 513/96 (SZ 69/258) und später (vgl RIS-Justiz RS0106433) betreffend die Haftung des Sachverständigen die Auffassung übernommen, dass den Sachverständigen eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht zugunsten eines Dritten trifft, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für dessen Dispositionen bilden werde.
Auf die Streitfrage der Grundlage der Schutzpflichten zugunsten Dritter muss im Anlassfall wegen der zu bejahenden rein deliktischen Haftung der Beklagten nicht eingegangen werden. Diese Haftungsgrundlage steht dem Geschädigten alternativ zur vertraglichen zur Verfügung (vgl nur SZ 51/169). Diese Verschuldenshaftung des Warenherstellers bleibt auch nach Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes aufrecht (§ 15 Abs 1 PHG; Welser/Rabl, PHG² § 15 Rz 4 ff). Der deliktische Anspruch des geschädigten Dritten kann durch Vereinbarung des Produzenten mit seinem Abnehmer nicht abbedungen werden (SZ 51/169).
6. Ausgangspunkt der deliktischen Haftung des Produzenten ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Lehre von den Verkehrssicherungspflichten (vgl SZ 49/14 mwN; F. Bydlinski in Klang IV/2² 175; Canaris, Die Produzentenhaftpflicht in dogmatischer und rechtspolitischer Sicht, dJZ 1968, 494). Der Produzent ist verpflichtet, durch sachgerechte Organisation seines Betriebs im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren für die ungefährliche Beschaffenheit (Fehlerfreiheit) der hergestellten Sachen zu sorgen (vgl SZ 49/14; F. Bydlinski in Klang IV/2² 175; Canaris aaO 497). Sein Verhalten wäre insbesondere dann rechtswidrig, wenn ihm Fabrikations- oder Konstruktionsfehler unterlaufen und er dadurch das Leben oder die Gesundheit anderer Personen oder deren andere absolut geschützte Güter, wie das Eigentum, gefährdet oder wenn er Schutzvorschriften übertritt (Koziol, Haftpflichtrecht II² 91).
Eine juristische Person (wie die beklagte Gesellschaft mbH eine ist) haftet im deliktischen Bereich für das schädigende Verhalten ihrer Organe und aller anderen Personen in eigenverantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion (RIS-Justiz RS0009113; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1315 Rz 2a mwN; Koch in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 26 Rz 16 mwN), für das Fehlverhalten anderer Dienstnehmer aber nur in den engen Grenzen des § 1315 ABGB. Dass aber der Dienstnehmer, dem der Fehler beim Zusammenbau der Schaltereinheit unterlief, „untüchtig" (§ 1315 ABGB erster Fall) oder „gefährlich" (§ 1315 ABGB zweiter Fall) war (s dazu Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1315 mwN), ist auf der Grundlage der Feststellungen des Erstgerichts zu verneinen. Aus dem Sachverhalt geht nicht hervor, dass der Arbeitnehmer zur zu verrichtenden Tätigkeit habituell ungeeignet war; der ihm beim Zusammenbau - einer Routinetätigkeit - unterlaufene einmalige Aufmerksamkeitsfehler lässt darauf nicht schließen (vgl 2 Ob 243/65 = SZ 38/140). Für die Annahme seiner Gefährlichkeit fehlt jeder Anhaltspunkt.
Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, dass zur Vermeidung der beträchtlichen Gefahren, die von fehlerhaften Schaltereinheiten ausgehen können, eine Kontrolle des fachgerechten Zusammenbaus durch einen anderen Arbeitnehmer, der mit einem Drehmomentschlüssel die Überprüfung vornimmt, notwendig war. Das sichere Funktionieren der Schaltereinheiten erfordert, dass die Schrauben mit einem exakt vorgegebenen Drehmoment angezogen werden. Mit dieser einfachen organisatorischen Maßnahme wären beim Zusammenbau unterlaufene Fehler aller Voraussicht nach entdeckt worden. Dass die Organe der Beklagten oder die mit der Organisation der Produktion und Auslieferung betrauten Personen diese Maßnahme nicht anordneten, war ein objektiv unrichtiges und nach dem Maßstab des § 1299 ABGB (s Koziol, Grundfragen der Produktehaftung 13) schuldhaftes Verhalten. Hinsichtlich der an die Kontrolle zu stellenden Anforderungen ist das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Aufwendungen und Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit zu berücksichtigen (Canaris aaO 497; vgl F. Bydlinski aaO 176). Dass die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung durch eine fehlerhafte Schaltereinheit gering gewesen ist, steht nicht fest und wurde nicht behauptet. Weder aus dem Vorbringen der Beklagten noch aus dem festgestellten Sachverhalt geht zudem hervor, dass die Aufwendungen für die Kontrolle wirtschaftlich nicht mehr vertretbar wären.
Der Schaden der Klägerin ist auch vom Schutzbereich der übertretenen Verhaltensnorm erfasst (zum Rechtswidrigkeitszusammenhang vgl nur Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1295 Rz 5 ff mwN). Die Klägerin fällt in den persönlichen Schutzbereich der von der Beklagten verletzten Pflicht, weil sie Benutzer der fehlerhaften Schaltungseinheit war, wurde doch diese auf ihre Kosten in den Schaltkasten zur Sicherung der Stromleitung zu ihrem Betrieb eingebaut. Für den durch die Sorgfaltsverletzung verursachten Sachschaden haftet die Beklagte, sollte doch die verletzte Pflicht die Beschädigung des Eigentums der Benutzer verhindern. Der der Klägerin aus der Beschädigung ihrer Musikanlage resultierende Verdienstentgang der Klägerin ist ein vom Rechtswidrigkeitszusammenhang umfasster (adäquater) Folgeschaden (vgl 1 Ob 168/01i = SZ 2002/4 mwN; Reischauer aaO § 1295 Rz 8, 9a und 12 ff mwN).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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