OGH 1Ob168/01i

OGH1Ob168/01i29.1.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft regGenmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wegen EUR 5.813,83 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Februar 2000, GZ 5 R 184/99i-38, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. September 1999, GZ 12 Cg 46/97h-30, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Einer GmbH wurde mit Bescheid des Magistrats einer Landeshauptstadt vom 17. 5. 1955 die Betriebsanlagengenehmigung für eine Weizenmühle, ein Kraftfutterwerk, eine chemische Fabrik und eine betriebseigene Schlosserei und Tischlerei am Standort Graz, Puchstraße 17, erteilt. In der Folge erteilte die Gewerbebehörde auch Genehmigungen für Erweiterungen dieser Betriebsanlage. Aufgrund häufiger Nachbarbeschwerden über starke Geruchsemissionen in der Umgebung der Betriebsanlage - zumindest seit 1992 sind derartige Beschwerden amtskundig - wurden im Auftrag der Magistratsabteilung 23, Amt für Umweltschutz, in der Zeit von September 1993 bis September 1994 Untersuchungen der Geruchsbelastungen in der Umgebung durchgeführt. Dabei wurden in der Fasangartengasse bei fast der Hälfte aller Erhebungen von der Betriebsanlage ausgehende überwiegend gravierende, teilweise nahezu unerträgliche, Geruchsbelastungen festgestellt. Insgesamt bewirkten die Geruchsemissionen der Betriebsanlage in nahezu der Hälfte der Jahresstunden Geruchswahrnehmungen, wobei die Richtwerte für das tolerierbare Maß an Geruchseinwirkungen bei weitem überschritten wurden. Mit Bescheid des Magistrats Graz vom 17. 11. 1995 wurde der GmbH daher als zusätzliche Auflage vorgeschrieben, die Emissionen von Geruchsstoffen durch technische Vorrichtung derart zu reduzieren, dass keine höheren Belastungen durch firmenspezifische Gerüche als 3 % der Jahresstunden für stark wahrnehmbare und 5 bis 8 % der Jahresstunden für wahrnehmbare Gerüche auftreten; dieser Bescheid ist infolge Berufung der GmbH noch nicht rechtskräftig.

Die klagende gemeinnützige Bauvereinigung hatte mit Kaufvertrag vom 15. 7. 1994 Eigentum an einer Liegenschaft erworben, die sich gegenüber des Grundstücks der GmbH befindet. Für diese Liegenschaft wurde mit Bescheid vom 25. 7. 1994 die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses erteilt. Am 20. 2. 1995 räumte die klagende Partei einer anderen gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft an dieser Liegenschaft zu Zwecken der Verwirklichung des bewilligten Wohnbaus ein Baurecht ein. In diesem Baurechtsvertrag war ein Jahresbauzins von brutto S 80.000 vereinbart, der erstmals mit dem 1. Jänner jenes Jahres, das der Baufertigstellung folgt, zu zahlen sein sollte. Im Vertrag wird darauf Bezug genommen, dass die Siedlungsgesellschaft das Wohngebäude auf eigene Kosten, nach Maßgabe des StmkWohnbauförderungsgesetzes unter Zuhilfenahme entsprechender Förderungsmittel, errichten wolle. Mit Schreiben vom 21. 4. 1997 bestätigte das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, dass der Siedlungsgesellschaft im Rahmen des Wohnbauprogramms für die Jahre 1994/96 ein Kontingent an Wohnbauförderungsmitteln zugeteilt wurde; wegen der Belastung des Grundstücks mit erheblichen Geruchsemissionen könnten Förderungsmittel so lange nicht bewilligt werden, bis die Tauglichkeit des Bauplatzes durch den Wegfall dieser Geruchsemissionen nachgewiesen ist. Der Baurechtsvertrag wurde in der Folge mit Vereinbarung vom 2. 1. 1998 aufgelöst; mit Kaufvertrag vom 27. 11. 1997 veräußerte die klagende Partei die Liegenschaft. Wären die Wohnbauförderungsmittel im Rahmen des Wohnbauförderungsprogramms für die Jahre 1994/96 in diesem Zeitraum an die Siedlungsgesellschaft ausgezahlt worden, so wäre das Wohnbauprojekt mit 1. 1. 1997 abgeschlossen gewesen.

Die klagende Partei begehrte nun aus dem Titel der Amtshaftung von der beklagten Partei die Zahlung von S 80.000 samt Zinsen als Ersatz des ihr im Jahr 1997 entgangenen Bauzinses. Hätte der Magistrat Graz seine Aufgaben als Gewerbeamt gesetzmäßig erfüllt, hätte das Bauvorhaben durchgeführt werden können. Die Gewerbebehörde habe - trotz Nachbarbeschwerden seit 1971 -entweder von vornherein ungenügende Auflagen vorgeschrieben, die Einhaltung der Auflagen durch die GmbH nicht überwacht oder ein Einschreiten nach § 360 GewO unterlassen, obwohl gegenüber dem Bewilligungszustand Veränderungen vorgenommen worden seien. Die Gewerbebehörde wäre jedenfalls aufgrund der Nachbarschaftsbeschwerden gehalten gewesen, die Betriebsanlage zu überprüfen und die nötigen Veranlassungen zu treffen. Insbesondere hätte sie dabei festgestellt, dass die Abluftöffnungen in der Siloanlage und der Mischanlage konsenswidrig offengehalten und die Filteranlagen nicht laufend gereinigt würden. Weiters seien die vorgeschriebenen Planvorlagen nicht durchgeführt worden; die Getreidebehandlungsanlage sei laufend konsenswidrig betrieben worden. Die aufgezeigten Unterlassungen der Gewerbebehörde stellten ein rechtswidriges Organverhalten im Sinn des AHG dar, weil der Schutzzweck der einschlägigen Normen der Gewerbeordnung auch die Verhinderung des bei der klagenden Partei eingetretenen Schadens umfasse; bei der langjährigen Nichtbrauchbarkeit eines Grundstücks handle es sich um einen derart gravierenden Eingriff in die typische Nutzung, dass eine Eigentumsverletzung vorliege. Ein Verschulden der Behörde liege in der Verletzung des Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB.

Die beklagte Partei wendete dagegen im Wesentlichen ein, dass der Gewerbebehörde keineswegs Untätigkeit vorzuwerfen sei. In den Jahren 1980, 1984, 1987 und 1991 seien Überprüfungen erfolgt, bei denen keine unzulässigen oder für die Nachbarn unzumutbare oder nachteilige gesundheitliche Auswirkungen nach sich ziehende Emissionen hätten festgestellt werden können. Die umfassenden umwelthygienischen Untersuchungen in den Jahren 1993 und 1994 sowie ein ärztliches Gutachten hätten dazu geführt, dass der GmbH mit Bescheid zusätzliche Auflagen vorgeschrieben worden seien. In der Nähe der GmbH habe es mehrere unangenehme Gerüche emittierende Betriebe gegeben, wobei die Zuordnung der Emissionen zu den einzelnen Verursachern schwierig und zeitaufwendig gewesen sei. Der klagenden Partei sei es als Eigenverschulden zuzurechnen, dass sie das Grundstück trotz wahrnehmbarer Emissionen gekauft habe; sie habe damit die Geruchsbelästigung bewusst in Kauf genommen. Im Übrigen sei die Nutzung oder Verwertung der Liegenschaft nicht ausgeschlossen, weil sowohl eine Veräußerung der Liegenschaft als auch eine Bebauung - wenn auch ohne Zuhilfenahme von Förderungsmitteln - möglich gewesen wäre. Außerdem sei die klagende Partei ein zugezogener Nachbar im Sinne des § 79 Abs 2 GewO, sodass sie in ihrer Schutzwürdigkeit massiv eingeschränkt sei. Schließlich wendete die beklagte Partei noch ein, dass die GmbH ihren Betrieb seit der ursprünglichen Genehmigung konsensgemäß geführt habe, dass sämtliche Erweiterungen und Änderungen der Anlage behördlich genehmigt und die Einhaltung des konsensmäßigen Betriebs kontrolliert worden seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den dieser Entscheidung vorangestellten unstrittigen Sachverhalt hinaus traf es die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden könne, ob und bejahendenfalls, in welchem Ausmaß der Magistrat Graz "die Auflagen" der GmbH vor Bescheiderlassung am 17. 11. 1995 kontrolliert habe.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, das Eigentum der klagenden Partei als zugezogener Nachbar sei vom Schutzzweck des § 79 Abs 2 GewO nicht erfasst, sodass die klagende Partei ihren Anspruch nicht darauf stützen könne, dass bei konsensmäßig betriebener Anlage die vorhandenen Auflagen nicht ausreichend gewesen wären und zusätzliche Auflagen hätten erteilt werden müssen. § 360 GewO umfasse grundsätzlich den gleichen Schutzbereich wie die §§ 74 Abs 2 und 79 Abs 1 GewO, sodass auch daraus für den Standpunkt der klagenden Partei nichts gewonnen sei. Die Ausdehnung des Schutzes des Eigentums auch auf nachträglich zugezogene Nachbarn führte zu einer beträchtlichen Erhöhung von Schadenersatzansprüchen auch im Amtshaftungsweg. Der in der Entscheidung 1 Ob 107/97k entschiedene Fall liege anders, weil dort der Geschädigte bereits vor der Betriebsanlagengenehmigung in der Nachbarschaft ansässig gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass Auflagen zugunsten zugezogener Nachbarn nach dem Wortlaut des § 79 Abs 2 GewO wegen Eigentumsbeeinträchtigungen nicht zulässig seien; das Eigentum solcher Nachbarn sei vom Schutzzweck dieser Bestimmung nicht umfasst. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs lasse sich auch der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht entnehmen. Es bleibe somit zu prüfen, ob eine behauptete Unterlassung der Überprüfung der Betriebsanlage durch die Gewerbebehörde im Hinblick auf eine Überschreitung der erteilten Auflagen oder die Vornahme nichtgenehmigter Änderungen der Betriebsanlage durch die Gewerbebehörde im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem von der klagenden Partei als Verletzung ihres durch die §§ 74, 360, 366 GewO geschützten Eigentums geltend gemachten Schaden stehe. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der geltend gemachte Vermögensschaden nicht vom Schutzzweck dieser Normen umfasst sei, sei im Ergebnis zu billigen. Die klagende Partei mache letztlich einen Schaden geltend, der ihr daraus entstanden sei, dass sie aus dem abgeschlossenen Baurechtsvertrag für das Jahr 1997 keinen Bauzins lukrieren konnte, weil die Bauberechtigte mangels Zuzählung von Förderungsmitteln das Bauvorhaben nicht durchführte. Der klagenden Partei wäre die Verwertung der Liegenschaft durchaus auch auf andere Weise als durch Errichtung eines geförderten Wohnbauprojekts möglich gewesen. In dem der Entscheidung 1 Ob 107/97k zugrunde liegenden Fall sei der Schaden im Verdienstentgang eines Hoteliers aufgrund des Ausbleibens von Gästen wegen der Lärmbelästigung durch eine in unmittelbarer Nähe betriebenen Diskothek gelegen; die typische Nutzung eines Hotels liege in der Beherbergung von Gästen. Die klagende Partei könne aber eine solche schwerwiegende Einschränkung der Verwertungsmöglichkeiten für sich nicht in Anspruch nehmen. Es bedeutete eine Überdehnung des Schutzzwecks der nachbarrechtlichen Vorschriften der Gewerbeordnung, wollte man unterstellen, dass die Gewerbebehörde auch mittels Auflagen und Zwangsmaßnahmen dafür zu sorgen habe, dass die Wohnbauförderungsstandards für die benachbarten Grundstücke erreicht werden können. Normadäquat sei der Schutz des Lebens, der Gesundheit und des Eigentums und sonstiger dinglicher Rechte der Nachbarn, wobei Vermögensschäden, die in unmittelbarem untrennbaren Zusammenhang mit der Nutzung der Liegenschaft stehen, wie etwa ein Verdienstentgang, im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit Unterlassungen der Gewerbebehörde im Hinblick auf diese nachbarrechtlichen Schutzvorschriften stehe. Ein solcher Zusammenhang sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision der klagenden Partei ist in ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.

Wie vorweg festzuhalten ist, ergibt sich aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 79 Abs 2 GewO, dass ein nach Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung zugezogener Nachbar Ersatzansprüche nicht mit der Begründung geltend machen kann, dass es die Behörde bei an sich konsensmäßigem Betrieb verabsäumt habe, nachträglich zusätzliche Auflagen zu erteilen; nur das Leben und die Gesundheit nachträglich zugezogener Nachbarn sollen durch § 79 GewO, reichen die ursprünglichen Auflagen nicht aus, geschützt sein, nicht aber auch deren Eigentum. Konsequenterweise hält auch die klagende Partei im Revisionsverfahren den Vorwurf, die Gewerbebehörde habe die Erteilung nachträglicher Auflagen rechtswidrig und schuldhaft unterlassen, nicht mehr als anspruchsbegründend aufrecht.

Die Revisionswerberin beruft sich weiterhin darauf, dass die Gewerbebehörde (rechtzeitiges) Einschreiten rechtswidrigerweise unterlassen habe, obwohl die Anlage nicht unter Einhaltung aller Auflagen betrieben worden sei bzw obwohl die GmbH Veränderungen gegenüber dem bewilligten Zustand herbeigeführt hätte. Diese Vorwürfe haben die Vorinstanzen nicht überprüft, weil sie davon ausgingen, dass der von der klagenden Partei geltend gemachte Schaden nicht in den Schutzbereich der einschlägigen gewerberechtlichen Vorschriften falle. Angesichts des festgestellten Sachverhalts, nach dem (zumindest) seit 1992 Beschwerden der Anrainer über Geruchsbelästigungen amtskundig waren und Messungen von September 1993 bis September 1994 ergeben haben, dass während beinahe der Hälfte der Zeit übermäßige Geruchsbelästigungen aufgetreten sind, liegt die Annahme durchaus nahe, dass es zu maßgeblichen Änderungen im Betrieb der GmbH gekommen sein muss.

Nach § 74 Abs 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet und betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen oder Geräten, ihrer Betriebsweise, ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit.... der Nachbarn... oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen .... . Nach § 75 Abs 2 GewO sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Nach § 360 Abs 1 GewO in der seit 1. 7. 1993 geltenden Fassung hat die Behörde bei Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 1, 3 oder 4 GewO den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; kommt der Gewerbeausübende bzw Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands jeweils notwendige Maßnahme, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebs, zu verfügen.

Schließlich bestimmt § 360 Abs 4 (früher Abs 2) erster Satz GewO:

Um die durch eine diesem Bundesgesetz unterliegende Tätigkeit oder durch Nichtbeachtung von Anforderungen an Maschinen, Geräten und Ausrüstungen (§ 71) verursachte Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachte unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen, hat die Behörde entsprechend dem Ausmaß der Gefährdung oder Belästigung mit Bescheid die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebs, die Stilllegung von Maschinen, Geräten oder Ausrüstung oder deren Nichtanwendung oder sonstige die Anlage betreffende Sicherheitsmaßnahme oder Vorkehrungen zu verfügen.

§ 366 GewO beinhaltet Strafbestimmungen, die unter anderem im Fall einer Änderung einer genehmigten Betriebsanlage oder der Betreibung der Betriebsanlage nach deren nicht genehmigter Änderung Geldstrafen vorsehen.

Ganz zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass den dargelegten Bestimmungen der Gewerbeordnung auch in Ansehung des Eigentums und sonstiger dinglicher Rechte von Nachbarn der Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB zukommt. Dies wurde auch schon vom Obersten Gerichtshof zu den Bestimmungen der §§ 74 Abs 2, 75 Abs 2, § 360 Abs 2 (nun Abs 4) und § 366 Abs 1 GewO ausgesprochen (JBl 1993, 532), wobei auch das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn schon kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung geschützt sind. Unterlässt die Gewerbebehörde rechtswidrig und schuldhaft die Herstellung des auflagengemäßen und gesetzmäßigen (bewilligungsgemäßen) Gewerbebetriebs durch Erteilung der erforderlichen Auflagen oder durch Unterlassung von Zwangsmaßnahmen oder Strafbescheiden, dann entstehe Amtshaftung für die dadurch verursachten Schäden (auch Vermögensschäden) von Anrainern (1 Ob 107/97k). Danach, ob der betroffene Anrainer vor oder nach der Betriebsanlagengenehmigung die Stellung eines Nachbarn im Sinne des § 75 Abs 2 GewO erlangt hat, kommt es für den Ersatz von Schäden, die auf die Unterlassung gebotener Maßnahmen gegen einen nicht bewilligten oder die Bewilligung überschreitenden Betrieb zurückgehen, nicht an.

In der schon wiederholt zitierten Entscheidung 1 Ob 107/97k hat der Oberste Gerichtshof zwar ausdrücklich ausgesprochen, dass bei rechtswidriger und schuldhafter Unterlassung der erforderlichen Maßnahmen durch die Gewerbebehörde Amtshaftung auch für die dadurch verursachten Vermögensschäden von Anrainern entstehe, dies aber nicht näher begründet. Es ist daher zu prüfen, inwieweit auch Vermögensschäden in den Schutzbereich der einschlägigen Normen der Gewerbeordnung, die nach ihrem Wortlaut den Schutz des Eigentums und sonstiger dinglicher Rechte vorsieht, fallen.

Das Berufungsgericht hat danach differenziert, ob der Vermögensschaden auf der Beeinträchtigung der typischen Nutzung der Liegenschaft bzw des auf ihr errichteten Gebäudes beruht oder ob es um andere auf den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beruhende Folgeschäden geht. In der Sache spricht das Berufungsgericht damit das (haftungsbeschränkende) Zurechnungskriterium der Adäquanz an, weil darüber hinaus ganz allgemein formuliert wird, dass Vermögensschäden, die in unmittelbarem untrennbaren Zusammenhang mit der Nutzung der Liegenschaft stehen, wie etwa ein Verdienstentgang, in den Schutzbereich der gewerberechtlichen Vorschriften fielen. In eine ähnliche Richtung geht die Argumentation der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung: Objektiv betrachtet habe die nahe gelegene Betriebsanlage allenfalls eine sehr sektorale und auch wirtschaftlich wenig bedeutungsvolle Beeinträchtigung der rechtlichen und ökonomischen Position der klagenden Partei mit sich gebracht; lediglich ein ganz spezifisches Verwertungsprojekt möge dadurch eventuell gestört gewesen sein. Auch angesichts des bewussten Erwerbs einer Liegenschaft in der Nähe einer Betriebsanlage mit Geruchsemissionen stelle sich die Position der klagenden Partei als nur relativ schutzwürdig dar.

Grundsätzlich ist bei einem Eingriff in absolut geschützte Rechtsgüter auch der damit verbundene (adäquate) Folgeschaden zu ersetzen; für die Fälle der Körperverletzung spricht dies das Gesetz in § 1325 ABGB für den Verdienstentgang ausdrücklich aus. Nicht anders ist es aber bei Eigentumseingriffen. Wurde gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen, die den Schutz fremden Eigentums bezweckt, so führt das Kriterium des Rechtswidrigkeitszusammenhangs nicht etwa dazu, dass nur der Schaden an dem absolut geschützten Eigentumsrecht in den Schutzbereich der die Haftung begründenden Verhaltensnorm fällt. Die Verhaltensnormen, die die Gefährdung oder Beschädigung fremder absoluter Rechtsgüter verbieten, haben nämlich meist nicht nur den Schutz dieses Rechtsguts im Auge, sondern auch die Verhinderung weiterer Schäden des Rechtsinhabers (siehe dazu nur Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 8/35 mit Judikaturnachweisen in FN 133). Der Fall eines sogenannten "reinen Vermögensschadens", also eines Schadens, der nicht aus der Beeinträchtigung eines absolut geschützten Rechtsguts resultiert, liegt hier nicht vor. Dass im Bereich der Folgeschäden ein weitgehender Schutz des bloßen Vermögens anerkannt ist, obwohl es für sich allein nicht geschützt wäre, erklärt sich daraus, dass bei Folgeschäden das Verhalten des Täters ohnehin schon wegen Verletzung anderer Güter rechtswidrig ist und der Schutz des Vermögens nicht erst über die Normierung zusätzlicher Verhaltenspflichten begründet werden muss (Koziol, aaO Rz 8/22). Dass die klagende Partei ihren in der objektiven Wertverminderung der (nach ihren Prozessbehauptungen bei genehmigungsgemäßem Betrieb weniger belasteten) Liegenschaft liegenden "Primärschaden" nicht geltend macht, hat keine Auswirkung auf die Ersatzfähigkeit des Folgeschadens; nach dem Verkauf der Liegenschaft trifft sie eine Wertminderung auch gar nicht mehr.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist auch der Adäquanzzusammenhang zwischen der behaupteten rechtswidrigen Unterlassung der Behörde und dem von der klagenden Partei geltend gemachten Schaden zu bejahen. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Schaden (nur) dann inadäquat, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (Koziol, aaO Rz 8/8). Ein typischer Folgeschaden im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung einer Liegenschaft durch Immissionen besteht im Entfall von Einnahmen aus einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob - wie im Fall 1 Ob 107/97k - einem Hotelier Nächtigungsentgelt von potentiellen Hotelgästen, einem Vermieter eines Einfamilienhauses Mietzinseinnahmen oder einem Liegenschaftseigentümer, der einem Dritten an seiner Liegenschaft ein Baurecht eingeräumt hat, Bauzins entgeht. Dass im vorliegenden Fall das Scheitern des geplanten Bauprojekts - und damit die Auflösung des Baurechtsvertrags - mit dem Ausfall von (bereits zugesagten) öffentlichen Förderungsmitteln zusammenhing, kann schon deshalb eine Differenzierung nicht rechtfertigen, weil die Wohnbauförderung gerade deshalb nicht gewährt wurde, weil sich die Liegenschaft wegen der erheblichen Geruchsbelästigung als für Wohnzwecke ungeeignet erwies. Diese durch die Immissionen hervorgerufene generelle Nutzungsbeschränkung hat mit der Absicht, das Bauvorhaben mit öffentlichen Förderungsgeldern durchzuführen, nichts zu tun, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Siedlungsgesellschaft wegen der unverändert einwirkenden Geruchsbelästigung auch sonst vom Bauvorhaben Abstand genommen hätte und berechtigt gewesen wäre, den Vertrag aufzuheben. Der Einwand, es wäre der Siedlungsgesellschaft freigestanden, den Bau ohne Förderungsmittel durchzuführen, scheitert somit schon daran, dass die Liegenschaft unter den gegebenen Umständen für Wohnzwecke objektiv ungeeignet war. Dass die klagende Partei den Schaden dadurch hätte verhindern können, dass sie einer - offenbar einvernehmlichen - Vertragsauflösung nicht zugestimmt hätte, wendete die beklagte Partei auch gar nicht ein.

Auf eine allfällige Haftung der beklagten Partei hat es auch keinen Einfluss, dass die klagende Partei die Liegenschaft zu einem Zeitpunkt erwarb, zu dem die Geruchsbelästigung bereits bestand. Sie durfte-ebenso wie die bereits seit längerer Zeit dort ansässigen Nachbarn-darauf vertrauen, dass die Gewerbebehörde die ihr vom Gesetz auferlegten Schritte unternehmen werde, um einen allenfalls rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, die beklagte Partei nur deshalb von einer Haftung für Schäden, die bei einer vergleichbaren entgeltlichen Verwertung der Liegenschaft durch den früheren Eigentümer zu ersetzen wären, zu entbinden, weil diese bereits im beeinträchtigten Zustand an einen Dritten veräußert wurde, den nun die Nachteile treffen. Entscheidend ist allein, ob sich der Vorwurf als berechtigt erweist, die Gewerbebehörde habe es in rechtswidriger Weise schuldhaft unterlassen, die Immissionen zu unterbinden. Wie bereits dargelegt wurde, ist der Erwerb der Stellung eines Nachbarn erst nach der Betriebsanlagengenehmigung nur im Rahmen des § 79 GewO von Bedeutung, auf den sich die klagende Partei aber im Verfahren (zu Recht) nicht mehr beruft.

Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht im Rahmen der Prozessbehauptungen der Parteien Feststellungen zu den Ursachen des ganz erheblichen Ansteigens der Geruchsbelästigung durch den Gewerbebetrieb der GmbH sowie darüber zu treffen haben, ob und bejahendenfalls wann diese von der Gewerbebehörde bei unverzüglichem Einschreiten zu ermitteln gewesen wären. Dabei wird insbesondere zu klären sein, warum ein Bescheid an die GmbH erst im November 1995 ergangen ist, obwohl bereits seit 1992 Anrainerbeschwerden über Geruchsbelästigungen amtskundig waren und (erst) ab September 1993 Untersuchungen veranlasst wurden, die eine unzumutbare Geruchsbelästigung ergaben. Sollte sich herausstellen, dass der Anstieg der Geruchsbelästigungen auf Umständen beruhte, die von der Gewerbebehörde gemäß § 360 GewO wahrzunehmen gewesen wären, wird - im Sinne einer hypothetischen Betrachtung - zu prüfen sein, zu welchem Zeitpunkt die danach indizierten Maßnahmen der Behörde zu einem für die Anrainer erträglichen Zustand geführt hätten, der insbesondere einer Ausschüttung der Förderungsmittel an die Siedlungsgesellschaft nicht mehr im Wege gestanden wäre. Dabei ist auch zu beachten, dass vor dem Inkrafttreten (1. 7. 1993) der Gewerberechtsnovelle 1992 (BGBl 1993/29) derartige "einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen" erst nach rechtskräftiger Feststellung einer gesetzwidrigen Gewerbeausübung angeordnet werden konnten. Erst dann wird beurteilt werden können, ob der Gewerbebehörde eine pflichtwidrige Unterlassung vorgeworfen werden kann bzw ob ein pflichtgemäßes Handeln den von der klagenden Partei geltend gemachten Schaden verhindert hätte.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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