OGH 7Ob235/08x

OGH7Ob235/08x5.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Martin K*****, und 2.) Monika K*****, beide vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 268.889,49 EUR (sA), über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Juni 2008, GZ 4 R 83/08s-35, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. Februar 2008, GZ 2 Cg 63/04w-28, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht bestätigt und ausgesprochen, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil seine Entscheidung „zumindest in einem scheinbaren Widerspruch zur Entscheidung 7 Ob 8/05k des Obersten Gerichtshofs" stehe.

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von den Klägern gegen das Urteil der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Die Verneinung der Haftung der Beklagten für das vom Treuhänder veruntreute Geld entspricht den Grundsätzen gefestigter jüngerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 7 Ob 211/05p): Danach ist eine Bank nicht verpflichtet, von sich aus Nachforschungen über den Treuhandcharakter eines Girokontos anzustellen; sie ist auch nicht verhalten, einen Treuhänder zu überwachen (9 Ob 128/03v mwN; 7 Ob 8/05k, RIS-Justiz RS0010450 [T5]). Die Bank muss demgemäß eine Einschränkung ihrer Rechte aus der Geschäftsverbindung mit dem Kontoinhaber (wie bei einem offenen Treuhandkonto) nicht hinnehmen (9 Ob 128/03v mwN). Eine allgemeine Pflicht der Bank zu Nachforschungen über den Treuhandcharakter von Erlägen auf einem Eigenkonto (verdeckten Treuhandkonto) zu bejahen, hieße deren Schutzpflichten und Sorgfaltspflichten zugunsten dritter, nicht in den Girovertrag einbezogener Personen überspannen (RIS-Justiz RS0114703). Bei sachgerechter Abwägung zwischen den Rechten der Bank aus dem Girokontovertrag und den Rechten der Treugeber des Kontoinhabers ist die Pflicht der Bank zu Nachforschungen darüber, ob das Girokonto in Wahrheit ein verdecktes Treuhandkonto ist, aber auch - und zwar selbst dann, wenn der Bank bekannt ist, dass über das Girokonto auch Treuhandgelder fließen - dahin, ob ein konkreter Geldfluss in Wahrheit Treuhandgelder betraf, zu verneinen (RIS-Justiz RS0114704). Nur wenn die Bank konkret weiß, dass die auf einem Geschäftsgirokonto des Kontoinhabers eingehenden Beträge Treuhandgelder sind, darf sie weder von ihren Rechten nach Punkt 23 der AGBKr Gebrauch machen, noch diese Beträge debetsenkend zugunsten des Kontoinhabers (Treuhänders) verbuchen. Ist die Bank nur deshalb in Unkenntnis davon, dass eingegangene Beträge Treuhanderläge sind, weil sie geeignete Nachforschungen darüber unterließ, so ist eine solche Unkenntnis dem positiven Wissen davon nicht gleichzuhalten; die Kenntnisse der Bank müssen sich vielmehr darauf erstrecken, dass der konkrete Erlag ein Treuhanderlag ist (RIS-Justiz RS0114705).

Diesen auch schon in der Entscheidung 7 Ob 8/05k wiedergegebenen Grundsätzen folgt das angefochtene Urteil der zweiten Instanz. Zur zitierten Entscheidung besteht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch kein scheinbarer Widerspruch. Dort wurden nämlich von den Tatsacheninstanzen (wie die Vorinstanzen jetzt meinen: irrtümlich) vom hier festgestellten Sachverhalt in wesentlichen Punkten abweichende Feststellungen getroffen. Nach den betreffenden Feststellungen hat dort die Beklagte „zur Lösung des Problems, dass die Treuhandgelder am Anderkonto ihrem Zugriff entzogen waren", einer „Zusammenführung" des Anderkontos mit dem Girokonto des Treuhänders zugestimmt und damit in Verfolgung eigener Interessen billigend in Kauf genommen, dass zur Deckung von Kreditforderungen der Beklagten gegen den Treuhänder Fremdgelder und - im Rahmen der kontokorrentmäßigen Abrechnung - insbesondere auch die dort verfahrensgegenständliche Überweisung zur Aufrechnung herangezogen wurden. Aufgrund dieser Umstände wurde eine deliktische Haftung der Beklagten bejaht.

Im vorliegenden Fall ist hingegen nach den Feststellungen der Vorinstanzen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, nicht davon auszugehen, dass auch im Interesse der Beklagten eine „Zusammenführung" des Anderkontos mit dem Girokonto des Treuhänders vorgenommen wurde. Vielmehr steht fest, dass das Anderkonto in ein Kanzlei-Girokonto umgestellt wurde, wobei auf dem Anderkonto, das mit etwa 1 Mio S im Haben war, ein Kreditrahmen von 3 Mio S eingeräumt wurde und das bisherige Kanzlei-Girokonto, das ebenfalls ein Guthaben von ca 1 Mio S aufwies, wegen erwarteter Eingänge weiter belassen, der Kreditrahmen aber gelöscht wurde. Eine Umbuchung zwischen den beiden Konten fand anlässlich dieser Vorgänge nicht statt. Der verantwortliche Geschäftsstellenleiter der Beklagten wusste zwar, dass sich neben Honoraren des Treuhänders auch Fremdgelder aus dessen Inkassotätigkeit auf dem Anderkonto befanden. Er ging aber nicht davon aus, dass Treuhanderläge darauf gebucht würden und war auch nicht veranlasst, dies anzunehmen, weil der Treuhänder für Treuhandgeschäfte eigene Treuhandkonten eröffnete. Der Treuhänder wickelte ab Juni 2001 den Giroverkehr überwiegend elektronisch ab. Die Beklagte beobachtete die Kontoentwicklung nicht, solange sie sich im Überziehungsrahmen bewegte. Bis zum „Verschwinden" des Treuhänders gab es keine Auffälligkeiten. Dieser eröffnete immer wieder Treuhandkonten und rechnete sie ordnungsgemäß ab. Weiters steht fest, dass die Schließung des Anderkontos und Neueröffnung als Girokonto mit den beiden hier streitgegenständlichen Überweisungen der Kläger nichts zu tun hatte. Diese Überweisungen gingen drei Jahre später auf das „neue" Girokonto ein, weil der Treuhänder den Anschein erweckte, sie würden auf ein korrekt geführtes Anderkonto gelangen. Anders als in der Causa 7 Ob 8/05k trifft im vorliegenden Fall also nicht zu, dass die Änderungen beim Anderkonto und beim Girokonto die Veruntreuung erst ermöglicht hätten. Dass die Verantwortlichen der beklagten Bank gewusst hätten, dass es sich bei den hier strittigen Überweisungen um Treuhandgelder handelte, haben die Kläger in erster Instanz nicht einmal behauptet. Die Verneinung einer Nachforschungspflicht der Beklagten entspricht unter diesen Umständen den von der Judikatur entwickelten, bereits dargestellten Grundsätzen.

Eine (vom Berufungsgericht nicht weiter relevierte) vertragliche Haftung der Beklagten scheitert an der vom Obersten Gerichtshof bereits zu 7 Ob 8/05k und 7 Ob 211/05p formulierten Voraussetzung, dass der Bank grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sein und das betreffende Girokonto daher nicht als verdecktes, sondern als offenes Treuhandkonto behandelt werden müsste. Den in der Revision noch erhobenen Einwand, der Girovertrag entfalte Schutzwirkungen zugunsten der Treugeber, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 9 Ob 128/03v mit eingehender Begründung verworfen. Die schließlich von den Revisionswerbern vermisste Feststellung, auf das betreffende Girokonto seien bis 2001 Treuhandgelder geflossen, wurde vom Erstgericht ohnehin getroffen. Es steht aber auch fest, dass die Beklagte davon keine Kenntnis hatte. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dies habe der Beklagten auch nicht auffallen müssen und sei für sie mangels einer Nachforschungspflicht nicht erkennbar gewesen, ist nach den wiedergegebenen Judikaturgrundsätzen unter den festgestellten Umständen zu billigen.

Da die Ansicht des Berufungsgerichts, eine an den Kontoänderungen 1997 anknüpfende schadenersatzrechtliche Haftung der Beklagten sei zu verneinen, demnach mit der einschlägigen oberstgerichtlichen Judikatur im Einklang steht, ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und muss zurückgewiesen werden.

Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Kläger nicht hingewiesen. Da ihre Revisionsbeantwortung daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich ist, hat sie deren Kosten nach § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO selbst zu tragen.

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