OGH 9ObA49/08h

OGH9ObA49/08h8.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingeborg Bauer-Manhart und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Gilda S*****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses (Streitwert 70.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2008, GZ 7 Ra 6/08s-70, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 24. Mai 2007, GZ 22 Cga 28/03b-66, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Dienstverhältnis der Klägerin als Vertragslehrerin des Bundes wurde von der Dienstgeberin per 30. 11. 2002 zum 30. 4. 2003 gemäß § 32 Abs 2 Z 3 VBG gekündigt. Nach dieser Bestimmung liegt ein Grund, der den Dienstgeber zur Kündigung berechtigt, insbesondere dann vor, wenn der Vertragsbedienstete den im Allgemeinen erzielbaren angemessenen Arbeitserfolg trotz Ermahnungen nicht erreicht, sofern nicht die Entlassung in Betracht kommt. Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hat die Klägerin als AHS-Lehrerin, die an zwei Schulen Englisch unterrichtete, den im Allgemeinen erzielbaren Arbeitserfolg insbesondere wegen gravierender Unzulänglichkeiten des Unterrichts, bedeutender fachlicher Defizite sowie nicht nachvollziehbarer Benotung der Schüler nicht erreicht. Eine erhebliche Rechtsfrage erblickt die Revisionswerberin in der Frage, ob ein Beobachtungszeitraum von 59 Kalendertagen bzw 38 Unterrichtstagen ausreiche, um sachgemäß über das Vorliegen des gegenständlichen Kündigungsgrunds entscheiden zu können.

Die Parteien stimmen zutreffend darin überein, dass der in § 32 Abs 2 Z 3 VBG gebrauchte Plural („Ermahnungen") bedeutet, dass der Kündigung nach dieser Bestimmung zumindest zwei Ermahnungen vorauszugehen haben (Kuderna, Entlassungsrecht² 209; Ziehensack, VBG § 32 Rz 190 ua). Das VBG macht hinsichtlich dieser Ermahnungen weder Vorgaben bezüglich der Form (Ziehensack, VBG § 32 Rz 192; Arb 7483; RIS-Justiz RS0082336 ua) noch der Zeit. Es genügt jede Ermahnung, wenn sie in der Sache begründet ist und vom Vertragsbediensteten ernst genommen werden muss (Arb 7483 ua). Die Ermahnungen müssen in einer für den Vertragsbediensteten verständlichen Weise erkennen lassen, in welchen Umständen die Nichterreichung des im Allgemeinen erzielbaren angemessenen Arbeitserfolgs erblickt wird sowie welcher Arbeitserfolg angemessen ist und von ihm erwartet wird (Kuderna, Entlassungsrecht² 209 ua). Dies war hier der Fall. Die Voraussetzungen des gegenständlichen Kündigungsgrunds können bei einem Lehrer zB dann erfüllt sein, wenn er planlos oder nach veralteten Methoden unterrichtet (Kuderna, Entlassungsrecht² 210; Ziehensack, VBG § 32 Rz 195; Arb 7908 ua). Mit dem Argument, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, ob beim gegenständlichen Kündigungsgrund erst ein bestimmter Mindestzeitraum eine sachliche Beurteilung des beanstandeten Verhaltens des Vertragsbediensteten erlaube, wird von der Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. § 32 Abs 2 Z 3 VBG macht keine zeitlichen Vorgaben und schreibt (anders als beispielsweise § 81 Abs 1 Z 3 BDG 1979) keinen zeitlichen Mindest- und/oder Maximalabstand zwischen der ersten und der zweiten Ermahnung vor. Berücksichtigt man den Zweck von Ermahnungen im Dienst- und Arbeitsrecht, dann kann die Beantwortung der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage nur von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängen.

Das Vorliegen einer Ermahnung, bevor der Dienstgeber zur Kündigung oder Entlassung des Dienstnehmers schreiten darf, ist keine exklusive Voraussetzung des Kündigungsgrunds nach § 32 Abs 2 Z 3 VBG, sondern findet sich bei einer Reihe von Beendigungsgründen (vgl zB die Rechtsprechung zur Entlassung wegen beharrlicher Dienstverweigerung nach § 27 Z 4 AngG [RIS-Justiz RS0029746 ua]; siehe zB aber auch die Entlassung nach § 38 Z 5 SchSpG, § 34 Z 2 und 4 LAG 1984 etc). Zweck der Ermahnung ist es vor allem, den Vertragsbediensteten über seine mangelhaften Leistungen in Kenntnis zu setzen, ihn zur Einhaltung seiner Pflichten aufzufordern und ihm nochmals Gelegenheit zur Leistungsverbesserung zu geben (vgl Kuderna, Entlassungsrecht² 115; Ziehensack, VBG § 32 Rz 191, 192a; 9 ObA 46/94; VwGH 92/09/0226 ua). Werden zwei Ermahnungen vorgeschrieben, dann sollen mit der zweiten Ermahnung zweifellos die schon mit einer Ermahnung verbundenen Wirkungen verstärkt werden.

Berücksichtigt man den Zweck der Ermahnung, dann kann die Frage, ob der gegenständliche zeitliche Ablauf ausreicht, um letztlich sachgemäß über die Verwirklichung des Kündigungsgrunds entscheiden zu können, nicht allgemeingültig für alle Kündigungen nach § 32 Abs 2 Z 3 VBG beantwortet werden. Ihre Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dieser Kündigungsgrund betrifft nicht nur AHS-Lehrer, sondern findet auf alle Tätigkeiten Anwendung, die dem Anwendungsbereich des VBG (§ 1) unterliegen. Der von der Revisionswerberin angesprochene zeitliche Aspekt hängt nicht bloß von der konkreten Tätigkeit ab, bei der die Erreichung des Arbeitserfolgs in Frage steht, sondern auch davon, in welcher Hinsicht der Vertragsbedienstete den Arbeitserfolg nicht erreicht, in welchem Ausmaß der Arbeitserfolg verfehlt wird und insbesondere welche Anstrengungen der Vertragsbedienstete nach den Ermahnungen unternimmt, um den angemessenen Arbeitserfolg zu erreichen. Im Fall des Lehrers kommt auch dem Aspekt, wie lange man den Schülern noch einen weitgehend wertlosen Unterricht zumuten kann, Bedeutung zu. Der Klägerin wird nicht vorgeworfen, dass sie nicht innerhalb von einigen Tagen nach der ersten Ermahnung den Unterricht komplett umgestellt hat. Entscheidend sind ordnungsgemäße Bemühungen zur Erfolgserreichung in Entsprechung der Ermahnungen (vgl Ziehensack, VBG § 32 Rz 186 ua). Reagiert aber eine Vertragsbedienstete - wie eben die Klägerin - auf die von konkreten Ratschlägen, wie die Leistung verbessert werden könnte, begleiteten Ermahnungen des Dienstgebers überhaupt nicht, dann kann sich der Bedienstete durch die endende Geduld des mit ständigen Beschwerden von Eltern und Schülern konfrontierten Dienstgebers nicht beschwert erachten. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der gegenständliche Zeitablauf im konkreten Fall ausgereicht habe, um dem Zweck der nach § 32 Abs 2 Z 3 VBG gebotenen Ermahnungen gerecht zu werden, erscheint nach der Lage des Falls vertretbar. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Da der Oberste Gerichtshof der Revisionsgegnerin die Beantwortung der von der Klägerin erhobenen außerordentlichen Revision nicht freigestellt hat, ist die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung der Beklagten gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Ein Kostenersatz findet daher nicht statt (1 Ob 10/07p; RIS-Justiz RS0043690 ua).

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