OGH 8ObA46/08k

OGH8ObA46/08k2.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Spenling und die Hofrätin Dr. Lovrek und die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Franz Boindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dominik M*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Z***** KEG, *****, wegen 1.964,97 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 119,84 EUR brutto sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 2008, GZ 12 Ra 6/08a-23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Oktober 2007, GZ 11 Cga 188/06t-20, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger war ab 1. 6. 2006 bei der Beklagten als Pflasterer beschäftigt und wurde am 5. 7. 2006 entlassen. Die Entlassung erfolgte, weil der Kläger anlässlich der Übergabe einer Arbeitsunfähigkeitsbestätigung am 5. 7. 2006, die eine eintägige Arbeitsunfähigkeit wegen einer Achillessehnenzerrung auswies, erklärt hatte, dass er wegen eines Sehnenleidens im rechten Arm den Beruf des Pflasterers nicht mehr ausüben könne.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch ein Begehren des Klägers auf Zahlung von 119,84 EUR brutto (Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 6. 7. bis 7. 7. 2006 zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen).

Das Erstgericht wies das Begehren auf Entgeltfortzahlung ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, soweit sie die Abweisung des Entgeltfortzahlungsbegehrens bekämpfte, nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die letzte zur Frage der Entgeltfortzahlung bei dauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aufgefundene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1993 stamme und zwischenzeitig von der Lehre mehrfach kritisiert worden sei.

Gegen diesen Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag.

Die Beklagte beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig; an den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Durch BGBl 1975/418 wurde der Entlassungstatbestand der vorübergehenden Dienstverhinderung nach § 27 Z 5 AngG durch die Ausnahmen für Krankheit oder Unglücksfall eingeschränkt. Parallel dazu wurde durch das EFZG (Art VIII BGBl 1974/399) der gleichartige Entlassungstatbestand des § 82 lit h letzter Satz GewO (unverschuldete Arbeitsunfähigkeit von mehr als vier Wochen) außer Kraft gesetzt. Unverändert blieben § 27 Z 2 AngG (Unfähigkeit, die versprochenen oder den Umständen nach angemessenen Dienste zu leisten) und der hier maßgebliche § 82 lit b GewO 1859, der ein Entlassungsrecht einräumt, wenn der Arbeiter zu der mit ihm vereinbarten Arbeit unfähig befunden wird.

Nicht nur in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 9 ObA 186/93 (DRdA 1995/25 [krit Binder]), sondern auch in den Entscheidungen 9 ObA 177/88 = Arb 10.728 und in 9 ObA 355/93 (ecolex 1994, 491) hat der Oberste Gerichtshof zu § 82 lit b GewO 1859 dahin Stellung genommen, dass dauernde Arbeitsunfähigkeit unabhängig von einem Verschulden des Dienstnehmers zur Entlassung berechtigt. Darauf, ob die Arbeitsunfähigkeit schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses gegeben war oder erst nachher eintrat, kommt es nicht an. In 9 ObA 186/93 hat sich der Oberste Gerichtshof mit der gegenteiligen Auffassung Binders (Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, FS-Strasser [1983], 271 [273 f]) auseinandergesetzt und unter Berufung auf Runggaldier (Die krankheitsbedingte Kündigung, ZAS 1982, 130 [131 FN 3a] und Tomandl (Arbeitsrecht² 229; s nun Tomandl/Schrammel Arbeitsrecht4 Band 2, 209) ausgeführt, dass mit der Novellierung des § 82 lit h GewO 1859 lediglich der Entlassungsgrund der mehr als vier Wochen dauernden unverschuldeten Arbeitsverhinderung (durch Krankheit oder Unglücksfall) beseitigt wurde, der Entlassungsgrund der dauernden Arbeitsunfähigkeit aber nicht berührt wurde.

Auch zu der inhaltlich vergleichbaren Bestimmung des § 27 Z 2 AngG vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass bei dauernder Dienstunfähigkeit das Entlassungsrecht gegeben ist, ohne dass es auf ein Verschulden des Arbeitnehmers ankäme und ohne dass der Entlassungstatbestand auf den Fall der von Anfang an gegebenen Arbeitsunfähigkeit einzuschränken wäre (8 ObA 218/94 = Arb 11.144; 9 ObA 68/02v = DRdA 2003/13 [Weiss]; 8 ObA 79/02d = DRdA 2004/7 [krit Preiss]; 8 ObA 157/02z = DRdA 2003, 65).

Die Kritik an dieser Rechtsprechung durch einen Teil der Lehre (insbes Binder zu DRdA 1995/25; Pfeil in ZellKomm § 27 AngG Rz 65, 152; Czerny/Kallab, Entgeltfortzahlungsgesetz [2001] § 5 Erl 4; Preiss zu DRdA 2004/7) ist letztlich überwiegend sozialpolitisch motiviert. Unter Berücksichtigung des Gesetzeswortlauts („zu der mit ihm vereinbarten Arbeit unfähig befunden wird") und unter weiterer Berücksichtigung, dass zwischen einer bloß vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, die seit den zitierten gesetzlichen Änderungen nicht mehr zur Entlassung berechtigt und einer „dauernden" Dienstunfähigkeit, die zumindest für eine nicht absehbare Zeit die Bewältigung der vereinbarten oder angemessenen Dienstleistungen nicht mehr erwarten lässt, ein wesentlicher Unterschied besteht (Kuderna, Das Entlassungsrecht² [1994] 95), sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, von der zitierten ständigen Rechtsprechung abzugehen.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Kläger aufgrund seines Sehnenleidens im rechten Arm dauernd unfähig ist, der vereinbarten Tätigkeit als Pflasterer nachzukommen. Darauf, dass bloß eine partielle Arbeitsunfähigkeit vorliege und dass der Arbeitgeber eine zumutbare Möglichkeit gehabt habe, ihm eine andere Arbeit zuzuweisen (vgl dazu 8 ObA 79/02d; weiters RIS-Justiz RS0082303; RS0031388; RS0116675), hat sich der Kläger nicht berufen.

Damit erweist sich aber das Entgeltfortzahlungsbegehren des Klägers als unbegründet, weil nach dem klaren Wortlaut des § 5 EFZG der Entgeltfortzahlungsanspruch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus nur dann erhalten bleibt, wenn der Arbeitgeber die Kündigung während der Dienstverhinderung ausspricht, wenn er den Arbeitnehmer unberechtigt entlässt oder wenn der Arbeitgeber einen Austritt des Arbeitnehmers verschuldete (aA ohne nähere Begründung ders in ZellKomm § 5 EFZG Rz 5; ferner Czerny/Kallab aaO § 5 Erl 4, allerdings unter Zugrundelegung der vom Obersten Gerichtshofs nicht geteilten Auffassung, dass der Entlassungstatbestand des § 82 lit b GewO 1859 lediglich die von Anfang an bestehende dauernde Arbeitsunfähigkeit erfasse). Darauf, dass der Kläger nicht wegen jenes Leidens, das ihn dauernd arbeitsunfähig macht, sondern wegen einer anderen Ursache (Achillessehnenzerrung) im Krankenstand war, als die Entlassung ausgesprochen wurde, kommt es im Hinblick auf den bereits erwähnten klaren Wortlaut des § 5 EFZG nicht an.

Da somit die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts im Einklang mit der wiedergegebenen ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung steht, von der sich der Senat nicht abzugehen veranlasst sieht, und das Berufungsgericht die maßgebliche Rechtsfrage daher richtig gelöst hat, liegt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vor.

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