OGH 9ObA186/93

OGH9ObA186/9313.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr.Walter Zeiler und Mag. Kurt Retzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alexander S*****, Vertragsspieler, ***** vertreten durch Dr.Günter Schmid und Dr.Albin Walchshofer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei FC B*****, vertreten durch Dr.Werner Masser ua Rechtsanwälte in Wien, wegen 125.147 S netto sA und Feststellung (Streitwert 100.000 S), infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.April 1993, GZ 13 Ra 101/92-16, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.September 1992, GZ 13 Cga 124/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.501,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.416,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 6.7.1989 als Vertragsspieler beim beklagten Verein beschäftigt. Mit Vertrag vom 29.6.1991 wurde dieses befristete Beschäftigungsverhältnis bis 30.6.1993 verlängert. Neben einem Fixum von monatlich 23.000 S (14 x jährlich) sah der Vertrag auch branchenübliche, leistungsbezogene, von Art und Dauer des Spieleinsatzes abhängige Punkteprämien vor. Wegen verletzungsbedingter Ausfälle während der Dauer des ersten Vertrages setzte der Kläger im neuen Vertrag eine über das frühere Maß hinausgehende Fortzahlung der Prämien für den Fall einer neuerlichen Verletzung bei seiner Tätigkeit beim beklagten Verein durch, und zwar im Ausmaß von 100 % für acht Wochen, von 50 % für weitere sechs Wochen und darüber hinaus in Höhe von 25 % der jeweils vereinbarten Prämien. Bei Verletzungen außerhalb der Vereinstätigkeit gebührten dem Kläger 25 % der Prämien. Nach Punkt 15 des Vertrages konnte der Verein die Entlassung aussprechen, wenn der Spieler seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt; hingegen ist in Punkt 10 des Vertrages eines Austrittsrecht des Spielers für den Fall eines qualifizierten schuldhaften Verzuges der Beklagten mit der Auszahlung der Bezüge vorgesehen. Im Fall einer vom Spieler verschuldeten Sperre sieht der Vertrag den Verlust der Punkteprämien vor.

Weder bei den ersten Vertragsverhandlungen im Jahre 1989 noch anläßlich der Vertragsverlängerung im Jahre 1991 wurde das Entlassungsrecht erörtert; auch der Fall dauernder Invalidität wurde von den Parteien nicht bedacht.

Da der Kläger in der Saison 1990/91 Schmerzen im Knie verspürte und deshalb auch nur als Ersatzspieler und zuletzt in der Unter-21-Mannschaft eingesetzt werden konnte, vereinbarte er mit der Beklagten, ein 14-tägiges Aufbautraining zur Stärkung der noch immer verschmächtigten Muskulatur am verletzten Bein durchzuführen, damit er dadurch wieder die volle körperliche Belastbarkeit und Einsatzfähigkeit in der Kampfmannschaft erlange. Dieses Krafttraining sollte der Kläger, wie auch schon anläßlich der Verletzungspausen in der abgelaufenen Spielsaison, wieder privat in einem Welser Fitness-Studio, unter Übernahme der Kosten durch die Beklagte, durchführen. Bei diesem Training erlitt der Kläger am 19.8.1991 einen Unfall mit Dauerfolgen, und zwar einen Lendenwirbelbruch mit Lähmung der unteren Extremitäten. Deshalb ist der Kläger nicht mehr imstande, seine Tätigkeit als Berufsfußballer weiter auszuüben. Mit Schreiben vom 27.9.1991 sprach die Beklagte die Entlassung des Klägers aus.

Der Kläger begehrt die Weiterzahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts bis einschließlich Februar 1992 in Höhe von 125.147 S netto sA und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung des vereinbarten Entgeltes für die Vertragsdauer. Der Kläger sei zwar nicht mehr imstande, seine vertraglichen Verpflichtungen als Berufsfußballer zu erfüllen, doch sei die Entlassung unwirksam, weil den Kläger kein Verschulden an diesem Zustand treffe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß die Entlassung wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß § 27 Z 2 AngG oder entsprechender Bestimmungen des ABGB berechtigt sei, zumal die Entlassungsgründe weder durch den Dienstvertrag noch durch das ÖFB-Regulativ eingeschränkt wurden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die vorzeitige Vertragsauflösung sei sowohl nach § 27 Z 2 AngG als auch nach der Generalklausel des § 1162 ABGB berechtigt, weil der Kläger aufgrund der Verletzungsfolgen zur weiteren Dienstleistung als Berufsfußballer dauernd unfähig sei. Die Entlassung sei auch nicht verfristet, weil der beklagte Verein im Interesse des Klägers den Verlauf der ersten Rehabilitationsmaßnahmen habe abwarten dürfen. Durch die im Dienstvertrag und im ÖFB-Regulativ enthaltene Bestimmung, daß die Entlassung ausgesprochen werden könne, wenn der Spieler seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfülle, werde das Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung nicht auf einen einzigen Grund unter Ausschluß aller anderen Entlassungsgründe eingeschränkt; damit sei nur - so wie mit dem im Vertrag geregelten Austrittsgrund - demonstrativ jeweils ein für die Vertragspartner besonders wichtiger Auflösungsgrund festgeschrieben worden. Die Vertragsklausel über die Prämienkürzung im Verletzungsfall sei nur auf einen vorübergehenden verletzungsbedingten Ausfall des Spielers anzuwenden, nicht aber auf den Fall der dauernden Dienstunfähigkeit.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Auch eine erst während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eingetretene Unfähigkeit zur Verrichtung der bedungenen Dienste rechtfertige eine Entlassung nach § 27 Z 2 AngG bzw § 82 lit b GewO 1859. Aus dem vorübergehende Dienstverhinderungen erfassenden Entlassungstatbestand des § 27 Z 5 AngG könne eine Einschränkung auch des Entlassungstatbestandes der dauernden Dienstunfähigkeit nach § 27 Z 2 AngG nicht abgeleitet werden, weil diesem Tatbestand eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen sei. Dies sei auch sachgerecht, weil die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses für den Dienstgeber unzumutbar sei, wenn der Dienstnehmer dauernd unfähig sei, die vereinbarten Dienste zu leisten. Aus dem Umstand, daß bei verletzungsbedingten Ausfällen des Spielers das Fixum zur Gänze und ein Teil der Prämien weiterliefen, sei nicht zu schließen, daß der beklagte Verein auf die vorzeitige Vertragsauflösung für den Fall verzichtet habe, daß der Spieler aufgrund einer Verletzung die vereinbarten Leistungen während der gesamten Vertragszeit nicht mehr erbringen könne. Der Entgeltfortzahlungsanspruch erlösche im Falle einer berechtigten Entlassung. Schließlich sei die Entlassung auch nicht verspätet ausgesprochen worden, weil der Dienstgeber zuwarten konnte, solange noch eine gewisse Möglichkeit einer Zurückbildung der Unfallsfolgen bestanden habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da dauernde Dienst- bzw Arbeitsunfähigkeit in § 27 Z 2 AngG und in § 82 lit b GewO 1859 als Entlassungsgrund genannt ist, kann auch im vorliegenden Fall (ebenso wie in DRdA 1993, 143) die Frage, ob der Kläger als Arbeiter oder als Angestellter zu qualifizieren ist, dahingestellt bleiben.

Neben dem Entlassungstatbestand nach § 27 Z 2 AngG ist im Angestelltengesetz die Entlassung auch für den Fall der (vorübergehenden) Dienstverhinderung in § 27 Z 5 AngG vorgesehen. Mit dem BG vom 3.7.1975 Nr 418 wurde lediglich der Entlassungstatbestand der vorübergehenden Dienstverhinderung durch die Ausnahmen für Krankheit oder Unglücksfall eingeschränkt; weiters wurde mit Art VIII EFZG BGBl 1974/399 der gleichartige Entlassungstatbestand des § 82 lit h letzter Satzteil GewO 1859 - unverschuldete Arbeitsunfähigkeit von mehr als vier Wochen - außer Kraft gesetzt. Da das EFZG die Entgeltfortzahlung nur bei einer durch Krankheit oder Unglücksfall verursachten (vorübergehenden) Arbeitsverhinderung vorsieht, war es durchaus folgerichtig, daß nicht der Entlassungstatbestand der dauernden Arbeitsunfähigkeit nach § 82 lit b GewO eingeschränkt, sondern lediglich der der vorübergehenden unverschuldeten Arbeitsunfähigkeit (Arbeitsverhinderung) nach § 82 lit h GewO beseitigt wurde. Gegen die analoge Einschränkung auch des Entlassungstatbestandes der dauernden Arbeitsunfähigkeit nach § 82 lit b GewO spricht auch der Ausschußbericht (1188 BlgNR 13.GP 2) - in der RV (1105 BlgNR 13.GP) war Art VIII noch nicht enthalten - , wonach durch die Aufhebung des letzten Satzteiles des § 82 lit h GewO (ebenso wie durch die in Art II und V des Gesetzes enthaltenen Regelungen) einer Entlassung wegen unverschuldeter Arbeitsverhinderung durch Krankheit der Boden entzogen werden sollte. Mit der Novellierung der § 82 lit h GewO wurde daher lediglich der Entlassungsgrund der mehr als vier Wochen dauernden unverschuldeten Arbeitsverhinderung (durch Krankheit oder Unglücksfall) beseitigt, der Entlassungsgrund der dauernden Arbeitsunfähigkeit aber nicht berührt (siehe Runggaldier, Die krankheitsbedingte Kündigung, ZAS 1982, 130 ff [131, insbesondere Anm 3 a] sowie Tomandl, Arbeitsrecht 2, 229; vgl Arb 10.728).

Soweit Binder (Die Beendigung arbeitsvertraglicher Bindungen bei Eintritt dauernder Leistungsunmöglichkeit, in FS-Strasser [1983], 271 ff [273 f]) aus den zitierten Novellierungen des § 27 Z 5 AngG und des § 82 lit h GewO 1859 einen prinzipiellen Ausschluß des vorzeitigen Lösungsrechtes des Arbeitgebers bei durch Krankheit oder Unglücksfall verursachter dauernder Arbeitsunfähigkeit folgert, kann ihm daher ebensowenig gefolgt werden, wie der ähnlichen Argumentation

Florettas (in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 3I 305) und von Mayer-Maly-Marhold (Arbeitsrecht I 193) sowie der nicht näher begründeten Auffassung von Schwarz-Löschnigg (Arbeitsrecht4, 448), Krankheit und Unglücksfall seien unter dem Begriff der Unfähigkeit des im Sinne des § 27 Z 2 AngG nicht subsumierbar. Schließlich läßt sich entgegen der von Martinek-M.uW.Schwarz (Angestelltengesetz7, 622) vertretenen Auffassung aus der Entscheidung Arb 8321 = DRdA 1968, 33 (zust Kuderna) nicht der Rechtssatz erschließen, daß eine durch Krankheit oder Unglücksfall bedingte Arbeitsunfähigkeit dem § 27 Z 2 AngG nicht unterstellt werden könne, da es sich dort um eine (vorübergehende) Dienstverhinderung bzw Minderleistung infolge Krankheit handelte.

Gegen eine Gleichbehandlung dauernder und vorübergehender Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unglücksfall sprechen im übrigen auch die zwischen dauernder und vorübergehender Invalidität bzw Berufsunfähigkeit differenzierenden Regelungen der §§ 254 Abs 1 und 271 Abs 1 ASVG; dem vorzeitigen Auflösungsrecht bei dauernder Arbeitsunfähigkeit entspricht der sofortige Eintritt des Versicherungsfalles im Falle dauernder Invalidität oder Berufsunfähigkeit.

Da die dauernde Arbeitsunfähigkeit demnach unabhängig von ihrer Ursache die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, ist die Frage, ob der Unfall vom 19.8.1991 als Arbeitsunfall zu qualifizieren ist, entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht entscheidungswesentlich.

Zutreffend ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß sich aus den vertraglichen Regelungen über die Entgeltfortzahlung bei verletzungsbedingten Ausfällen des Klägers der Verzicht auf eine vorzeitige Vertragsauflösung für den Fall der dauernden Unfähigkeit des Klägers zur Erbringung der vertraglichen Leistungen nicht erschließen lasse; soweit der Revisionswerber die Rechtzeitigkeit der Entlassung in Zweifel zieht, ist er gleichfalls auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 48 ASGG).

Zu Recht hat schließlich das Berufungsgericht auch einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers gemäß § 9 Abs 3 AngG verneint, weil diese Bestimmung - ebenso wie die übrigen Regelungen der §§ 8 und 9 AngG - die vorübergehende Dienstverhinderung, nicht aber die dauernde Dienstunfähigkeit betrifft.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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