OGH 5Ob150/08g

OGH5Ob150/08g26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. Markus W*****, gegen die beklagte Partei MR Dr. Andreas W*****‑K*****, wegen Anfechtung eines Vergleichs (Streitwert 21.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Jänner 2008, GZ 39 R 324/07x‑28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 22. September 2006, GZ 15 C 338/05v‑22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00150.08G.0826.000

 

Spruch:

Die Akten werden an das Erstgericht zurückgestellt.

Begründung

Das Erstgericht hat das - vom Kläger mit 21.000 EUR bewertete - Klagebegehren auf Feststellung, dass der in den verbundenen Verfahren des Bezirksgerichts Döbling zu 15 C 66/03s und 15 C 319/03x abgeschlossene bedingte Vergleich vom Kläger wirksam widerrufen worden bzw nicht wirksam zustande gekommen sei, abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat der vom Kläger dagegen erhobenen Berufung nicht Folge gegeben. Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR und die Revision sei nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich das als „I. Außerordentliche Revision, II. In eventu, Antrag nach § 508 ZPO und Revision" bezeichnete Rechtsmittel des Klägers. Das Erstgericht hat dieses Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof direkt vorgelegt. Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage:

Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unter- oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS‑Justiz RS0042450; RS0109332; RS0042410; RS0042437; RS0118748; RS0042515).

Eine Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften durch das Berufungsgericht zeigt der Kläger nicht auf. An die vom Kläger vorgenommene Bewertung des Entscheidungsgegenstands ist das Berufungsgericht nicht gebunden (RIS‑Justiz RS0042617; RS0043252; RS0042285). Das Gericht zweiter Instanz ist im Berufungsverfahren auch an seinen Ausspruch über die Bewertung des Entscheidungsgegenstands in einem vorherigen Rekursverfahren innerhalb desselben Rechtsstreits nicht gebunden, weil sich die dafür maßgebliche Beurteilungsgrundlage im Laufe des Verfahrens ändern kann (RIS‑Justiz RS0113070). Eine - offenkundige - Unterbewertung durch das Berufungsgericht kann ebenfalls nicht angenommen werden, hat doch der Kläger selbst den Entscheidungsgegenstand (nur) mit 21.000 EUR bewertet. Da hier insgesamt keine Ausnahme von der Bindung des Obersten Gerichtshofs an den Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts vorliegt, ist die außerordentliche Revision des Klägers unzulässig und es besteht derzeit keine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs.

Die Zulässigkeit des Rechtsmittels ist nach § 508 ZPO zu beurteilen. In den im § 508 Abs 1 ZPO angeführten Fällen, in denen der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand - wie hier - zwar 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt und in denen das Gericht zweiter Instanz ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sei, ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig (§ 502 Abs 3 ZPO). Gemäß § 508 Abs 1 ZPO kann allerdings in einem solchen Fall eine Partei - wie hier (in eventu) erfolgt - einen Antrag an das Rechtsmittelgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Dieser mit dem ordentlichen Rechtsmittel verbundene Antrag ist gemäß § 508 Abs 2 ZPO beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln (RIS‑Justiz RS0109623). Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei - wie hier der Kläger - ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt auch, wenn es als „außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Dieser darf darüber nur bzw erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz nach § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS‑Justiz RS0109623; RS0109501). Das Erstgericht wird daher das Rechtsmittel des Klägers dem Berufungsgericht vorzulegen haben, zu welchem Zweck der Akt an das Erstgericht zurückzustellen war.

Stichworte