OGH 8Ob96/08p

OGH8Ob96/08p5.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul P*****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** - Verein *****, vertreten durch Mag. Felix Sehorz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. November 2007, GZ 39 R 334/07t‑19, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 20. Juli 2007, GZ 28 C 744/06z‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 1.675,98 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 279,33 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

In der auf Mietzinsrückstände für August und September 2006 gestützten Mietzins- und Räumungsklage über ein vom Beklagten gemietetes Geschäftslokal gab der Kläger eine Auflösungserklärung gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB ab. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage an den Beklagten am 3. 1. 2007 waren die Mieten für August und September 2006, die vor Klageeinbringung gemahnt worden waren, bereits bezahlt. In der Verhandlungstagsatzung am 12. 1. 2007 schlossen die Parteien einen bedingten Ratenvergleich über die Zahlung eines nicht näher spezifizierten Kapitals von 18.254,02 EUR. Ein Vorbringen erstatteten die Parteien in dieser Tagsatzung nicht. Insbesondere brachte der Kläger weder vor, dass weitere Zahlungsrückstände vorlägen, noch erklärte er vor Vergleichsabschluss, sein Räumungsbegehren auf diese Rückstände zu stützen. Nach Widerruf des bedingten Vergleichs durch den Kläger - in welchem keinerlei Vorbringen zur Sache erstattet wurde - fanden zwei weitere Verhandlungstagsatzungen am 6. 3. 2007 und am 3. 5. 2007 statt. Zu keinem dieser Zeitpunkte bestand noch ein Mietzinsrückstand des Beklagten. In dieser letzten Streitverhandlung schränkte der Kläger sein Begehren auf „Räumung und Kosten" ein.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle, ob die Räumungsklage nur berechtigt sei, wenn der qualifizierte Rückstand zum Zeitpunkt der konkludenten Erklärung über die Aufrechterhaltung des Räumungsbegehrens noch bestehe.

Der Kläger beantragt in seiner dagegen erhobenen und auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision eine Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, „die Revision nicht zuzulassen"; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig:

Hat der Vermieter - wie hier - vor Einbringung der Räumungsklage die Mietzinsrückstände zwar gemahnt, aber keine außergerichtliche Auflösungserklärung gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB abgegeben, ersetzt die Räumungsklage nach ständiger Rechtsprechung die Auflösungserklärung (RIS‑Justiz RS0021229; 1 Ob 685/90 = SZ 64/127; 8 Ob 74/07a = EvBl 2007/164). Zum Zeitpunkt der Zustellung der Räumungsklage waren allerdings jene Zinsrückstände, auf die sich der Kläger mit seiner Auflösungserklärung stützte, bereits beglichen. In diesem Fall wird die Auflösungserklärung iSd § 1118 zweiter Fall ABGB nicht wirksam (RIS‑Justiz RS0020935; RS0021081).

Nun können nach ständiger Rechtsprechung auch erst im Zuge des Prozesses aufgelaufene Rückstände ein auf § 1118 ABGB gestütztes Räumungsbegehren rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0020952; 1 Ob 685/90). Es bedarf, wenn sich während des Verfahrens neuerliche Zinsrückstände ergeben, keiner neuerlichen ausdrücklichen Erklärung der Vertragsauflösung. In diesem Fall wird in der Fortführung des Räumungsprozesses nach dem Entstehen eines solchen qualifizierten Zinsrückstands der konkludente Ausspruch der Aufhebungserklärung gesehen (3 Ob 556/89 = MietSlg 41.137; 6 Ob 1693/94 = MietSlg 47.134; 7 Ob 248/97i = wobl 1999/115; RIS‑Justiz RS0020978; tw kritisch Würth in Rummel³ § 1118 Rz 19). Im Verfahren aufgelaufene Zinsrückstände können ein zum Zeitpunkt der Klagezustellung nicht berechtigtes Räumungsbegehren jedoch nur dann rechtfertigen, wenn sie wenigstens zu irgendeinem Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens qualifiziert iSd § 1118 zweiter Fall ABGB waren. Überdies muss die zeitliche Abfolge - Mahnung, Nachfristsetzung, Aufhebungserklärung - immer gewahrt bleiben (RIS‑Justiz RS0021072; 2 Ob 50/99p = MietSlg 52.181; 4 Ob 118/07t). Das Räumungsbegehren ist somit nur dann berechtigt, wenn der Rückstand zum Zeitpunkt der Abgabe der Auflösungserklärung (oder der diese ersetzenden Fortführung des Räumungsprozesses) noch bestand. Daran fehlt es hier:

Abgesehen davon, dass die Revision die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass zum Zeitpunkt der Verhandlungstagsatzung am 12. 1. 2007 mangels Mahnung kein qualifizierter Zinsrückstand bestand, nicht in Zweifel zieht, kann im Verhalten des Klägers in der Tagsatzung eine „konkludente" Aufhebungserklärung nicht erblickt werden: Die Parteien schlossen ausschließlich einen bedingten Ratenvergleich, der keine Räumungsverpflichtung enthielt. Der Kläger brachte nicht einmal vor, dass nach Zustellung der Räumungsklage weitere Zinsrückstände aufgelaufen seien. Das gilt auch für den vom Kläger ins Treffen geführten Vergleichswiderruf, in welchem abermals weder ein Vorbringen über Zinsrückstände erstattet noch Bezug auf das Räumungsbegehren genommen wurde. Zum Zeitpunkt der Abhaltung der beiden weiteren Verhandlungstagsatzungen, in welchen der Kläger erstmals im Verfahren ein Vorbringen über weitere Mietzinsrückstände erstattete, die nach Einbringung der Klage fällig wurden, bestanden überhaupt keine Mietzinsrückstände des Beklagten mehr. Da es hier somit an einer zumindest konkludenten Aufhebungserklärung fehlt, die zu einem Zeitpunkt abgegeben wurde, als sich der Beklagte in einem qualifizierten Mietzinsrückstand befand, haben die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit der zitierten ständigen Rechtsprechung das Räumungsbegehren zu Recht abgewiesen. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist damit - abgesehen von der Einzelfallbezogenheit - nicht zu erkennen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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