OGH 16Ok4/08

OGH16Ok4/0816.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Griss als Vorsitzende, die Hofräte Dr. Vogel und Dr. E. Solé sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Bauer und Mag. Reitzner als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin O***** Tourismus, *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wels, und der Amtsparteien Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 2, Praterstraße 31, und Bundeskartellanwalt, Wien 1, Schmerlingplatz 11, wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 30. August 2007, GZ 26 Kt 16/07‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0160OK00004.080.0716.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

 

Die Antragstellerin ist ein österreichweit tätiger Reiseveranstalter mit dem Schwerpunkt auf Radreisen.

Die Antragsgegnerin ist eine nach dem oberösterreichischen Tourismusgesetz errichtete Landestourismusorganisation, die zur allgemeinen Förderung der Tourismus- und der Freizeitwirtschaft in Oberösterreich, insbesondere des Tourismusmarketing, der Tourismusentwicklung, der Schulung und Weiterbildung der Mitarbeiter in den Tourismusorganisationen und sonstiger dem Tourismus und der Freizeitwirtschaft dienender Maßnahmen als Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit eingerichtet wurde. Die Antragsgegnerin ist auch der „Geschäftsapparat" der nach dem Oberösterreichischen Tourismusgesetz 1990 eingerichteten Interessentenbeitragsstelle und hat als solche das für die Führung der Geschäfte erforderliche Personal und die Sacherfordernisse bereitzustellen. Beiträge sind von den „Tourismusinteressenten" im Sinne des Gesetzes für jedes Kalenderjahr zu entrichten, wobei alle natürlichen und juristischen Personen, Personengesellschaften etc beitragspflichtig sind, die in Oberösterreich eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne des § 2 UStG 1994 selbstständig ausüben und ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in einer Gemeinde des Landes haben. Zu diesen gehört auch die Antragstellerin. Das Land Oberösterreich trägt nach Maßgabe der im Voranschlag des Landes für das jeweilige Verwaltungsjahr vorgesehenen Mittel den finanziellen Aufwand der Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin hält 100 % der Geschäftsanteile an der O***** GmbH, deren Gegenstand die Ausübung des Gewerbes des Reisebüros ist, wobei die Vermittlung von Flügen mit überwiegend Nächtigungen der Reiseteilnehmer in Oberösterreich ebenso Unternehmensgegenstand ist wie die Ausübung des Fremdenführergewerbes, des Gewerbes des Reisebetreuers, des Kartenbüros und des Handelsagenturgewerbes. Im Geschäftsbereich „Rad" ist die Vermittlung von Flügen und die Vermittlung und Besorgung von Unterkünften in überwiegend nicht oberösterreichischen Zielgebieten zulässig. Unternehmensziel ist aber insbesondere die Vermittlung von Nächtigungen in Oberösterreich unter Berücksichtigung einer hohen Wertschöpfung. Die O***** GmbH ist gegenüber ihrer Muttergesellschaft, der Antragsgegnerin, sowie deren Tochtergesellschaften ohne gesonderte Auftragserteilung, aber gegen angemessenes Entgelt, weiters verpflichtet, ein Incoming‑Reisebüro für Zwecke des Verkaufs touristischer Produkte Oberösterreichs zu betreiben, aktive und passive Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Mailings, Besuche von Workshops, Kontakte zu Reiseveranstaltern und Reisevermittlern durchzuführen, zu organisieren, zu betreuen und abzuwickeln, „verkaufbare" touristische Produkte für das Bundesland Oberösterreich zu entwickeln, mit externen Partnern zu koordinieren und abzuwickeln sowie Consulting im Rahmen des Unternehmensgegenstands zu betreiben.

Die Antragstellerin brachte als Klägerin gegen die Antragsgegnerin als Beklagte beim Landesgericht Linz zu AZ 3 Cg 82/05x eine auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung gerichtete Klage ein, mit der sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verband. Dem Sicherungsantrag wurde in erster und zweiter Instanz dahin stattgegeben, dass der Antragsgegnerin und dortigen Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Informationen über Radreisen in Oberösterreich, die O***** GmbH gegenüber der Antragstellerin und dort klagenden Partei zu bevorzugen, insbesondere

a) bei Anfragen betreffend Radreisen in Oberösterreich ausschließlich auf die O***** GmbH hinzuweisen und Unterlagen und Prospekte dieser Gesellschaft zu übermitteln, sofern nicht gleichzeitig auch auf die Angebote der Antragstellerin für Radreisen in Oberösterreich hingewiesen werde,

b) bei der Vertretung Oberösterreichs auf Reisebürofachmessen der O***** GmbH die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Auftreten in der Koje zu geben, ohne auch der Antragstellerin diese Möglichkeit einzuräumen.

Mit ihrem kartellrechtlichen Antrag begehrt die Antragstellerin, den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Antragsgegnerin abzustellen und es dieser zu untersagen, die O***** GmbH gegenüber der Antragstellerin zu bevorzugen, insbesondere durch branchenunüblich hohe Eigenkapitalausstattung, Übernahme von Schulungskosten von Mitarbeitern, Übernahme der Kosten oder kostenlose Überlassung von Marktstudien, Übernahme von Werbekostenzuschüssen an Reiseveranstalter, Verkaufsförderungsbeiträge, Übernahme von Inseratkosten für Werbeeinschaltungen, Übernahme von Porto- und Werbemittelkosten, Aufnahme eines unmittelbaren Buchungszugangs in der Website, Übernahme der Kosten für Teilnahme an Fachmessen und Workshops, Erbringung von Dienstleistungen zu fremdunüblich niedrigen Entgelten, zB Buchhaltungsleistungen und Vermietungen, Abgeltung von Leistungen zu einem fremdunüblich überhöhten Entgelt und Beauftragung mit Dienstleistungen ohne Einholung von Gegenangeboten sowie Zurverfügungstellung eines Adressenpools. Überdies wurde beantragt, der Antragsgegnerin aufzutragen, ihre Beteiligung an der O***** GmbH zur Gänze abzugeben.

Die Antragsgegnerin verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 7 B‑VG und fördere in eigener Wettbewerbsabsicht den Wettbewerb ihrer Tochtergesellschaft, von deren wirtschaftlichen Erfolg die Antragsgegnerin als Alleineigentümerin profitiere, dadurch, dass sie Publikumsanfragen für bestimmte Reiseveranstaltungen unmittelbar nur an ihre Tochter weiterleite, diese mit branchenunüblich hohem Eigenkapital ausstatte, ihr als einzige bei internationalen Fachmessen und Workshops zum gemeinsamen Auftritt und damit zur Bewerbung der Produkte quasi Hand in Hand mit dem öffentlich‑rechtlichen Organ der Oberösterreichischen Tourismusförderung Gelegenheit gebe, ihr die Verwendung eines verwechslungsfähigen Emblems erlaube und sie mit der Erbringung von Dienstleistungen zu überhöhten Entgelten und ohne Einholung von alternativen Angeboten beauftrage, bzw ihr gegenüber Dienstleistungen zu fremdunüblich niedrigen Entgelten erbringe, Werbeaufwendungen jeglicher Art finanziere und weitere Begünstigungen gewähre. Damit verfüge die Tochtergesellschaft über Ressourcen, die Mitbewerbern nicht zur Verfügung stünden. Die Antragsgegnerin betreibe mit Mitteln des öffentlichen Kapitals einen Verdrängungswettbewerb ua gegen die Antragstellerin. So habe die Antragsgegnerin im Jahre 2007 einen Prospekt über Radtouren in Österreich versendet, in dem Reisebuchungen bei ihrer Tochtergesellschaft beworben worden seien. Auch durch die mangelnde räumliche Trennung der bei der Antragsgegnerin eingerichteten Interessentenbeitragsstelle entstehe ein Wettbewerbsvorteil der Tochtergesellschaft, die über diesen Umweg zu sämtlichen Umsatzzahlen der Konkurrenz gelange.

Die Nachfrage nach Radurlauben werde durch die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin massiv zugunsten der O***** GmbH manipuliert. Die Antragsgegnerin trete im Wege ihrer Tochtergesellschaft am Markt wirtschaftlich auf und agiere damit entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag abseits der allgemeinen Förderung des Tourismus in Oberösterreich. Sie werde insoweit selbst am Markt tätig, als sie Reisewillige an ihre Tochtergesellschaft vermittle. Die marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin sei gesetzlich definiert und zeige sich darin, dass diese fast alle Tourismusmessen in Deutschland und den Niederlanden mit eigenen Ständen beschicke. Die Tochtergesellschaft habe am Markt des Reisebürogeschäfts, das sei der Markt der Reisevermittlung, nicht aber jener der Reiseveranstaltung, in Oberösterreich einen mehr als 50‑%igen Marktanteil.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Antragstellerin habe ihr Vorbringen aus dem UWG‑Verfahren übernommen, ohne die Besonderheiten eines kartellrechtlichen Verfahrens zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin sei eine Gebietskörperschaft und keine Unternehmerin im Sinne des Kartellrechts bzw mit ihrer Tochter O***** GmbH kartellrechtlich als wirtschaftliche Einheit anzusehen, sodass ein kartellrechtlich relevanter Leistungsaustausch zwischen beiden von vornherein ausscheide. Zum sachlich relevanten Markt sei kein ausreichendes Vorbringen erstattet worden. Auf welchem Markt die Antragsgegnerin bzw ihre Tochtergesellschaft marktbeherrschend sein sollten, bleibe unerfindlich. Die Interessentenbeitragsstelle sei von den Einrichtungen der Antragsgegnerin streng getrennt. Unternehmensziel der Tochtergesellschaft sei die Vermittlung von Nächtigungen in Oberösterreich. Nur im Geschäftsbereich „Rad" sei die Vermittlung in andere Zielgebiete zulässig. Die anderen Geschäftsbereiche, wie zB Gruppentagesreisen zu Landesausstellungen, seien nicht gewinnbringend. Nur in den defizitären Bereichen finde ein Leistungsaustausch zwischen der Tochter und der Antragsgegnerin statt, die ansonsten in diesem Bereich in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags selbst tätig werden müsste. Hier stehe daher die Tourimusförderungspflicht, nicht aber die Gewinnerzielung, im Vordergrund. Der Geschäftsbereich „Rad" werde hingegen von der Antragsgegnerin weder mittelbar noch unmittelbar unterstützt. Publikumsanfragen leite die Antragsgegnerin seit geraumer Zeit nicht mehr an die O***** GmbH weiter, sondern übersende vielmehr eine Liste aller oberösterreichischen Reisebüros. Die Eigenkapitalausstattung sei keineswegs branchenunüblich hoch, die Antragstellerin selbst verfüge über eine Eigenkapitalquote in gleicher Höhe. Bei Messen sei zwischen Fach- und Publikumsmessen zu unterscheiden, nur bei letzteren würden Kataloge für Verbraucher aufgelegt und könnten Reisebüros wie die Antragstellerin als Aussteller selbst teilnehmen. Fachmessen würden dagegen ausschließlich von Reisebüros und Reiseveranstaltern als Besucher frequentiert. Die Antragstellerin sei nie an die Antragsgegnerin mit dem Anliegen herangetreten, in einer gemeinsamen Koje aufzutreten. Auch seien Messen keine „essential facilities", deren Zugang von der Antragsgegnerin kontrolliert werde. Die Verwendung des Emblems gestatte die Antragsgegnerin nicht nur der eigenen Tochter, sondern auch Dritten, die ein berechtigtes Interesse daran haben. Dienstleistungen, wie den Buchungszugang auf der Website der Antragsgegnerin, könne die Antragstellerin deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie - anders als die O***** GmbH - keine Sublizenz für das System „Tiscover" erworben habe. Der genannte „Adressenpool" beinhalte nur Adressen von Tourismusorganisationen und -betreibern, öffentlichen Einrichtungen und Lieferanten, nicht aber von potenziellen Gästen. Der Inhalt des Prospekts „Radtouren in Österreich", werde von der gleichnamigen Arbeitsgemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss festgelegt, insbesondere welche Adressen bei den einzelnen Radtouren angeführt werden. Darin befinde sich ein entgeltlich geschaltetes Inserat der Tochtergesellschaft und ein ebenfalls bezahltes Inserat der Antragstellerin.

Das Erstgericht wies die Anträge ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Die im kartellgerichtlichen Verfahren gestellten Anträge seien im Wesentlichen durch die erlassene einstweilige Verfügung abgedeckt und lediglich die beantragte Entflechtung gehe darüber hinaus. Dies müsse aber nicht näher geprüft werden, weil die Antragstellerin entgegen ihrer Verpflichtung die Umstände, aus denen sich eine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin ableiten lasse, trotz entsprechender Erörterung in einer Tagsatzung nicht ausreichend dargelegt habe. Die behauptete Förderung der Tochtergesellschaft durch Zuwendung von Bar- und Sachmitteln begründe keine Unternehmereigenschaft. Auch gehe aus dem Antragsvorbringen nicht hervor, dass die Antragsgegnerin, selbst wenn man sie als Nachfragerin von Leistungen der O***** GmbH behandle, eine beherrschende Stellung auf dem Markt innehabe, auf dem die O***** GmbH Leistungen erbringe. Die Ausstattung mit öffentlichen Mitteln genüge für sich allein nicht, um der Antragsgegnerin Marktmacht in jeglicher Nachfragefunktion zu verschaffen. Ein Verdrängungswettbewerb mit Mitteln des öffentlichen Kapitals, selbst wenn er sich bewahrheite, sei kartellrechtlich nur zu beanstanden, wenn auf dem Markt, von dem die Antragstellerin verdrängt werden solle, eine marktbeherrschende Stellung der Antragsgegnerin bestünde oder mittels Marktmachttransfers von einem damit eng verbundenen Markt übertragen werde.

Eine Beherrschung eines Marktes durch die Antragsgegnerin sei allenfalls der Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe „die exklusive Möglichkeit, den Radtourismus in Österreich darzustellen und zu bewerben", zu entnehmen. Mangels näherer Angaben bleibe aber offen, auf welchen Werbemittelmarkt sich diese Aussage beziehe, auch das Vorbringen zur „exklusiven Beschickung" von Messen sei nicht ausreichend spezifiziert. Für die Frage der Marktbeherrschung sei maßgeblich, ob und in welchem Ausmaß für vor- oder nachgelagerte Marktstufen Ausweichmöglichkeiten bestehen. Dazu fehle jegliches Vorbringen. Dies gelte auch für jene Dienstleistungen, die die Antragsgegnerin ihrer Tochter gegenüber allenfalls zu fremdunüblich niedrigen Entgelten erbringe. Auch hier werde weder der relevante Markt noch dessen Beherrschung durch die Antragsgegnerin dargelegt.

Das zweifellos marktwirtschaftliche Verhalten der O***** GmbH sei, da diese nicht Antragsgegnerin des Verfahrens sei, nur von Relevanz, wenn es der Antragsgegnerin als Alleingesellschafterin zuzurechnen sei. Auch für die Tochtergesellschaft sei eine marktbeherrschende Position nicht substanziiert behauptet worden. Lediglich im Rahmen der mündlichen Erörterung sei ein mehr als 50‑%iger Marktanteil am Markt des Reisebürogeschäfts (Reisevermittlung) in Oberösterreich behauptet worden. Diese Behauptung sei nicht durch entsprechendes Tatsachenvorbringen untermauert worden. Weder seien die wesentlichen Dienstleistungen des Reisebürogeschäfts noch die wesentlichen Marktteilnehmer und Wettbewerber nach Zahl und Umsätzen dargelegt worden. Es seien auch keine Angaben zu den Abnehmern, also den Kunden, gemacht worden. Auch seien keinerlei Gründe für die geografische Abgrenzung des Marktes mit dem Bundesland Oberösterreich angeführt worden. Für das Vorliegen von Marktmacht sei aber wesentlich die Marktstruktur und die Charakteristik der betroffenen Unternehmen. Die Bereitstellung besonderer Ressourcen könne einer Tochtergesellschaft zwar eine gewisse Unabhängigkeit verleihen, erlaube aber für sich allein keineswegs die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung. Der Antrag sei eher vom Vorwurf des - in der Bevorzugung eines eigenen Unternehmes gelegenen - Missbrauchs einer vom Staat verliehenen Macht als durch den Vorwurf eines Marktmachtmissbrauchs im kartellrechtlichen Sinne motiviert.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss einschließlich des vorangegangenen Verfahrens aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen; in eventu wird die Abänderung im Sinne einer Antragsstattgebung beantragt.

Die Antragsgegnerin und der Bundeskartellanwalt beantragen in ihren Rekursbeantwortungen jeweils, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1. Das Erstgericht hat seine Entscheidung durch zwei Berufsrichter und zwei fachkundige Laienrichter gefällt, wie es der gesetzlichen Regelung über die Zusammensetzung der Senate nach § 59 Abs 1 Z 1 KartG entspricht. Dass das Oberlandesgericht Wien bei dieser Entscheidung als Kartellgericht im Sinne des § 58 Abs 1 KartG tätig wurde, ergibt sich aus der Entscheidung zweifelsfrei. Das Fehlen des Zusatzes „als Kartellgericht" im Kopf der Entscheidung begründet daher weder eine Mangelhaftigkeit noch eine Nichtigkeit. Eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts bei Fassung des Beschlusses, die nach § 58 Abs 4 Z 3 AußStrG jedenfalls zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führen müsste, liegt nicht vor.

2. Nach § 47 KartG hat auf Antrag einer Partei eine Verhandlung stattzufinden. Das Kartellgesetz schreibt nicht vor, in welcher Besetzung eine solche Verhandlung durchzuführen ist. Auch das Außerstreitgesetz, das bei Fehlen einer speziellen Regelung im Kartellgesetz nach dessen § 38 zur Anwendung gelangt, sieht keine obligatorische Verhandlung vor, sondern lässt sogar die Aufnahme von Beweisen außerhalb einer mündlichen Verhandlung zu (vgl § 20 AußStrG). Die Besetzung des Gerichts in einer mündlichen Verhandlung wird ebenfalls nicht festgelegt. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit - der im Übrigen ohnehin nur die Beweisaufnahme betrifft - gilt auch nach dem neuen AußStrG nicht zwingend (Fucik/Kloiber AußStrG § 31 Rz 4). Weder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, noch die Aufnahme von Beweisen vor dem Kartellgericht muss daher in vollständiger Senatsbesetzung durchgeführt werden. Dafür spricht auch § 52 Abs 2 AußStrG, der für das - regelmäßig in Senatsbesetzung entscheidende - Rekursgericht ausdrücklich die Durchführung der Rekursverhandlung, und zwar auch zur neuerlichen Aufnahme von in erster Instanz unmittelbar aufgenommenen Beweisen, durch einen beauftragten Richter des Rekursgerichts für zulässig erklärt. Nach der Regierungsvorlage wird zur Wahrung eines nicht ausufernden Unmittelbarkeitsprinzips die persönliche Wahrnehmung eines beauftragten Richters aus dem Senat für ausreichend erachtet (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG § 198). Keineswegs müssen daher, wie der Rekurs meint, an der Verhandlung des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht „begrifflich" sämtliche Senatsmitglieder teilnehmen. Dies umso weniger, wenn die Verhandlung, wie im vorliegenden Fall, lediglich der Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens und der Einräumung der Möglichkeit zur Schlüssigmachung des Vorbringens der Antragstellerin dient.

Es ist daher auch hier weder ein Verstoß gegen die Besetzungsvorschriften, noch gegen die Geschäftsverteilung erkennbar.

3. Das Kartellgesetz enthält keine Bestimmungen über allgemeine Inhaltserfordernisse von Anträgen. Es ist daher auf § 9 AußStrG zurückzugreifen, wonach der Antrag zwar kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen muss, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit angestrebt und aus welchem Sachverhalt dies abgeleitet wird. Auch wenn das Außerstreitgesetz an die Bestimmtheit und den notwendigen Inhalt geringere Anforderungen stellt als die ZPO, ist immer ein Sachverhaltsvorbringen, aus dem sich die begehrte Entscheidung ableiten lässt, somit Schlüssigkeit des Vorbringens, erforderlich. Dazu müssen Behauptungen zu den Elementen des geltend gemachten Tatbestands aufgestellt werden. Für den hier von der Antragstellerin relevierten Marktmachtmissbrauch nach §§ 4 ff KartG sind einerseits die Marktbeherrschung durch den oder die Antragsgegner und andererseits der Missbrauch dieser Stellung Voraussetzung. Marktbeherrschung nach § 4 KartG ist anzunehmen, wenn ein Unternehmer, sei es als Anbieter oder Nachfrager, keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung inne hat, wobei das Gesetz insbesondere auf Finanzkraft, Beziehungen zu anderen Unternehmern, Zugangsmöglichkeiten zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, sowie Umstände verweist, die den Marktzutritt für andere Unternehmer beschränken.

Zentrales und in jedem Kommentar zur Marktbeherrschung behandeltes Element der Marktbeherrschung ist die Abgrenzung des relevanten Marktes sowohl in sachlicher als auch in räumlicher, gegebenenfalls auch in zeitlicher Hinsicht, um überhaupt prüfen zu können, ob ein Unternehmen keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist (vgl Vartian in Petsche/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz § 4 Rz 11 ff, Hoffer, Kartellgesetz Kommentar § 4 Punkt 1.4.; Reidlinger/Hartung, Das Österreichische Kartellrecht 108 ff).

4. Der sachlich relevante Markt wird nach dem sogenannten Bedarfsmarktkonzept ermittelt. Dieses sieht als maßgebliches Kriterium die Substituierbarkeit der Waren bzw Dienstleistungen untereinander vor, die immer aus Sicht der Marktgegenseite zu ermitteln ist (16 Ok 9/01; RIS‑Justiz RS0116046; Hoffer, Kartellgesetz Kommentar § 4 Punkt 1.4.1.). Produkte, die aus Sicht der Marktgegenseite nicht der Deckung desselben Bedarfs dienen, gehören nicht demselben sachlich relevanten Markt an.

Derselbe Markt liegt vor, wenn sich die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen in ihrem für die Deckung desselben Bedarfs wesentlichen Eigenschaften von anderen wenig unterscheiden, sich also - aus Sicht des Bedarfsträgers der Marktgegenseite - beliebig gegeneinander austauschen lassen (16 Ok 20/04 - Multiplex I, 16 Ok 14/04 - Postzeitungsversand; 16 Ok 11/04 - TickTack Freiminuten uva). Entscheidend ist die funktionelle Austauschbarkeit der Waren (16 Ok 9/01 - W‑Beteiligungsgesellschaft I; 4 Ob 90/99k - Jahresbonus; 4 Ob 165/98p - Reparatur von Leasingfahrzeugen uva; RIS‑Justiz RS0116046; Einzelfälle und Beispiele der sachlichen Marktabgrenzung siehe zB Hoffer, Kartellgesetz Kommentar § 4 Punkt 1.4.1; Reidlinger/Hartung, Das neue österreichische Kartellrecht, 111; Gruber, Österreichisches Kartellrecht § 4 Kartellgesetz 2005 E 40 ff).

5. In räumlicher Hinsicht umfasst der relevante Markt das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet (Reidlinger/Hartung, Das neue österreichische Kartellrecht, 113; Hoffer, Kartellgesetz Kommentar § 4 Punkt 1.4.2. mit Beispielen; Einzelfälle in Gruber, Österreichisches Kartellrecht § 4 Kartellgesetz 2005 E 92 ff).

6. Als marktbeherrschend ist ein Unternehmen dann anzusehen, wenn es in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, in dem es die Möglichkeit hat, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und von den Verbrauchern zu verhalten (16 Ok 46/054 Ob 165/98p - Reparatur von Leasingfahrzeugen; 4 Ob 90/99k - Jahresbonus; Gruber, Österreichisches Kartellrecht § 4 Kartellgesetz 2005 E 140 ff).

7. Diesen Anforderungen wird das eingangs detailliert geschilderte Vorbringen der Antragstellerin in keiner Weise gerecht, beschränkt es sich doch - wenn auch weitwändig - auf die Schilderung des Verhältnisses zwischen der Antragsgegnerin und ihrer Tochtergesellschaft und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Antragstellerin selbst, ohne in irgendeiner Weise darauf einzugehen, welchen - nach dem Bedarfsmarktprinzip abzugrenzenden - relevanten Märkten das Tätigkeitsfeld der Antragsgegnerin bzw ihrer Tochtergesellschaft zuzurechnen ist, welche weiteren Marktteilnehmer es auf diesen Märkten gibt, welche Umsätze diese Marktteilnehmer zumindest größenordnungsmäßig erzielen und welche Marktanteile ihnen daher zugeordnet werden können.

8. Auf dieses Manko hat bereits die Antragsgegnerin in ihren erstinstanzlichen Äußerungen hingewiesen. Es wurde auch vom Erstgericht zum Anlass genommen, dies in einer Tagsatzung mit der Antragstellerin zu erörtern und ihr Gelegenheit zur Verbesserung ihres Antrags zu geben. Der Vertreter der Antragstellerin hat allerdings zum sachlich relevanten Markt nur auf die - wie bereits dargelegt - unzureichenden schriftlichen Ausführungen verwiesen und lediglich zur Tochtergesellschaft ergänzt, sie habe „am Markt des Reisebürogeschäfts in Oberösterreich" einen mehr als 50‑%igen Marktanteil. Offen bleibt, inwiefern es einen Markt des Reisebürogeschäfts in dieser Allgemeinheit gibt (vgl hiezu die Differenzierung der Märkte in der Entscheidung des EuG in der Sache Airtours/First Choice, T‑342/99), ob und warum ein solcher allenfalls bestehender Markt räumlich mit dem Bundesland Oberösterreich abgegrenzt werden kann und wer die übrigen Teilnehmer auf diesem Markt sind.

Das Erstgericht ist daher zu Recht von der mangelnden Schlüssigkeit auch des in der mündlichen Verhandlung ergänzten Vorbringens der Antragstellerin ausgegangen.

9. Damit kommt es nicht mehr auf die im Rechtsmittel relevierte Frage der Unternehmereigenschaft der Antragsgegnerin im Sinne des Kartellgesetzes oder darauf an, ob die im parallelen UWG‑Verfahren ergangene einstweilige Verfügung ausreichenden Rechtsschutz für die Antragstellerin bietet.

10. Im Rekurs erstattet die Antragstellerin nunmehr Vorbringen zum sachlich und räumlich relevanten Markt und zur Stellung der Antragsgegnerin bzw ihrer Tochtergesellschaft auf diesem, das als unzulässige Neuerung zu qualifizieren ist. Soweit nämlich Tatsachen und Beweismittel, die zur Zeit des Beschlusses erster Instanz schon vorhanden waren, erst im Rechtsmittel vorgebracht werden, sind sie im Rekursverfahren nach § 49 Abs 2 AußStrG nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der Partei schon vor Erlassung des Beschlusses hätten vorgebracht werden können, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung oder Unterlassung des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt. Nach § 66 Abs 2 AußStrG können im Revisionsrekursverfahren neue Tatsachen und Beweismittel nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Revisionsgründe vorgebracht werden.

Da die Antragstellerin und Rekurswerberin keinerlei Vorbringen dazu erstattet, warum es sich bei der Unterlassung des Rekursvorbringens im erstinstanzlichen Verfahren um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt haben soll, kann die Frage, ob für das kartellgerichtliche Rekursverfahren die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes über die Neuerungserlaubnis im Rechtsmittelverfahren anzuwenden sind, dahingestellt bleiben. Die Neuerungen sind jedenfalls unbeachtlich.

11. Damit sind aber auch die weiteren im Rekurs aufgezeigten Umstände (Informationsmonopol der Antragsgegnerin, Bevorzugung der Tochtergesellschaft bei Erstellung von Tourismusstudien, Finanzierung der Antragsgegnerin, Kapitalausstattung der Tochtergesellschaft) nicht mehr entscheidungsrelevant, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

12. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 KartG; eine mutwillige Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung liegt nicht vor.

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