OGH 5Ob88/08i

OGH5Ob88/08i14.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Barbara L*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin Sonja M*****‑L*****, vertreten durch Dr. Heinrich Nesvadba, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 37 Abs 1 Z 2, 6 Abs 1, 3 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Dezember 2007, GZ 38 R 217/07d‑12, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 25. Juni 2007, GZ 17 Msch 15/07a‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der ordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Die Antragstellerin (Mieterin) begehrte von der Antragsgegnerin (Liegenschaftseigentümerin)

1. die konsensmäßige Statik des Hauses durch einen Bausachverständigen zu überprüfen, allfällige notwendige Erhaltungsarbeiten zur Herstellung der konsensmäßigen Statik infolge der aufgetretenen Rissstellen durchzuführen und

2. nach Feststellung der konsensmäßigen Statik die aufgetretenen Risse im Haus kraftschlüssig zu verschließen sowie das Mauerwerk in ursprünglichem Zustand unter Berücksichtigung der durchgeführten Ausmalung wiederherzustellen.

Das Erstgericht wies den Antrag mit der wesentlichen Begründung ab, dass die Antragsgegnerin nach Einverleibung eines Fruchtgenussrechts ob ihrer Liegenschaft nicht mehr passivlegitimiert sei.

Das Rekursgericht teilte diese Rechtsansicht und gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Das Rekursgericht sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - zur Frage der Passivlegitimation für Erhaltungsarbeiten nach § 3 MRG bei Begründung eines Fruchtgenussrechts noch nicht ausdrücklich Stellung genommen habe.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem sinngemäßen Antrag, sie zum Zwecke neuerlicher Entscheidung durch das Gericht zweiter oder erster Instanz aufzuheben.

Die Antragsgegnerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs der Antragstellerin nicht stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

Der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG) - Ausspruch des Rekursgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 MRG) nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG):

1.1. Die Antragstellerin tritt der Rechtsansicht des Rekursgerichts entgegen, wonach das Erstgericht die mangelnde Passivlegitimation der Antragsgegnerin auch ohne deren ausdrücklichen Einwand wahrnehmen habe dürfen. Diese Rechtsmeinung des Rekursgerichts sei durch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs belegt und widerspreche nach Ansicht der Antragstellerin der Parteienmaxime, die in den nach § 37 Abs 3 MRG durchzuführenden Verfahren gelte. Das Erstgericht habe auch ohne die Wahrnehmung des nunmehrigen Abweisungsgrunds ein Beweissicherungsverfahren durchgeführt.

1.2. Das vorliegende Verfahren ist ein solches nach § 37 Abs 1 Z 2 MRG. Für das Verfahren über die in § 37 Abs 1 MRG genannten Angelegenheiten gelten die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit den in § 37 Abs 3 MRG angeführten Besonderheiten. Zur Sammlung von Entscheidungsgrundlagen enthält § 37 Abs 3 MRG für die mietrechtlichen Außerstreitverfahren keine Sonderregelung, weshalb die allgemeinen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes gelten. Nach § 16 Abs 1 AußStrG hat das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden, und es hat sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend zu berücksichtigen.

1.3. Die Antragstellerin hat dem an die Schlichtungsstelle gerichteten, verfahrenseinleitenden Antrag einen Grundbuchsauszug angeschlossen, aus dem das ob der Liegenschaft einverleibte Fruchtgenussrecht ersichtlich war. Die Berücksichtigung dieser Tatsache entspricht damit eindeutig dem klaren Wortlaut des § 16 Abs 1 AußStrG. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG stellt sich insoweit nicht (RIS‑Justiz RS0042656). Eine allenfalls abweichende Beurteilung der Passivlegitimation durch das Erstgericht in einem vorangegangenen Beweissicherungsverfahren hat hier keine bindende Wirkung.

2.1. Die Antragstellerin hält - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - die Antragsgegnerin als Liegenschaftseigentümerin und Vertragspartnerin bei Abschluss des Mietvertrags für passivlegitimiert. Die gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung der hier von der Antragstellerin reklamierten, substanzerhaltenden Arbeiten treffe den Hauseigentümer und nicht den Fruchtnießer. Die Einverleibung des Fruchtgenussrechts sei erst nach Abschluss des Mietvertrags erfolgt, weshalb sich die Antragstellerin nicht an einen anderen Vertragspartner verweisen lassen müsse.

2.2. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht dem in ständiger Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsatz, wonach der Fruchtnießer mit der Begründung des Fruchtgenusses im Sinn des § 1120 ABGB (iVm § 509 ABGB) in bestehende Bestandverträge eintritt (RIS‑Justiz RS0011849 [T2]; RS0069898 [insb T1]; vgl auch RS0011877; Binder in Schwimann³ § 1120 ABGB Rz 22; Koch in KBB², § 509 ABGB Rz 5). Der Fruchtnießer wird zum Bestandgeber, ohne dass es einer Verständigung des Mieters vom Bestandgeberwechsel bedürfte. Es handelt sich um eine vom Willen der Beteiligten unabhängige, kraft Gesetzes wirksam werdende Übernahme des Bestandvertrags (5 Ob 90/01y mwN = MietSlg 53.255 = immolex 2001/159, 294; Binder in Schwimann³ § 1120 ABGB Rz 13), mit der der Fruchtnießer zum Bestandgeber wird (6 Ob 368/97d = MietSlg 49.162) samt allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten (vgl RIS‑Justiz RS0011877; Koch in KBB², § 509 ABGB Rz 5; Iro, aaO, § 1120 ABGB Rz 5). Unberührt von dieser Rechtsnachfolge bleiben zwar jene vertraglichen Pflichten des bisherigen Bestandgebers gegenüber dem Bestandnehmer, die sich aus seiner Rechtsstellung als Hauseigentümer ergeben und nicht die dem Fruchtnießer zustehende Nutzung und Verwaltung der Sache betreffen (8 Ob 678/90 [Unterfertigung eines Bauansuchens] = WoBl 1992/3, 11 = MietSlg 42.093); der erkennende Senat hat allerdings bereits zu 5 Ob 83/93 (= MietSlg 46.231) entschieden, dass der Exekutionstitel, der zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten verpflichtet (§ 6 Abs 2 MRG), auch den Einzelrechtsnachfolger (dort: Ersteher der Liegenschaft) bindet, weil diese Entscheidung rechtsgestaltend in den bestehenden Mietvertrag eingreift und prinzipiell einerseits auf den Vermieter, andererseits auf den Mieter einer bestimmten Liegenschaft abstellt. Diese Überlegung muss auch im vorliegenden Fall gelten. Die Durchführung von Erhaltungsarbeiten widerstreitet auch nicht den dem Fruchtnießer gegenüber dem Eigentümer zustehenden Rechten und Pflichten, ist jener doch zur Schonung der Substanz verpflichtet (vgl RIS‑Justiz RS0088537 [T2]; Koch in KBB², § 509 ABGB Rz 1; Hofmann in Rummel³, § 509 ABGB Rz 3). Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht demnach bereits bestehenden Judikaturgrundsätzen, von denen abzugehen die Ausführungen im Revisionsrekurs keinen Anlass geben; insbesondere betrifft die dort angezogene Judikatur (1 Ob 149/56 = EvBl 1956/231, 433; 1 Ob 304/60 = JBl 1961, 321) das hier nicht zu beurteilende Rechtsverhältnis zwischen Eigentümer und Fruchtnießer.

Infolge Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 37 Abs 3 MRG) ist der Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen.

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