OGH 7Ob79/08f

OGH7Ob79/08f23.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtsssache der klagenden Partei Dr. Marion K*****, Kauffrau, *****, gegen die beklagte Partei Rechtsanwaltskammer Wien, Rotenturmstraße 13, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, hilfsweise Zahlung von 6.314,96 EUR, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 31. Dezember 2007, GZ 5 R 200/07d-14, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6. August 2007, GZ 54 Cg 91/06h-10 abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin war in den Jahren 1980 bis 2003 in der Rechtsanwaltsliste eingetragen. Am 8. 10. 2003 wurde sie daraus wegen Abweisung eines Konkursantrags mangels kostendeckenden Vermögens gestrichen. Ihren Antrag auf Abrechnung und aliquote Rückzahlung ihrer Zahlungen für die Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien nach Teil A deren Satzung die Übertragung der Zahlungen an eine andere Pensionskasse oder Zahlung einer Pension sowie auf Auszahlung ihrer Zahlungen für Teil B der Satzung („Zusatzpension Neu") wies der Ausschuss der beklagten Kammer mit Bescheid vom 15. 6. 2004 ab.

Dieser Bescheid wurde mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. 11. 2005, Zl 2004/06/0120 aufgehoben. Mit Beschluss vom 23. 3. 2006 entschied daraufhin der Ausschuss der Beklagten, die Ansprüche der Klägerin auf Auszahlung ihres Kontostands betreffend Teil B („Zusatzpension Neu") dem Grunde nach anzuerkennen und hinsichtlich des auch den Teil A („Umlagen-Pension") betreffenden Antrags der Klägerin gesondert zu beschließen. Die Höhe ihres Guthabens wurde der Klägerin mit 6.469,56 EUR abzüglich Verwaltungskosten von 154,60 EUR mitgeteilt.

Da die Beklagte aber bereits am 13. 1. 2006 aufgrund fälliger Beitrags- und Umlagenrückstände der Klägerin einen Rückstandsausweis über 23.455,32 EUR erlassen hatte, erklärte sie die Aufrechnung dieser seit Jahren bestehenden Rückstände gegen das Kontoguthaben der Klägerin und nahm damit eine teilweise Tilgung des titulierten Beitragsrückstands der Klägerin vor (Brief vom 1. 6. 2006). Die Klägerin widersprach der Aufrechnung unter Hinweis auf angeblich ältere (bereits in den Jahren 2000 bis 2003 begründete) Pfandrechte ihrer Mutter an den künftigen Pensionsansprüchen. Außerdem erklärte sie die Aufrechnung ihrer „Schadenersatzansprüche aus der ungerechtfertigten Aufrechterhaltung des Berufsverbots entgegen den Bestimmungen des § 19 Abs 1 Z 4 DSt 1990 bis zur Höhe der Forderung der Beklagten laut Rückstandsausweis vom 13. 1. 2006" und urgierte schließlich die Zahlung an ihre Mutter.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 29. 6. 2006 und 24. 8. 2006 jeweils die von der Klägerin geforderte Zahlung ab. In der daraufhin erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass

„1. die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung der zu leistenden Rückzahlung der 'Zusatzpension Neu' von 6.314,96 EUR mit ihrer Forderung gegen die Klägerin von 23.455,32 EUR unzulässig ist,

2. an von der Beklagten an die Klägerin zu leistenden Pensionszahlungen oder einer an deren Stelle zu leistenden Rückzahlung „Pension Teil A" ältere vorrangige Pfandrechte für Gerda B***** bestehen, aufgrund derer eine Aufrechnung mit der Forderung der Beklagten von derzeit 23.455,32 EUR bis zur Höhe der Verpfändung unzulässig ist".

Nach Einschränkung der Verhandlung auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs und auf die Prüfung der Zulässigkeit eines Feststellungsbegehrens stellte die Klägerin noch das „Alternativbegehren", die Beklagte zur Zahlung von 6.314,96 sA an Gerda B***** zu verpflichten.

Das Erstgericht erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Klägerin mache Pensionsansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Die Feststellungsklage diene nur der Lösung einer Vorfrage, die ausschließlich für eine dem Verwaltungsverfahren vorbehaltene Entscheidung maßgebend sein könne.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Rechtsanwaltskammern seien Körperschaften öffentlichen Rechts. Davon, dass die gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche öffentlichen Rechts nicht gerichtlich geltend gemacht werden können, gehe die Klägerin selbst aus. Der ordentliche Rechtsweg sei daher für das Leistungsbegehren unzulässig. Es fehle auch das für das Feststellungsbegehren erforderliche rechtliche Interesse. Dies unabhängig davon, ob die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung im Ermittlungsverfahren als Vorfrage im Sinn des § 38 AVG oder als Hauptfrage zu beurteilen sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und erachtete den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil der Zulässigkeit einer Feststellungsklage „im hier gegenständlichen Sinn" über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Rekurs stattgegeben werde. Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ab.

Die Revisionsrekurswerberin beruft sich darauf, eine Leistungsklage, in der auch der Pfandrang geklärt werden könnte, sei „unstrittig nicht zulässig", und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs gegen eine „in Briefform erklärte Aufrechnung" ebenfalls nicht. Für die Klägerin, der ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Pfandrangs zuzubilligen sei, bestehe daher nur die Möglichkeit, eine Feststellungsklage einzubringen.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Es entspricht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass

Rechte oder Rechtsverhältnisse, für deren Durchsetzung der Rechtsweg

unzulässig ist, auch im Wege der Feststellung nicht vor die

ordentlichen Gerichte gebracht werden können. Mangels ausdrücklicher

Zulassung des ordentlichen Rechtswegs gilt dies für alle

Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts (RIS-Justiz RS0039162 = 3

Ob 255, 256/75 = JBl 1977, 600 [hinsichtlich des Übergangs der

Verpflichtung zur Zahlung einer Abgabenschuld vom Erblasser auf die Verlassenschaft]; 8 Ob 544/92 [hinsichtlich des Feststellungsbegehrens, eine verhängte Wertersatzstrafe sei erloschen]).

Auch die Feststellungsklage bezüglich eines Rechtskomplexes, der - wie hier - für eine ausschließlich dem Verwaltungsverfahren vorbehaltene Entscheidung maßgebend ist, ist somit unzulässig (stRsp; RIS-Justiz RS0001477 = 6 Ob 319/62 [negatives Feststellungsbegehren bezüglich eines Oppositionsgrundes zu einem durch Verwaltungsbescheid begründeten Entschädigungsanspruch]; 1 Ob 580/83 = SZ 56/61 [Feststellungsausspruch, mit dem die fehlende organschaftliche Zustimmung der betroffenen Agrargemeinschaften ersetzt werden soll, obwohl darüber nur die Agrarbehörde zu befinden hat]). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und der Klagssachverhalt (also die Klagsbehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584; RS0045718; 1 Ob 89/07f).

Dass es sich bei den vermögensrechtlichen Ansprüchen der Klägerin um solche des öffentlichen Rechts handelt, gesteht der Revisionsrekurs selbst zu. Wie schon das Rekursgericht zutreffend aufzeigt, geht auch die Klage davon aus, dass die fraglichen Pensionsansprüche im Gerichtsverfahren nicht geltend gemacht werden können und dass „eine Klage auf Zahlung daher nicht möglich" sei. Demgemäß entspricht es aber der dargestellten Rechtsprechung, wenn die Vorinstanzen nicht nur das „alternativ" erhobene Leistungsbegehren, sondern die gesamte Klage, also auch das Feststellungsbegehren mangels Rechtswegzulässigkeit zurückgewiesen haben:

Der Revisionsrekurs zieht daher zu Recht gar nicht in Zweifel, dass dann, wenn - wie hier - sowohl über die Verpflichtung zur Berichtigung der Beitrags- und Umlagenrückstände der Klägerin als auch über deren Kontoguthaben jeweils im Verwaltungsverfahren zu entscheiden war, in gleicher Weise auch die Entscheidung über die Frage zu treffen ist, ob die Beklagte eine wirksame Aufrechnung zwischen der vorgeschriebenen Verpflichtung aus dem Rückstandsausweis und dem Guthaben auf dem Konto der Klägerin vorgenommen hat (vgl 3 Ob 255, 256/75 = JBl 1975, 600 [zur allein von den Steuerbehörden zu entscheidenden Frage, ob bei Gesamtrechtsnachfolge auch die Abgabenschuld übergeht] und jüngst: 10 ObS 25/08m [wonach es der Absprache der Verwaltungsbehörde über die zum Zeitpunkt der Aufrechnung - unter Einbeziehung des Umstands, dass der Kläger einen Zwangsausgleich abgeschlossen und offensichtlich auch erfüllt hat - offene Beitragsschuld bedarf, weil es nicht in der Hand der Gerichte liegt, eine derartige, von der Verwaltungsbehörde zu treffende Entscheidung gleichsam zu substituieren]).

Der Revisionsrekurs ist somit zurückzuweisen, weil die Beurteilung dieses Einzelfalls keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf und im Rechtsmittel auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO angesprochen wird; letztlich macht die Klägerin nämlich nur geltend, dass sie die Aufrechnungserklärung „in Briefform" nicht beim Verwaltungsgerichtshof anfechten könne. Damit kann aber, selbst wenn dies zuträfe (vgl jedoch RIS-Justiz RS0085681; 10 ObS 1/02y = SZ 74/23 und 10 ObS 2/01v = SZ 2002/11 [wo näher ausgeführt wird, wann zB das bloße Mitteilungs- oder Verständigungsschreiben eines Sozialversicherungsträgers an einen Versicherten als Bescheid zu werten ist]), der Mangel der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht saniert werden.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

In der Revisionsrekursbeantwortung hat die Beklagte auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Klägerin nicht hingewiesen und auch nicht dessen Zurückweisung beantragt; sie hat daher die Kosten ihrer nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035962; RS0035979).

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