OGH 1Ob89/07f

OGH1Ob89/07f22.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Solvejg P*****, vertreten durch Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde L*****, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen Herstellung einer Wasserversorgung (Streitwert EUR 35.000,-) und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,-), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 17. Jänner 2007, GZ 15 R 252/06y-17, womit der Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 25. September 2006, GZ 6 Cg 31/06b-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der in seinem Punkt 2) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Bestätigung der Zurückweisung des Hauptbegehrens laut Punkt 1) der Klage bestätigt.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden jedoch hinsichtlich der Zurückweisung des Eventualbegehrens zu Punkt 1) der Klage samt den Kostenentscheidungen aufgehoben. Insoweit wird dem Erstgericht die Sachentscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft im Gebiet der beklagten Gemeinde. Sie brachte vor, die Beklagte habe durch Kanalgrabungen in unmittelbarer Nähe der Liegenschaft der Klägerin, und zwar in einer gegen die in der wasserrechtlichen Bewilligung enthaltenen Auflagen verstoßenden Weise (unzulässige Betonierung), den Hausbrunnen der Klägerin zum Versiegen gebracht. Insbesondere „gemäß Auflage 12" des Wasserrechtsbescheids und § 364a ABGB sei die Beklagte daher zum - verschuldensunabhängigen - Schadenersatz verpflichtet. Die Schadenersatzansprüche umfassten zunächst einmal die Wiederherstellung einer angemessenen Wasserversorgung der Liegenschaft. Soweit derzeit feststellbar, sei eine Reparatur des Brunnens oder das Bohren eines neuen Brunnens technisch nicht möglich. Einzig denkbare Schadenswiedergutmachung sei daher der Anschluss an die gemeindeeigene öffentliche Wasserversorgungsleitung. Als einziger Wasserversorger im Gemeindegebiet sei die Beklagte zudem Monopolist und aus diesem Grund verpflichtet, die Liegenschaft der Klägerin zu angemessenen Bedingungen an die Wasserleitung anzuschließen. Eine weitere Rechtsgrundlage für den klägerischen Anspruch bilde § 5 des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes 1978. Sie stütze ihr Begehren auf alle denkbaren Rechtsgründe, insbesondere auch auf Schadenersatz wegen grob schuldhaften Verhaltens der Beklagten.

Die Klägerin begehrte somit,

1) die Beklagte schuldig zu erkennen, die Wasserversorgung ihrer Liegenschaft binnen 8 Wochen an die gemeindeeigene Trinkwasserleitung anzuschließen, hilfsweise, die Liegenschaft mit einer Trinkwasserversorgung für den Bedarf eines Einfamilienhauses zu versehen, und

2) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden der Klägerin aus der Beeinträchtigung der Wasserversorgung ihrer Liegenschaft.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin wendeten unter anderem die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs ein. Die Klägerin behaupte Verstöße gegen den wasserrechtlichen Bescheid und leite daraus Ansprüche ab. Diesbezüglich sei die Wasserrechtsbehörde und nicht das ordentliche Gericht zuständig.

Die Klägerin replizierte hiezu, dass es sich um ein mehrfaches Klagebegehren handle. Dieses werde auf Schadenersatz und die Bestimmung des „§ 364 ABGB" gestützt und sei außerdem auf die Herstellung eines Wasseranschlusses gemäß § 7 Wasserleitungsanschlussgesetz sowie „auf die Feststellung von künftigen Schäden" gerichtet. Zusätzlich sei das Klagebegehren auch gestützt auf die Monopolstellung der Gemeinde in diesem Bereich. Eine solche Klage sei im ordentlichen Rechtsweg zu verhandeln. Das Erstgericht wies das Klagebegehren in dessen Punkt 1) (samt Eventualbegehren) wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und verwarf diese Einrede hinsichtlich Punkt 2) des Klagebegehrens. Die Klägerin wolle nicht Schadenersatz im Sinne einer Naturalrestitution - insbesondere durch Wiederherstellung bzw. Sanierung des versiegten Brunnens - erwirken, sondern einen gerichtlichen Ausspruch über eine Anschlussverpflichtung der Beklagten für das Grundstück der Klägerin an die Trinkwasserversorgung. Das Verfahren zur Erlangung eines solchen Anschlusses sei aber im NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 geregelt und habe im Verwaltungsweg stattzufinden, sodass die (Verwaltungs-)Behörde über einen solchen Antrag auf Anschluss mit Bescheid entscheide. Der Rechtsweg sei daher gemäß § 1 JN für einen derartigen, ausdrücklich im öffentlichen Recht geregelten Anspruch nicht zulässig. Bei Zurückweisung des Hauptbegehrens wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs sei auch ein Eventualbegehren zurückzuweisen. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs sei jedoch hinsichtlich des Klagebegehrens in dessen Punkt 2) nicht gegeben. Diesbezüglich handle es sich um einen „klassischen Schadenersatzanspruch".

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen die Zurückweisung des ersten Teils des Klagebegehrens nicht Folge, erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs insoweit für zulässig, und wies im Übrigen die Rekurse der Beklagten und der Nebenintervenientin gegen die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs im Hinblick auf Punkt 2) des Klagebegehrens - unangefochten - zurück. Es sei zu prüfen, ob der Anschluss an eine öffentliche Wasserleitung auch außerhalb des Bestehens eines Anschlusszwangs iSd NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes der Verwaltung zugewiesen sei. Dies sei zu bejahen: Das NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 gelte für Gemeindewasserleitungen, die von einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband betrieben werden. Es regle den Anschluss an eine gemeindeeigene Wasserleitung, wenn kein Anschlusszwang bestehe. Gemäß § 2 Abs 1 leg cit könne für Liegenschaften, für die ein Anschlusszwang im Sinne des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes nicht bestehe, auf Grund eines schriftlichen Antrags des Eigentümers der Anschluss an die Gemeindewasserleitung im Rahmen deren Leistungsfähigkeit bewilligt werden. Daraus ergebe sich, dass - obschon die hier von der Klägerin herangezogenen Rechtsgründe (auch) dem Privatrecht zuzuordnen seien - im konkreten Fall die Entscheidungsbefugnis durch die Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 (§ 18) den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zugewiesen worden sei, welche sich für die im Rahmen dieser Bestimmungen ihnen zufallenden Aufgaben der Rechtsform des Bescheids und nicht etwa der des „verwaltungsrechtlichen Vertrags" bedienten. Auch soweit ein Anschlusszwang nicht gegeben sei, werde daher der „Antrag" eines Eigentümers auf Anschluss an die Gemeindewasserleitung sowie dessen „Bewilligung" hoheitlich geregelt. Zutreffend habe das Erstgericht daher das unter Punkt 1) der Klage erhobene Hauptbegehren wie auch „das diesem zugeordnete" Eventualbegehren, welches „im Zweifel nicht auch für den Fall der Zurückweisung des Hauptbegehrens gestellt" gelte, zurückgewiesen. Der Revisionsrekurs sei gemäß § 528 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob für ein auch auf § 364a ABGB gegründetes Begehren auf Anschluss einer Liegenschaft an eine gemeindeeigene Wasserleitung der Rechtsweg zulässig sei, nicht vorliege.

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig und zum Teil berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin führte in ihrer Rechtsmittelschrift aus, dass der Rechtsweg wohl nur dann ausgeschlossen sei, wenn eine Norm den geltend gemachten Anspruch auf den Verwaltungsrechtsweg verweise. Das NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz nenne allerdings „den Rechtsgrund Schadenersatz" für einen Anschluss an das Wasserleitungsnetz nicht, weshalb der geltend gemachte Anspruch im ordentlichen Rechtsweg zu erheben sei.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin entgegneten, dass die bloße Bezeichnung eines Anspruchs als „Schadenersatzanspruch" nicht ausreiche, um die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zu bewirken. Vielmehr sei zu prüfen, ob es sich bei dem als „Schadenersatzanspruch" etikettierten Begehren auch tatsächlich um einen solchen Anspruch handle, was im konkreten Fall eindeutig zu verneinen sei. Die Klägerin mache keinen Schadenersatz geltend, auch keine Naturalrestitution, sondern ihr Begehren richte sich auf die Herstellung eines Wasserleitungsanschlusses. Ein derartiger Verschaffungsanspruch sei aber „mit zivilrechtlichem Instrumentarium auf Grund der Klagsbehauptungen nicht fassbar".

Dazu ist auszuführen:

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist; es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584, RS0045718).

Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden. Es besteht daher für diese Rechtsstreitigkeiten eine Generalklausel zu Gunsten der Zivilgerichte. Soll von der Zuständigkeit der Gerichte eine Ausnahme geschaffen werden, muss sie in den hiefür erforderlichen „besonderen Gesetzen" klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (RIS-Justiz RS0045474; 1 Ob 193/01s).

Art 94 B-VG schließt nicht aus, dass aus demselben Sachverhalt privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Ansprüche abgeleitet werden, über die einerseits die Gerichte, andererseits die Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045497). Gemäß § 5 NÖ Wasserleitungsanschlussgesetz 1978 hat das Wasserversorgungsunternehmen unbeschadet der ihm als Wasserberechtigtem obliegenden Verpflichtungen die Liegenschaften, für die Anschlusszwang besteht, anzuschließen und die angeschlossenen Liegenschaften im Rahmen der Leistungsfähigkeit seiner Wasserversorgungsanlage mit Wasser zu versorgen. Nach § 7 leg cit hat der Eigentümer einer Liegenschaft, für die Anschlusszwang besteht, den Wasserbezug unter Bekanntgabe der voraussichtlich benötigten Wassermenge und des Verwendungszwecks bei der Behörde anzumelden und diese hat erforderlichenfalls die höchstzulässige Wasserentnahme und den Verwendungszweck des entnommenen Wassers mit Bescheid zu bestimmen.

Gemäß § 2 Abs 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 kann für Liegenschaften, für die ein Anschlusszwang im Sinne des NÖ Wasserleitungsanschlussgesetzes nicht besteht, auf Grund eines schriftlichen Antrags des Eigentümers der Anschluss an die Gemeindewasserleitung im Rahmen der Leistungsfähigkeit bewilligt werden.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall zunächst für das Hauptbegehren zu Punkt 1) der Klage Folgendes:

Da die Natur des geltend gemachten Anspruchs für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgeblich ist, kann der bloßen Bezeichnung des Anspruchs als Schadenersatzbegehren keine Bedeutung zukommen, ist doch der Anspruch auf Bewilligung eines Anschlusses an die Gemeindewasserleitung - mit oder ohne Anschlusszwang - in den oben dargestellten Verwaltungsnormen detailliert geregelt. Somit liegt sehr wohl eine Verweisung auf den Verwaltungsrechtsweg vor. Das Hauptbegehren zu Punkt 1) der Klage ist daher öffentlich-rechtlicher Natur, was insoweit die Unzulässigkeit des Rechtswegs begründet. Zum Eventualbegehren zu Punkt 1) der Klage ist grundsätzlich auszuführen, dass nach herrschender Judikatur und Lehre auch bei Zurückweisung des Hauptbegehrens über ein Eventualbegehren zu entscheiden ist (8 ObA 231/99z mwN). Auf die in der Entscheidung 6 Ob 543/91 wiedergegebene Ansicht, dass nicht eindeutig formulierte Eventualbegehren eher nur für den Fall der Ab- als den der Zurückweisung des Hauptbegehrens gestellt gelten sollten, muss im vorliegenden Fall nicht eingegangen werden, weil sich aus dem Inhalt der Klage zweifelsfrei ergibt, dass es der Klägerin in erster Linie um die Wiederherstellung einer Wasserversorgung ihrer Liegenschaft geht und dass sie bei jeglichem Misserfolg das gestellte Eventualbegehren in Behandlung gezogen wissen wollte. Das Begehren, die Liegenschaft mit einer Trinkwasserversorgung für den Bedarf eines Einfamilienhauses zu versehen, zielt auf die Herbeiführung jener Lage ab, die vor dem schädigenden Ereignis gegeben war und stellt somit eine Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB dar (vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1323 Rz 1). Diesbezüglich handelt es sich somit um ein Schadenersatzbegehren, für dessen Durchsetzung der Rechtsweg offen steht. Es ist daher über dieses Eventualbegehren zu verhandeln und zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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