Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Der Kläger ist Hälfteeigentümer des Hauses *****. Der Beklagte hat dieses Bestandobjekt beginnend mit April 2000 um einen monatlichen Mietzins von ursprünglich 7.000 S gemietet.
Der Kläger begehrte zunächst im Verfahren 2 C 145/04d einen im Zeitraum 1. 7. 2002 bis 1. 12. 2003 aufgelaufenen Mietzinsrückstand von 3.720 EUR sA. Nach der Währungsumstellung mit 1. 1. 2002 hätten die Parteien einvernehmlich eine Änderung des Mietzinses auf 510 EUR vereinbart. Sofern der Beklagte die Mietzinse vollständig bezahlt habe, seien diese auch in Höhe von 510 EUR überwiesen worden. Im Verfahren 2 C 150/04i begehrte der Kläger aufgrund des im Verfahren 2 C 145/04d gegenständlichen Mietzinsrückstands gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB die Räumung des Bestandobjekts.
Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, der monatliche Mietzins von 7.000 S betrage umgerechnet 508,71 EUR. Eine Wertsicherung sei nicht vereinbart worden. Das Bestandobjekt weise diverse Mängel auf, die den Beklagten zur Mietzinsminderung, und zwar zunächst auf die Hälfte, ab Jänner 2002 sogar auf Null berechtigten. Sollte ein Zahlungsrückstand bestehen, treffe den Beklagten kein grobes Verschulden gemäß § 33 Abs 2 MRG.
Nach Verbindung der beiden Verfahren schlossen die Streitteile am 20. 9. 2004 einen Vergleich mit folgendem Inhalt:
„1. Der Beklagte verpflichtet sich, das Objekt *****, samt Garten, Garage und Werkstätte bis längstens 30. 9. 2005 zu räumen und geräumt von seinen Fahrnissen an den Kläger zu übergeben.
2. Der Beklagte verpflichtet sich weiters, bis zur Räumung des Objekts einen monatlichen Mietzins von eingeschränkt 400 EUR an den Kläger zu bezahlen.
3. Der Kläger verpflichtet sich, dem Beklagten zu seinem Auszug eine Übersiedlungshilfe in Höhe von 1.000 EUR zu bezahlen sowie die erliegende Kaution in Höhe von 1.000 EUR im Falle der ordnungsgemäßen Übergabe des Objekts im derzeit bestehenden Zustand jeweils Zug um Zug zur Übergabe zu bezahlen.
4. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten zwischen den Streitteilen aus dem gegenständlichen Bestandsverhältnis bereinigt und verglichen.
5. Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einem der Streitteile bis zum 5. 10. 2004 bei Gericht einlangend widerrufen wird."
Mit am 30. 9. 2004 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz erklärte der Vertreter des Beklagten den Vergleichswiderruf. Dieser Schriftsatz wurde den Klagevertretern gemäß § 112 ZPO zugestellt. Mit am 29. 10. 2004 beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz erklärte der Vertreter des Beklagten:
„Mit Schriftsatz vom 29. 9. 2004 wurde der Vergleich vom 20. 9. 2004 widerrufen. Hiemit zieht die beklagte Partei den Widerruf zurück, sodass der abgeschlossene Vergleich in Rechtskraft erwächst."
Dieser Schriftsatz wurde den Klagevertretern am 26. 11. 2004 mit dem vom Erstgericht gesetzten Beisatz „mit dem Ersuchen um Stellungnahme binnen einer Woche" zugestellt. Eine aktenkundige Reaktion des Klägers bzw der Klagevertreter erfolgte nicht.
Am 29. 12. 2004 erteilte das Erstgericht dem Vergleich die Bestätigung der Vollstreckbarkeit. Über Antrag des Beklagten wurde mit Beschluss vom 11. 11. 2005 diese Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Vergleichs gemäß § 7 Abs 3 EO aufgehoben.
Nach dem Vergleich bezahlte der Beklagte zweimal die vereinbarten Beträge von 400 EUR, einmal für September 2004, einmal für Dezember 2004. Der Beklagte äußerte gegenüber dem Kläger nie, dass der Vergleich nicht wirksam wäre. Dem Beklagten war am 8. 7. 2005 (bei seiner Einvernahme als Partei im Verfahren 2 C 508/05p des Bezirksgerichts Oberndorf) weder bekannt, warum der Vergleich widerrufen, noch, warum der Widerruf des Vergleichs wiederum zurückgezogen worden war. Es war am 8. 7. 2007 für den Beklagten auch neu, dass der Vergleich wiederum nicht gelte.
Im nach dem Vergleich im Jahr 2005 weiter betriebenen Verfahren erster Instanz brachte der Kläger vor, der rechtzeitige Widerruf des Vergleichs habe zwar den Eintritt der prozessrechtlichen Wirkung des Vergleichs und damit das Entstehen des Exekutionstitels verhindert. Der vom Beklagten später abgegebenen Erklärung, den Widerruf zurückzuziehen, um die Wirkungen des Vergleichs wieder eintreten zu lassen, komme aber rechtsgeschäftlicher Charakter zu. Im Hinblick auf diese erwähnten materiellrechtlichen Wirkungen des Vergleichs sei daher im fortzusetzenden Verfahren auf Basis des Vergleichsabschlusses ein Urteil zu fällen. Aufgrund zwischenzeitlich weiter aufgelaufener offener Mietzinse (von 400 EUR pro Monat aufgrund des Vergleichs) für den Zeitraum Oktober 2004 bis Jänner 2007 dehnte der Kläger das Zahlungsbegehren unter Berücksichtigung diverser Teilzahlungen des Beklagten auf 8.399 EUR aus.
Der Beklagte entgegnete, selbst wenn man entgegen dem eigenen Prozessstandpunkt davon ausgehen sollte, dass durch die Rückziehung des Vergleichswiderrufs ein bürgerlichrechtlicher Neuerungsvertrag zustandegekommen sei, stelle der Antrag des Beklagten vom 1. 9. 2005 auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs 3 EO eine Zurückziehung der ursprünglichen Zurückziehung dar. Überdies wären gemäß Punkt 4 des Vergleichs sämtliche wechselseitigen Forderungen aus dem gegenständlichen Bestandverhältnis bereinigt und verglichen, weshalb der Kläger keine zusätzlichen Zahlungsforderungen stellen könne.
Das Erstgericht gab sowohl dem Räumungsbegehren als auch dem ausgedehnten Klagebegehren zur Gänze statt. Es traf die bereits referierten Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 49/90 sei zwar durch die Rückziehung des Vergleichswiderrufs die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs aufgehoben. Die materiellrechtliche Wirkung sei aber weiterhin aufrecht. Im Vergleich vom 20. 9. 2004 sei also ein bürgerlichrechtlicher Vertrag zu erblicken, auf den sich beide Streitteile stützen könnten. Nach der Lehre vom Doppeltatbestand des Vergleichs berühre der Mangel auf der einen (hier: der prozessrechtlichen) Seite nicht die andere (hier: die materiellrechtliche) Seite. Durch den Vergleich seien auch alle bisherigen Einwendungen vor dem Datum des Vergleichsabschlusses abgeschnitten, weil sie mitverglichen und mitbereinigt worden seien. Das Bestandverhältnis sei aufgrund des Vergleichs mit 30. 9. 2005 beendet, der Beklagte sei seither in Räumungsverzug. Die Weiterbenützung sei daher titellos, weshalb ein Benützungsentgelt begehrt werden könne. Aufgrund der titellosen Benützung könnten aber auch keine Einwendungen gemacht werden, die sich auf das Bestandrecht des ABGB oder des MRG stützten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung wegen Nichtigkeit Folge, hob mit Beschluss das Urteil des Erstgerichts einschließlich des ab der Klagsänderung in der Verhandlung vom 10. 1. 2007 geführten Verfahrens hinsichtlich des Zahlungsbegehrens von 2.700 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 1. 2007 als nichtig auf und wies das Klagebegehren in diesem Umfang zurück. Dieser Beschlussteil erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.
Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung Folge, hob das Urteil des Erstgerichts hinsichtlich des Räumungsbegehrens und des Zahlungsbegehrens von 5.699 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 1. 2007 sowie die Kostenentscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, eine einseitige Erklärung könne keine rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit auslösen. Selbst der Entscheidung 3 Ob 49/90 sei nämlich nur zu entnehmen, dass einer später abgegebenen Erklärung, den Vergleichswiderruf zurückzuziehen, um die Wirkungen des Vergleichs wieder eintreten zu lassen, nur noch rechtsgeschäftlicher Charakter zukomme. Dass der Widerruf des Vergleichswiderrufs unmittelbar die materiellrechtliche Wirksamkeit des zunächst bedingt abgeschlossenen Vergleichs herbeiführe, werde in dieser Entscheidung nicht erwähnt. Dies wäre ganz allgemein nur dann der Fall, wenn der andere Vertragspartner bei Abschluss des Vergleichs oder danach verbindlich zum Ausdruck gebracht hätte, im Fall eines durch die Gegenseite getätigten Vergleichswiderrufs auch weiterhin an sein Vergleichsanbot gebunden zu sein. Dafür mangle es jedoch im vorliegenden Fall an jeglichem Behauptungs- und Beweissubstrat seitens des Klägers, sodass in Entsprechung der Berufungsausführungen im vom Beklagten getätigten Widerruf seines Vergleichswiderrufs nur das Angebot auf Abschluss eines neuen Vergleichs gesehen werden könne, das erst vom Kläger angenommen hätte werden müssen. Gerade dieser Umstand sei jedoch im erstinstanzlichen Verfahren überhaupt nicht erörtert worden. Das Erstgericht werde dem Kläger Gelegenheit geben müssen, konkret vorzubringen, in welcher Form er das Vergleichsangebot des Beklagten angenommen habe.
Weiters werde zu beachten sein, dass sich der Kläger hinsichtlich des Räumungsbegehrens nach dem Akteninhalt bislang nicht auf den Vergleich vom 20. 9. 2004 berufen habe, sodass bei unveränderter „Vorbringenslage" nähere Feststellungen zum Räumungstatbestand des § 1118 zweiter Fall ABGB zu treffen sein würden.
Hinsichtlich des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses ließ das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der materiellrechtlichen Wirksamkeit eines bedingt abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs im Fall des Widerrufs eines Vergleichswiderrufs fehle.
Gegen den Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge im Umfang der Anfechtung das Urteil des Erstgerichts wiederherstellen.
Der Beklagte beantragt in der Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung hat der gerichtliche Vergleich zugleich den Charakter eines zivilrechtlichen Vertrags und einer Prozesshandlung. Er kann nicht resolutiv, wohl aber suspensiv bedingt abgeschlossen werden (RIS‑Justiz RS0032587). Der rechtzeitig erhobene Widerruf verhindert den Eintritt der prozessrechtlichen Wirkung des Vergleichs (und damit das Entstehen eines Exekutionstitels). Einer später abgegebenen Erklärung, den Widerruf zurückzuziehen und die Wirkungen des Vergleichs wiedereintreten zu lassen, kommt nur rechtsgeschäftlicher Charakter zu, sie kann aber nicht mehr die durch den Widerruf beseitigte Wirksamkeit des Vergleichs wiederherstellen (3 Ob 49/90 = RIS‑Justiz RS0037366). Ob, wie dies das Oberlandesgericht Linz (EFSlg 101.964) vertreten hat, der Vergleich rechtswirksam wird und prozessbeendigend wirkt, wenn er zwar widerrufen, der Widerruf aber noch innerhalb der Widerrufsfrist wieder zurückgenommen wird, kann hier dahingestellt bleiben; im vorliegenden Fall wurde die Zurückziehung des Widerrufs erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erklärt.
Mit den Vorinstanzen ist daher festzuhalten, dass der von den Parteien am 20. 9. 2004 abgeschlossene Vergleich als gerichtlicher Vergleich nicht wirksam wurde.
Bei Unwirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs wegen einer beigesetzten Resolutivbedingung ist über die materielle Wirksamkeit des Vergleichs mit Urteil zu erkennen (RIS‑Justiz RS0032587 [T4]).
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass sich aus der Entscheidung 3 Ob 49/90 nicht ableiten lässt, dass der Widerruf des Vergleichswiderrufs unmittelbar die materiellrechtliche Wirksamkeit des zunächst bedingt abgeschlossenen Vergleichs herbeiführt.
Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, eine über den Vergleichswiderruf hinausreichende Bindung des Vertragspartners des Widerrufenden an die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vorliegende Erklärung, den Vergleich abschließen zu wollen, anzunehmen.
Anderes könnte dann gelten, wenn der nicht widerrufende Vertragspartner bei Abschluss des Vergleichs oder allenfalls danach ausdrücklich oder in einer gemäß § 863 ABGB zweifelsfreien Weise schlüssig zum Ausdruck gebracht hat, im Fall eines durch die Gegenseite getätigten Vergleichswiderrufs auch weiterhin (allenfalls für eine bestimmte Frist) an sein Vergleichsangebot gebunden zu sein.
Im vorliegenden Fall wurden derartige Umstände weder vom Kläger behauptet noch vom Erstgericht festgestellt. Zutreffend hat daraus das Berufungsgericht geschlossen, dass mit der vom Beklagten erklärten Zurückziehung des Vergleichswiderrufs der Vergleich nicht perfekt wurde, sondern darin ein Offert des Beklagten an den Kläger auf neuerlichen Abschluss desselben Vergleichs liegt. Dieses Offert müsste zum (neuerlichen) Zustandekommen des Vergleichs vom Kläger ausdrücklich oder schlüssig iSd § 863 ABGB angenommen werden.
Der Kläger argumentiert in seinem Rekurs sinngemäß, er habe sich im (weiteren) erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf die materiellen Wirkungen des Vergleichs berufen, worin zumindest eine konkludente Annahmeerklärung iSd § 863 ABGB zu sehen sei. Er habe sich an den Vergleich selbst binden wollen, zumal er den Vergleich ja nicht widerrufen habe. Er habe sich auch nach Zustellung des Schriftsatzes über die Zurückziehung des Vergleichswiderrufs nicht gegen den Eintritt der Wirkungen dieses Vergleichs ausgesprochen. Vielmehr habe er durch die Einholung der Bestätigung der Rechtswirksamkeit und Exekutionsführung kundgetan, dass er sich sehr wohl an den Vergleich gebunden fühle.
Dass diesen Verhaltensweisen des Klägers der objektive Erklärungswert zukommen kann, er wolle das in der Zurückziehung des Widerrufs durch den Beklagten gelegene Anbot auf Abschluss des ursprünglichen Vergleichs annehmen, ist nicht zweifelhaft. Der Kläger übersieht dabei jedoch, dass seine Annahmeerklärung innerhalb der von den §§ 862 f ABGB vorgegebenen Fristen abgegeben und dem Beklagten auch zugekommen sein müsste.
Gemäß § 862 ABGB muss der Antrag (das Offert) innerhalb der vom Antragsteller bestimmten Frist angenommen werden. Mangels einer solchen muss der einem Anwesenden oder mittels Fernsprechers von Person zu Person gemachte Antrag sogleich, der sonst einem Abwesenden gemachte Antrag längstens bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragsteller unter der Voraussetzung, dass sein Antrag rechtzeitig angekommen sei, bei rechtzeitiger und ordnungsmäßiger Absendung der Antwort deren Eintreffen erwarten darf; widrigenfalls ist der Antrag erloschen. Gemäß § 862a ABGB gilt die Annahme als rechtzeitig, wenn die Erklärung innerhalb der Annahmefrist dem Antragsteller zugekommen ist. Trotz ihrer Verspätung kommt jedoch der Vertrag zustande, wenn der Antragsteller erkennen musste, dass die Annahmeerklärung rechtzeitig abgesendet wurde, und gleichwohl seinen Rücktritt dem andern nicht unverzüglich anzeigt.
Der Schriftsatz, mit dem der Vergleichswiderruf durch den Beklagten zurückgezogen wurde, wurde den Klagevertretern am 26. 11. 2004 zugestellt. Die erste Bezugnahme des Klägers auf die materiellrechtlichen Wirkungen des Vergleichs findet sich erst in seinem beim Erstgericht am 5. 12. 2005 eingelangten (dem Beklagtenvertreter gemäß § 112 ZPO zugestellten) Schriftsatz ON 24. Diese mehr als ein Jahr nach Zustellung des Schriftsatzes über die Zurückziehung des Widerrufs abgegebene Erklärung des Klägers liegt zweifellos nicht mehr innerhalb der Bindungsfrist.
Soweit sich der Kläger in seinem Rekurs darauf beruft, er habe sich nach Zustellung des Schriftsatzes über die Zurückziehung des Vergleichswiderrufs nicht gegen den Eintritt der Wirkungen dieses Vergleichs ausgesprochen, ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung Schweigen auf ein Vertragsanbot grundsätzlich keinen Erklärungswert hat und somit auch nicht Zustimmung bedeutet (RIS‑Justiz RS0047273, RS0014124; vgl auch RS0013991). Stillschweigen bedeutet nur dort Zustimmung, wo Gesetz, Verkehrssitte oder Treu und Glauben eine Pflicht zum Handeln auferlegen (RIS‑Justiz RS0014122), wo der nicht Zustimmende nach Treu und Glauben oder nach der Verkehrssitte hätte reden müssen (RIS‑Justiz RS0013958; RS0016507) oder wenn der Erklärungsempfänger dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann (RIS‑Justiz RS0014126). Diese Fälle liegen hier aber nicht vor.
Bei Auslegung des Erklärungsverhaltens des Klägers könnte aber bedeutsam sein, dass nach den erstgerichtlichen Feststellungen der Beklagte nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs zweimal die im Vergleich vereinbarten Beträge von 400 EUR (und nicht den ursprünglich vereinbarten Mietzins von 7.000 S bzw 508,71 EUR bzw 510 EUR), und zwar einmal für September 2004, einmal für Dezember 2004, bezahlt hat. Mit den Parteien wird zu erörtern sein, ob der Kläger diese Zahlungen angenommen und ob er sich darüber in irgendeiner Weise gegenüber dem Beklagten geäußert hat.
Der Kläger bringt im Rekurs vor, er habe die Bestätigung der Rechtswirksamkeit hinsichtlich des Vergleichs eingeholt. Auch darin könnte ein gemäß § 863 ABGB zu beachtendes Erklärungsverhalten in Hinblick auf die Annahme des (in der Zurückziehung des Widerrufs liegenden) Vergleichsofferts zu erblicken sein, sofern dieses Verhalten innerhalb der Annahmefrist gesetzt und dem Beklagten bzw den Beklagtenvertretern zur Kenntnis gebracht worden sein sollte.
Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts ist daher das erstinstanzliche Verfahren hinsichtlich der Frage der Annahme des in der Zurückziehung des Widerrufs gelegenen Offerts des Beklagten durch den Kläger ergänzungsbedürftig.
Der Beklagte bringt in der Rekursbeantwortung vor, aus dem Schriftsatz, in dem der Widerruf zurückgezogen wurde, ergebe sich sein Wunsch, dass der abgeschlossene Vergleich in Rechtskraft erwachse, also prozessrechtlich wirksam werde. Der Schriftsatz ziele deshalb offensichtlich nur auf die prozessrechtliche Wirkung ab und nicht auf eine rechtsgeschäftliche.
Diese erstmals in der Rekursbeantwortung aufgestellte Behauptung über die mit der Zurückziehung des Vergleichwiderrufs verfolgten Absichten des Beklagten verstößt gegen das Neuerungsverbot. Darüber hinaus hätten derartige Absichten des Beklagten keine Relevanz:
Ein Prozessvergleich kann prozessual unwirksam sein, als materielles Rechtsgeschäft kann er aber wirksam sein, sofern nicht ganz ausnahmsweise ausschließlich prozessuale Wirkungen beabsichtigt wurden (RIS‑Justiz RS0032546 [T2]).
Klicka in Fasching/Konecny², §§ 204, 206, Rz 7 - 9, führt aus, aus der Sicht der Parteien sei mit Abschluss eines Prozessvergleichs regelmäßig ein materiellrechtlicher Vergleich verbunden, ein Prozessvergleich dürfe nicht völlig losgelöst von seiner materiellrechtlichen Bedeutung behandelt werden. Für die Parteien sei auch bei einem Prozessvergleich letztlich die materielle Bereinigungswirkung von ganz entscheidender Bedeutung. Man könne den Prozessvergleich nicht ohne Zugrundelegung einer Bereinigungswirkung (vgl § 1380 ABGB) verstehen (Rz 7). Auch der Prozessvergleich baue auf dem materiellrechtlichen Vergleichsgeschäft des § 1380 ABGB auf. Der Prozessvergleich sei demnach zugleich materieller Vergleichsvertrag und Prozesshandlung (Rz 8). Dass der Prozessvergleich regelmäßig ein materielles Vergleichsgeschäft enthalte, schließe nicht aus, in Ausnahmefällen bei übereinstimmendem, eindeutigem Parteiwillen eine sogenannte „abstrakte Prozessbeendigungvereinbarung" als (untypischen) Vergleich zuzulassen, mit der die Parteien eine schlichte Prozessbeendigung erreichen könnten, ohne dass sie damit eine inhaltliche materiellrechtliche Regelung herbeiführten und ohne sich dazu des Instruments der einverständlichen Klagsrücknahme zu bedienen, wenngleich diese Fälle eher selten Bedeutung hätten (Rz 9).
In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen in Rechtsprechung und Lehre ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass Parteien, die einen Prozessvergleich abschließen, damit gleichzeitig einen materiellrechtlichen Vergleich gemäß § 1380 ABGB abschließen wollen. Sollten die Parteien ausnahmsweise mit einem Prozessvergleich nur prozessrechtliche, jedoch keine materiellrechtlichen Wirkungen erzielen wollen, so müssten die Parteien diesen Umstand in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise (§ 863 ABGB) zum Ausdruck bringen. Davon kann jedoch bei der Erklärung der Zurückziehung des Widerrufs durch den Beklagten keine Rede sein.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts bedürfen nur in einem einzigen Punkt einer Korrektur: Der Kläger hat sich im Verfahren nach Vergleichsabschluss wiederholt (ON 24, 32) auf den Vergleich vom 20. 9. 2004 berufen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat sich der Kläger damit aber nicht bloß auf bestimmte Teile des Vergleichs, sondern auf den (ganzen) Vergleich als solchen berufen. Er hat unter Berufung auf diesen Vergleich in der Verhandlung vom 10. 1. 2007 in sein dort neuerlich formuliertes Klagebegehren auch das Räumungsbegehren aufgenommen. Die Absicht des Klägers, sich auch hinsichtlich des Räumungsbegehrens auf den Vergleich zu stützen, ist daher nicht zweifelhaft. Es bedarf daher dazu keiner weiteren Erörterungen oder eines weiteren Vorbringens des Klägers.
Der Kostenvorbehalt gründet sich § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)