OGH 6Ob127/07f

OGH6Ob127/07f13.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Susanne F*****, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der E***** GmbH, *****, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, wegen EUR 10.000 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 19. Februar 2007, GZ 3 R 8/07d-17, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. November 2006, GZ 22 Cg 6/06k-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte, welche einen Elektrowarengroßhandel betreibt, verkaufte der Gemeinschuldnerin, einem Elektroinstallationsbetrieb, mehrere Jahre hinduch Elektroinstallationsmaterial. Das vereinbarte Zahlungsziel betrug stets 60 Tage bei 5 % Skonto und 90 Tage netto. Mitte 2003 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin, wodurch es zu Zahlungsverzögerungen kam. Da der Saldo trotz geleisteter Teilzahlungen weiter anwuchs, vereinbarten die Gemeinschuldnerin und die Beklagte im Oktober 2004 eine Umstellung auf Barzahlung, eine Kontosperre und eine Abdeckung des fälligen Saldos mit Wechseln. In weiterer Folge übermittelte die beklagte Partei der Gemeinschuldnerin 24 Wechsel über je EUR 5.000, fällig jeweils am 15. eines Monats. Die Fälligkeit begann mit 15. November 2004 und endete am 15. Oktober 2006. Die Wechsel wurden von der Gemeinschuldnerin unterzeichnet und an die Beklagte retourniert, die die Wechsel mit dem Verfallsdatum 15. 11. bzw 15. 12. 2004 bei ihrer Hausbank diskontierte.

Die Gemeinschuldnerin war jedenfalls seit 13. 8. 2004 zahlungsunfähig.

Die Klägerin ficht - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - gemäß §§ 28, 30 Abs 1 Z 1 und Z 3 und § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO die „Begebung der Wechsel vom 28. 10. 2004 sowie die aufgrund der Einlösung von zwei Wechseln erfolgten Zahlungen von je EUR 5.000 am 18. 11. 2004 und am 15. 12. 2004" an. Dazu brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin jedenfalls ab 13. 8. 2004 gekannt. Eine Begebung von Wechseln sei vor diesem Zeitpunkt nicht vereinbart worden und in der Elektrobranche auch nicht üblich. Durch die Einlösung der zwei Wechsel habe die Beklagte am 18. 11. und 15. 12. 2004 eine inkongruente Befriedigung im Ausmaß von EUR 10.000 erlangt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine Kenntnis der beklagten Partei von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin sei nicht feststellbar. In der Elektrogroßhandelsbranche seien sowohl die Begebung von Wechseln als auch Zahlungsüberschreitungen von mehreren Monaten nicht außergewöhnlich. Weder Benachteiligungs- noch Begünstigungsabsicht lägen vor. Die Anfechtung nach § 31 Abs 2 KO scheitere daran, dass der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlungen weder bekannt war noch bekannt sein hätte müssen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Das Anwachsen des Gesamtsaldos von EUR 68.190,89 (8. 9. 2003) auf zunächst knapp EUR 78.500 (13. 1. 2004) und schließlich auf EUR 112.129,63 (11. 8. 2004) bildete einen Krisenindikator. Die Zahlungsverzögerungen setzten jedoch erst Mitte 2003 ein; bis dahin habe die Gemeinschuldnerin die vereinbarten Zahlungsziele mehrere Jahre hindurch stets eingehalten. Im Hinblick darauf müsse der Beklagten zugebilligt werden, bis weit in das Jahr 2004 hinein auf eine Normalisierung der Geschäftsbeziehung zu vertrauen, zumal die Gemeinschuldnerin auch während des Anwachsens des Saldos beträchtliche Zahlungen in Gesamthöhe von mehr als EUR 83.870,77 geleistet habe. Für die Beklagte gelte als Warenlieferer ein milderer Maßstab als für Finanzämter und Banken (RIS-Justiz RS0064794 [T6]); sie habe nicht die Möglichkeit, einen verlässlichen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschuldnerin zu erhalten. Zusammenfassend könne der Beklagten daher keine fahrlässige Unkenntnis der materiellen Insolvenz vorgeworfen werden.

Die Hingabe eines akzeptierten Wechsels durch den späteren Gemeinschuldner werde in SZ 8/334 als inkongruente Sicherstellung im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO qualifiziert, wenn sie weder als verkehrsüblich noch als unter den Parteien gewöhnlich angesehen werden könne. In 1 Ob 63/69 und 6 Ob 183/75 stelle der Oberste Gerichtshof hingegen allein darauf ab, ob die Wechselhingabe in der konkreten Geschäftsbeziehung gebräuchlich gewesen sei. Im hier zu beurteilenden Fall bestehe nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür, dass Wechselhingaben zwischen der späteren Gemeinschuldnerin und der Beklagten bereits vor dem Oktober 2004 üblich gewesen seien. Dass eine solche Vorgangsweise in der Elektrogroßhandelbranche generell nicht außergewöhnlich sei, sage über die in Rede stehende konkrete Geschäftsbeziehung nichts aus.

Zu beachten sei jedoch, dass eine Wechselhingabe die Konkursgläubiger nur insoweit benachteiligen könne, als sich die Verstärkung der zugrunde liegenden Kausalforderung durch die zusätzliche, wechselmäßige Verpflichtung tatsächlich auswirke (Kirchhof in MünchKommInsO [2002] § 131 Rz 35). Dies könne der Fall sein, wenn der Masseverwalter die Forderung aus dem Grundgeschäft bestreiten möchte und im bevorstehenden Prüfungsprozess einen Beweisnotstand befürchte, mit welchem er ohne die Hingabe des Wechsels nicht konfrontiert werde. Im vorliegenden Fall bestehe allerdings kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die den beiden Wechseln zugrunde liegenden Forderungen dem Grunde oder der Höhe nach anzweifle. Damit liege aber weder eine Gläubigerbenachteiligung noch eine Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung vor (König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung3 Rz 5/2 ff und Rz 5/18 ff). Damit könne die Hingabe der Wechsel nicht erfolgreich angefochten werden.

Die auf die Wechselhingabe folgende Diskontierung sei nicht angefochten worden. Im Übrigen seien die Zahlungen, welche die Beklagte als Indossantin dabei lukriert habe, nicht aus dem Vermögen der späteren Gemeinschuldnerin geleistet worden, sondern aus dem Vermögen einer Bank (Indossatarin), die nach der Aktenlage nicht Schuldnerin der späteren Gemeinschuldnerin gewesen sei. Damit liege aber ein bloßer Gläubigerwechsel vor, der nach einhelliger Ansicht befriedigungsuntauglich sei (RIS-Justiz RS0110262; RS0064410; König, Anfechtung3 Rz 5/8 mwN).

Die „Einlösung" der Wechsel könne gemäß § 33 Abs 1 KO nur eingeschränkt angefochten werden. Die Klägerin habe die Indosierung der zwei Wechsel nicht angefochten und gehe mit keinem Wort auf § 33 Abs 2 KO ein.

Die ordentliche Revision sei zulässig. Es existiere keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Wechselhingabe eine kongruente Sicherstellung im Sinne des § 30 Abs 1 Z 1 KO bildet, wenn sie - wie im vorliegenden Fall - zwar branchenüblich, inter partes aber nicht gebräuchlich war. Außerdem sei das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Anfechtung einer inkongruenten Wechselhingabe von der einschlägigen höchstgerichtlichen Judikatur abgewichen. In SZ 8/334 und 6 Ob 183/75 habe der Oberste Gerichtshof die Anfechtbarkeit allein aufgrund der Inkongruenz bejaht, ohne darüber hinaus zu prüfen, ob die wechselrechtliche Beweislastumkehr dem Anfechtungsgegner Vorteile verschaffen könnte. Schließlich bestehe auch eine Judikaturdivergenz zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Zahlungen gegenüber einem Indossanten anfechtbar seien, die der spätere Gemeinschuldner an einen Indossatar geleistet habe. In SZ 8/334 und 6 Ob 183/75 habe der Oberste Gerichtshof die Anfechtbarkeit nach § 30 Abs 1 Z 1 KO wegen der Inkongruenz der Wechselhingabe bejaht, ohne auf § 33 Abs 1 und 2 KO einzugehen, während die Anfechtbarkeit in 4 Ob 560/88, 5 Ob 540/95 und 4 Ob 123/00t nur unter dem Blickwinkel des § 33 Abs 2 KO unter völliger Ausklammerung der Wechselhingabe geprüft worden sei.

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass der Oberste Gerichtshof die Verkehrsüblichkeit der Wechselhingabe in SZ 8/334 anhand der Verkehrsüblichkeit beurteilte, während die Entscheidungen 1 Ob 63/69 und 6 Ob 183/75 auf die Üblichkeit in der konkreten Geschäftsbeziehung abstellen. Im Schrifttum erachtet König (Anfechtung3 Rz 10/58) die nicht verkehrsübliche oder nicht (in unverdächtiger Zeit) vereinbarte Hingabe eines eigenen Wechsels oder eines akzeptierten Kundenwechsels statt Barzahlung als inkongruent. Demgegenüber stuft Kirchhof (in MünchKommInsO [2002] § 131 Rz 35) den eigenen Wechsel generell als nicht verkehrsübliches Zahlungsmittel ein, sodass seine Hingabe inkongruent sei.

2.1. Auf diese Streitfrage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht einzugehen. Nach völlig herrschender Auffassung muss nämlich auch bei der auf § 30 KO gestützten Anfechtung Befriedigungstauglichkeit und Gläubigerbenachteiligung vorliegen (König, Anfechtung3 Rz 10/52 mwN). Geht der Schuldner eine Wechselschuld ein, so kommt eine Gläubigerbenachteiligung in mehrfacher Hinsicht in Betracht: Die Benachteiligung kann sich aus der Verpflichtung als Aussteller (Art 9 WG) oder Annehmender (Art 28 WG), einer mit der abstrakten Verbindlichkeit verbundenen Beweislastumkehr, einer gegenüber Dritterwerbern eintretenden Haftung (Art 16, 17 WG) oder aus den bei Rückgriff zu zahlenden Zinsen und Kosten (Art 48 und 49, 28 Abs 2 WG) ergeben (Kirchhof in MünchKommInsO § 129 Rz 145).

2.2. Nimmt der Schuldner jedoch einen auf ihn selbst gezogenen Wechsel an, so kommt eine Gläubigerbenachteiligung lediglich allenfalls aufgrund der wechselmäßig verschärften Haftung (Art 16, 17 WG) und der zu zahlenden Zinsen und Kosten bei Rückgriff in Betracht (Kirchhof in MünchKommInsO § 129 Rz 146; Jaeger/Henckel § 30 Rz 170; BGH IX ZR 67/02). Soweit das Wechselakzept eine Verbindlichkeit des Schuldners begründet (Art 28 WG), ist dies nicht gläubigerbenachteiligend, wenn der Schuldner dem Aussteller des Wechsels bereits aus einem anderen Rechtsgrund verpflichtet war und die Annahme des Wechsels zur Begleichung dieser Verbindlichkeit diente. Insoweit führte die Wechselbegebung im Ergebnis nur zu einer Stundung der ursprünglichen Schuld, die als solche nicht gläubigerbenachteiligend ist (BGH IX ZR 67/02).

Die Hingabe eines Wechsels, mag diese auch als inkongruent zu beurteilen sein, benachteiligt die Konkursgläubiger nur, soweit sich die Verstärkung der zugrunde liegenden Kausalforderung durch die zusätzliche wechselmäßige Verpflichtung auswirkt (Kirchhof in MünchKommInsO § 129 Rz 114 und § 131 Rz 35; BGH IX ZR 67/02).

Diese Überlegungen lassen sich auch auf die insoweit vergleichbare österreichische Rechtslage übertragen, zumal - wie ausgeführt - auch nach österreichischen Recht beim Anfechtungstatbestand des § 30 KO - ebenso wie bei den anderen Anfechtungstatbeständen - das Erfordernis der Gläubigerbenachteiligung ein weiteres Tatbestandsmerkmal bildet.

2.3. Scheitert die Anfechtbarkeit aber bereits an der fehlenden Gläubigerbenachteiligung, so kommt es auf die Frage der Kongruenz der Wechselhingabe nicht an. Mangels entsprechender auch darauf gerichteter Anfechtungserklärung stellt sich im vorliegenden Verfahren auch die Frage nicht, unter welchen Voraussetzungen Zahlungen gegenüber einem Indossanten anfechtbar sind, die der spätere Gemeinschuldner an den Indossatar geleistet hat. Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass die spätere Einlösung des Wechsels (allenfalls unter der zusätzlichen Bedingung der Einlösung durch den Akzeptanten: vgl Schumacher, ÖBA 2001, 416) die ursprüngliche Inkongruenz der Wechselhingabe beseitigt, sofern man diese in Übereinstimmung mit der Entscheidung SZ 8/334 nicht als Zahlung, sondern als bloße Sicherstellung qualifiziert (vgl zur Kongruenz einer nach Begründung eines inkongruenten Pfandrecht geleisteten Zahlung KKönig, Anfechtung3 Rz 10/80).

4. Die Frage der Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit hängt regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalles ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (7 Ob 2278/96t; 8 ObS 9/05i).

5. Damit hängt die Entscheidung des vorliegenden Falles aber nicht von Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität ab. Die Entscheidung bloß theoretischer Rechtsfragen ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0111271), sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte