OGH 13Os59/07m

OGH13Os59/07m20.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bojan A***** wegen Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. September 2006, GZ 11 Hv 99/06d-123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen Beteiligung (§ 12 dritter Fall) am Versuch (§ 15 StGB) eines Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (III/1) und wegen Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB (III/2) sowie im Strafausspruch, einschließlich der Vorhaftanrechnung, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Soweit angefochten wurde Bojan A***** der Verbrechen der Beteiligung (§ 12 dritter Fall) am Versuch (§ 15 StGB) eines Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (III/1) und der kriminellen Organisation nach § 278a (zu ergänzen: zweiter Fall) StGB (III/2) schuldig erkannt.

Danach hat er

III. am 10. Dezember 2004 in P*****

1. (auf das Wesentliche zusammengefasst) zum Versuch teils namentlich genannter Täter, den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachenden Menge, nämlich 232,5 kg Cocain in Reinsubstanz, in Verkehr zu setzen, dadurch beigetragen, dass er sich zum Container, in welchem sich das Suchtgift dem Tatplan gemäß hätte befinden sollen, begab und diesen öffnete, um eine Mengen- und Qualitätskontrolle vorzunehmen, deren Ergebnis er nachfolgend einem Abnehmer mitteilen sollte;

2. sich durch die Begehung dieser strafbaren Handlung (III/1) als Mitglied an einer unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen („Nenad T*****, Novica G*****, Zlatko A*****, Zoran C***** und weitere Personen") beteiligt, welche „auf den wiederkehrenden Erwerb, Besitz und das Inverkehrsetzen von übergroßen Mengen Kokain in gewerbsmäßiger Absicht ausgerichtet war und dadurch eine Bereicherung in großem Umfang anstrebte und durch die Verwendung von Decknamen und falschen Identitäten, häufigen Mobiltelefonwechsel und Verwendung passwortgesicherter privater Chat-Räume und anonymer Webmail-Adressen, sowie Verschleierung der Kommunikationsinhalte durch vereinbarte Codierungen sich selbst und ihre Mitglieder gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen suchte."

Rechtliche Beurteilung

Bereits bei der nichtöffentlichen Beratung hat sich gezeigt, dass der aus Z 5, 5a, 9 lit a und b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon infolge Untauglichkeit des Gegenstands, an dem die zu III/1 genannte Tat begangen wurde, aus Z 9 lit a Berechtigung zukommt (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).

Der Versuch und die Beteiligung daran sind nämlich nach § 15 Abs 3 StGB nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt, oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem die Tat begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war. Nach den (ohne konzise Ausrichtung auf die Subsumtion der Handlungen des Angeklagten unter die in Betracht kommenden Tatbestände getroffenen, mithin anstelle einer gedrängten Konstatierung der rechtlich entscheidenden Tatsachen eine Fülle krimineller Aktivitäten verschiedener Einzelpersonen und Tätergruppen aneinander reihenden) Urteilsfeststellungen wurde das zu III/1 genannte, nach Einlangen in P***** für den Verkauf in Kroatien und Serbien bestimmte Cocain auf dem Transportweg von Peru nach Graz in den USA zur Gänze sichergestellt, worauf die Frachtcontainer wieder versiegelt wurden. Demnach enthielten die Container, deren Inhalt der Angeklagte nach Auffassung der Tatrichter zum Zweck des Inverkehrsetzens kontrollieren sollte, kein Suchtgift mehr, „an dem" das Inverkehrsetzen hätte begangen werden können. In Ermangelung des gesetzlich benannten Mittels war Inverkehrsetzen von Suchtgift daher unter keinen Umständen möglich (s die - Suchtgift betreffende - Entscheidung 13 Os 45/86, SSt 57/81 = EvBl 1987/5 = RZ 1986/77 [verst Senat], RIS-Justiz RS0087720 [wobei beide Entscheidungen, auf die der verstärkte Senat unter Hinweis auf die Möglichkeit, den Gegenstand „bloß mittels einer geringfügigen Modifikation der Tatumstände gewissermaßen ins Spiel zu bringen" verweist, übrigens - hier nicht vorliegende - unmittelbar am Tatort zur Tatzeit gegebene Möglichkeiten betreffen]; vgl auch RIS-Justiz RS0119084; Fuchs AT I6 30/28 ff; Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 73 ff; dagegen 12 Os 75/99, welche Entscheidung das Problem zwar - allerdings ohne Auseinandersetzung mit 13 Os 45/86 - ausdrücklich der „Art der Handlung", nicht „dem Gegenstand, an dem die Handlung begangen wurde" zuordnet, die Bestätigung des Schuldspruchs jedoch im Ergebnis auch darauf stützt, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt als er tatsächlich noch über das Suchtgift verfügte, einen Tatbeitrag geleistet hat).

Dazu kommt übrigens, dass der Angeklagte nach den Urteilsannahmen für die Abnehmerseite tätig wurde und gleichzeitig - durch die zu III/1, zur Last gelegte Tat - an der versuchten Inverkehrsetzung des Suchtgiftes an die eigene Tätergruppe (somit an sich selbst) unmittelbar mitgewirkt haben soll, zumal er zunächst alleine - als Vertrauensperson der serbisch-kroatischen Vereinigung (US 34) - das Suchtgift aus dem Container ausbauen und dessen Qualität überprüfen sollte (US 4, 31, 34, 37).

Wer allerdings ein Suchtgift in einer großen Menge nur an sich bringt, begeht dadurch entweder das Vergehen nach § 27 Abs 1 erster Fall SMG oder jenes nach § 28 Abs 1 erster Fall SMG, nicht aber - echt ideell konkurrierend - das Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG als Beitragstäter (RIS-Justiz RS0118879). Feststellungen über die in Betreff nachfolgend weiteren Inverkehrsetzens für strafbare Beteiligung (§ 12 dritter Fall StGB) erforderliche Ausführungsnähe (§ 15 Abs 2 StGB) sind dem Urteil ebenfalls nicht zu entnehmen (vgl dazu RIS-Justiz RS0087806; instruktiv Fuchs AT I6 29/21 ff).

Da der zu III/2 ergangene Schuldspruch wegen des Verbrechens der Kriminellen Organisation nach § 278a zweiter Fall StGB auf der Begehung just der zu III/1 genannten Tat fußt (§ 278a iVm § 278 Abs 3 erster Fall StGB), ohne dass den Entscheidungsgründen klare Feststellungen zu einer Beteiligung des Angeklagten an den Aktivitäten einer unternehmensähnlichen Verbindung im Sinn des § 278a StGB im Wissen um eine solcherart bewirkte Förderung der Vereinigung oder ihrer Straftaten (vgl US 38) zu entnehmen wären, zieht die Aufhebung des zu III/1 ergangenen Schuldspruchs auch die Beseitigung dieses Schuldspruchs (III/2) nach sich.

Im nachfolgenden Rechtsgang wären im Fall erneuten Schuldspruchs wegen des Verbrechens der kriminellen Organisation subsumtionstaugliche Feststellungen auch zum Tatbestandsmerkmal einer größeren Zahl von Personen und eine mängelfreie Fundierung der bislang weitgehend (vgl aber US 37 unten) begründungslos konstatierten Maßnahmen zur Abschirmung gegen Strafverfolgungsmaßnahmen unverzichtbar (vgl dazu Plöchl in WK2 § 278a Rz 7, 22, 28; § 278 Rz 40).

Erinnert sei abschließend erneut daran, dass die Entscheidungsgründe den Prozessstoff nicht (wie vorliegend über weite Strecken) bloß undifferenziert wiederzugeben, sondern einerseits die für die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen der - mit Blick auf die Tatbestandsformulierungen zu definierenden (vgl dagegen vorliegend zB die Feststellung der subjektiven Tatseite auch hinsichtlich der nach § 278a StGB nicht entscheidenden Ausrichtung der Verbindung auf „groß angelegten Schmuggel sowohl echter als auch gefälschter Zigaretten" in US 38) - entscheidenden Tatsachen erforderlichen Feststellungen knapp und mit Bestimmtheit zu treffen und andererseits die dafür herangezogenen Teile des Prozessstoffs - gedrängt (vgl § 270 Abs 2 Z 5 StPO) - beweiswürdigend (also nicht bloß erzählend) darzustellen haben (vgl Ratz, Häufige Kritikpunkte an Urteilen und staatsanwaltlichen Rechtsmitteln aus der Sicht eines OGH-Richters, RZ 2003, 194; zur Fallnormbildung ders, WK-StPO § 281 Rz 4).

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