OGH 12Os75/99

OGH12Os75/995.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lokay als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dusan B***** wegen des im Versuchsstadium (§ 15 StGB) gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 1. April 1999, GZ 35 Vr 2916/98-61, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Mag. Jakauby, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dusan B***** des in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB gebliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 und Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt, weil er am 12. November 1998 in Inzing und an anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich insgesamt 991,14 Gramm Kokain (reine Kokainbase 766,34 Gramm) aus Österreich aus- und nach Italien einzuführen versuchte, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) ausmachte.

Nach den den Schuldspruch tragenden wesentlichen Feststellungen wurden am 5. Oktober 1998 in Frankfurt am Main sechs an einen Empfänger in Inzing (Tirol) adressierte Pakete sichergestellt. Jedes enthielt ein Buch, in dessen Rücken ein Päckchen mit etwas mehr als 150 Gramm Kokain eingearbeitet war. Die Pakete wurden am 7. Oktober 1998 an die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Tirol weitergeleitet, wo das Suchtgift aus kriminaltaktischen Gründen gegen die nicht unter den Suchtgiftbegriff des § 2 SMG fallende Substanz Lidocain ausgetauscht wurde. Nach Zustellung an den Empfänger, dem Staatsanwaltschaft und Erstgericht Uneingeweihtheit und solcherart fehlende Tatbeteiligung konzedierten, holte der Angeklagte am 12. November 1998 die sechs Pakete ab und traf Anstalten, sie unmittelbar danach über die italienische Grenze zu schmuggeln. Er war - so die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen - sowohl über das ursprünglich in den Büchern "eingebaute" Kokain als auch über dessen Menge von ungefähr 1 kg informiert. Der Angeklagte wurde noch im Inland festgenommen (S 5, 7-10).

Der dagegen (allein) aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er die Beurteilung seines Verhaltens als absolut untauglichen Versuch der Aus- und Einfuhr des in Rede stehenden Suchtgiftes anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge erweist sich mit dem Einwand, daß der Angeklagte infolge der aus kriminaltaktischen Erwägungen veranlaßten Entfernung des Suchtgiftes aus den zu Transportzwecken präparierten Büchern "niemals (auch wenn ihn die Gendarmerie nicht festgenommen hätte oder wenn er ... entkommen wäre) Suchtgift ... einführen, ausführen oder in Verkehr setzen konnte", da er "niemals mit dem zuvor in den Büchern eingearbeiteten Kokain in Kontakt kam und auch niemals in Kontakt kommen konnte", weshalb die Deliktsverwirklichung geradezu denkunmöglich gewesen sei, bereits im Argumentationsansatz als verfehlt. Denn - wie die Beschwerde insoweit zutreffend ausführt - ist zwar ein Versuch dann nicht strafbar, wenn die geplante Vollendung der Tat unter keinen Umständen möglich war, also auch bei generalisierender, von den Besonderheiten des Einzelfalles losgelöster Betrachtung denkunmöglich ist (Leukauf/Steininger Komm3 RN 28 bis 30; Hager-Massauer WK Rz 69, je zu § 15 StGB). Die vom Angeklagten dazu relevierte Untauglichkeit der tatverfangenen Objektsqualität steht fallbezogen jedoch gar nicht im Vordergrund der hier aktuellen Versuchsproblematik. Der Frage, ob eine bestimmte Substanz nach ihrer chemischen Zusammensetzung einem der im Suchtmittelgesetz vertypten Tatbestände unterfällt oder nicht, kommt nämlich primär führende Bedeutung zu, wenn sich die vom Tatplan umfaßte Stoffqualität mit jener deckt, die in der Folge tatsächlich Eingang in das Tatgeschehen gefunden hat. Unter dieser Voraussetzung zieht fehlende Deliktstauglichkeit der tatplangemäßen Substanz regelmäßig absolute Untauglichkeit des Tatversuchs nach sich. Tritt hingegen bei der Tatausführung - täterungewollt - an die Stelle der tatplangemäßen Substanz eine andere, wie hier eine nach dem Suchtmittelgesetz nicht pönalisierte, so läßt sich daraus allein noch nicht zwingend die reklamierte Straflosigkeit wegen absoluter Untauglichkeit der zwar deliktsgegenständlichen, vom Tätervorsatz aber gar nicht umfaßten Konsistenzqualität ableiten. Enthebt doch der vom Täterwirken unabhängige (hier: sicherheitsbehördliche) Austausch von Suchtgift gegen eine nach dem Suchtmittelgesetz deliktsuntaugliche Substanz (Lidocain) nicht vorweg von der Prüfung der Frage, ob das Täterverhalten nach der Art der Handlung an sich geeignet war, die tatplangemäße und in der plankonformen Beschaffenheit deliktstaugliche Substanz (vorliegend: Kokain) zum Gegenstand der (hier in Angriff genommenen) Tatausführung zu machen. Diese Voraussetzung trifft nach den schöffengerichtlichen Tatsachenfeststellungen im Anlaßfall aber zu:

Danach verstand sich der Angeklagte zur Übernahme und Weitergabe von Kokain, das ihm von einem im Zuge der Vorabsprache mit der Auftraggeberseite namhaft gemachten Depothalter übergeben werden sollte, der seinerseits (egal ob dieser gutgläubig war oder nicht) von Komplizen des Angeklagten tatplangemäß - und denknotwendigerweise mit dessen Einvernehmen - zu diesem Zweck auf (dem Postweg) beliefert wurde, wobei im konkreten Fall zunächst auch tatsächlich Kokain abgesendet worden war. Daß die Vorabsprache über die Abholung des Suchtgiftes, insbesondere die vom Angeklagten dazu erklärte Bereitschaft eine wesentliche fördernde Bedingung (bereits) der postalischen Depotzufuhr war, versteht sich von selbst. Eine derartige - nach Lage des Falles daher noch dazu von evident faßbaren (wenn auch in erster Instanz unberücksichtigt gebliebenen) Komponenten strafbarer Beteiligung schon an den Suchtgifttransfer zum Depothalter gekennzeichnete - Tätereinbindung in ein zwangsläufig konspirativ mehraktiges Zusammenwirken zu (hier mit der Absendung von Kokain an den Depothalter auch hinsichtlich der Substanz plankonform in die Wege geleitetem) illegalem Kokaintransfer weist alle Kriterien auf, die in der Regel auch geeignet sind, ihrer Art nach die deliktische Planumsetzung entsprechend zu gewährleisten. Davon, daß die - in concreto nur an der grenzüberschreitenden sicherheitsbehördlichen Zusammen- arbeit und dem kriminaltaktischen Substanzaustausch gescheiterte - Deliktsvollendung nach der Art der Handlung unter keinen Umständen möglich gewesen wäre, kann somit keine Rede sein. Die der Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes SSt 57/81 zugrunde gelegene Fallkonstellation ist mit der hier aktuellen nicht vergleichbar, weil dort nach dem Tatplan der Übergeberseite vorweg nicht Suchtgift, vielmehr eine nach dem (damals:) Suchtgiftgesetz irrelevante Substanz transferiert werden sollte. Vorliegendenfalls hingegen handelt es sich - wie schon von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend dargelegt - um einen bloß an zufälligen Umständen des Einzelfalles gescheiterten, somit nur relativ untauglichen und deshalb strafbaren Versuch (Leukauf/Steininger aaO RN 35, Hager/Massauer aaO Rz 84 f je zu § 15 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die (eingangs der Entscheidungsgründe detailliert angeführten) zahlreichen massiven einschlägigen Vorstrafen, die über das Fünfundzwanzigfache der in § 28 Abs 6 SMG angeführten Suchtgiftmenge hinausgehende Suchtgiftquantität sowie den Umstand, daß der Angeklagte den ihm zur Last gelegten Tatplan, ohne selbst süchtig zu sein, zu verwirklichen trachtete, als mildernd hingegen die Tatsache, daß es beim Versuch blieb.

Davon ausgehend verhängte der Schöffensenat über den Angeklagten nach § 28 Abs 4 SMG eine sechsjährige Freiheitsstrafe.

Auch die Berufung, mit der der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren teilweise bedingte Nachsicht anstrebt, ist nicht begründet.

Die begehrte Berücksichtigung des jahrelangen Zurückliegens seiner letzten Verurteilung scheitert schon daran, daß Dusan B***** die in Spanien wegen Suchtgiftbesitzes am 19. Juli 1991 über ihn verhängte Freiheitsstrafe von acht Jahren und fünf Monaten (US 5) seinen Angaben zufolge bis Ende 1993/Anfang 1994 verbüßte (113/I); der ab diesem Zeitpunkt bis zur hier aktuellen Tatzeit verstrichene Zeitraum kann aber - entgegen der Berufung - bei der Strafbemessung nicht als ins Gewicht fallendes "Wohlverhalten" gewertet werden.

Vor dem Hintergrund der auffällig beharrlichen Einbindung des Angeklagten in kapitale grenzüberschreitende Suchtgiftdelinquenz, deren global gesehen stetig wachsende Bedeutung und notorisch verheerenden gesundheitlichen und - nicht nur für die Süchtigen - wirtschaftlichen Mißbrauchs- konsequenzen erweist sich die in erster Instanz gefundene Sanktion - dem Berufungsstandpunkt zuwider - aus sowohl spezial- als auch generalpräventiver Sicht als angemessen.

Auch der Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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