OGH 9Ob15/07g

OGH9Ob15/07g30.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des am 14. September 2006 verstorbenen Josef S*****, zuletzt wohnhaft im Pflegeheim „P*****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers Hubert S*****, vertreten durch Dr. Manfred Roland und Dr. Matthias Göschke, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 12. Jänner 2007, GZ 10 R 3/07d-61, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Ybbs/Donau vom 7. Dezember 2006, GZ 9 P 76/02t-58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Einschreiter beantragte die Gewährung von Akteneinsicht und die Überweisung des Sachwalterschaftsaktes an das Bezirksgericht Hietzing zwecks Einsichtnahme. Hiezu brachte er vor, dass er als erblasserisches Kind und Noterbe nach dem verstorbenen Betroffenen Pflichtteilsberechtigter sei und daher ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der von der Sachwalterin gelegten Gebarung habe. Das Erstgericht wies den Antrag des Einschreiters ab. Nach § 141 AußStrG seien Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nur dem betroffenen Pflegebefohlenen und seinen gesetzlichen Vertretern zu erteilen. Die Tätigkeit der gesetzlichen Vertreter der unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehenden Personen sei von den Gerichten zu überwachen. Ein Beschluss über die Schlussrechnung sei ohnehin zum Verlassenschaftsakt nach dem verstorbenen Betroffenen übermittelt worden. Der Antragsteller habe als Dritter keine Parteistellung.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragstellers nicht Folge, ließ jedoch den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Das Rekursgericht trat der Beurteilung des Erstgerichts mit ausführlicher Begründung bei. Danach könne ein Recht des Noterben auf Aktensicht gemäß § 141 AußStrG nicht bejaht werden. Schon bei Anwendung des AußStrG alt, das keine eigene Bestimmung über die Akteneinsicht enthalten habe, sei von der Rechtsprechung nach § 219 ZPO von Dritten verlangt worden, dass sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen. Durch das AußStrG neu, das in § 22 auf die Bestimmungen der ZPO einschließlich jener nach § 219 zur Akteneinsicht verweise, sei es zu keiner Änderung der Rechtslage gekommen. Die Zulassung des Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, dass der Auslegung des § 141 AußStrG weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Diese Bestimmung scheine vom Gesetzgeber zu weit gefasst worden zu sein und erschwere bei wörtlicher Auslegung die Tätigkeit der Gerichte insb in Verlassenschafts- und Amthaftungssachen.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig. Die anstehenden Rechtsfragen können auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung gelöst werden:

Der Antragsteller begehrt Akteneinsicht. Zu diesem Zweck beantragte er die Übermittlung des Sachwalterschaftsaktes an das Bezirksgericht, in dessen Sprengel seine Vertreter ihren Kanzleisitz haben. Das AußStrG neu, BGBl I 2003/111, verweist in § 22 bezüglich der „Akten" auf die sinngemäße Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung. Unter diese verwiesenen Bestimmungen fällt auch § 219 ZPO, der die Akteneinsicht regelt (RV 224 BlgNR 22. GP 37 zu § 22 AußStrG; Fucik/Kloiber, AußStrG § 22 Rz 1 und 4; Rechberger in Rechberger, AußStrG § 22 Rz 1 und 3; 3 Ob 298/05b; 6 Ob 100/06h ua). Die Anwendung des § 219 ZPO wurde von der Rechtsprechung schon nach der Rechtslage vor dem AußStrG neu bejaht. Die nun ausdrücklich angeordnete sinngemäße Anwendung dieser Bestimmung führte zu keiner Änderung der Rechtslage (Fucik/Kloiber aaO § 22 Rz 4; 3 Ob 298/05b; 6 Ob 100/06h ua). Nach § 219 Abs 2 ZPO können mit Zustimmung der Parteien auch dritte Personen Akteneinsicht nehmen, soweit dem nicht andere überwiegende Interessen entgegenstehen. Fehlt eine solche Zustimmung, so steht einem Dritten die Einsicht nur insoweit zu, als er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

Da der Antragsteller nicht Partei des Sachwalterschaftsverfahrens ist, ist er Dritter iSd § 219 ZPO. Er muss daher mangels Zustimmung einer Partei - wovon er zutreffend schon bei seinem Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht ausging - ein rechtliches Interesse an der Einsicht glaubhaft zu machen. Dieses rechtliche Interesse leitete der Antragsteller daraus ab, dass er Pflichtteilsberechtiger nach dem verstorbenen Betroffenen sei, woraus er folgerte, dass er „daher" ein rechtliches Interesse an der Überprüfung der Gebarung der Sachwalterin habe. Diesem generellen Schluss des Antragstellers von seiner Stellung als Pflichtteilsberechtigter auf ein rechtliches Interesse an der Einsicht in den Sachwalterschaftsakt des Erblassers wurde von den Vorinstanzen zu Recht mit der Abweisung seines Antrags entgegengetreten (vgl 6 Ob 67/04b; 7 Ob 69/04d ua). Das rechtliche Interesse muss ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse sein, das über ein bloß wirtschaftliches Interesse oder über ein reines Informationsbedürfnis des Einsichtbegehrenden hinausreicht (7 Ob 48/03i; RIS-Justiz RS0079198 ua). Ein Sachwalterschaftsverfahren wird als amtswegiges Rechtsfürsorgeverfahren geführt, um den besonderen Schutz der betroffenen Person zu gewährleisten (§ 21 Abs 1 ABGB), nicht aber um Dritten Möglichkeiten einzuräumen, die ihnen sonst nicht zukommen. Demzufolge wird in ständiger Rechtsprechung etwa auch die Akteneinsicht des künftigen Prozessgegners verneint (vgl Fucik/Kloiber aaO § 22 Rz 4; 7 Ob 69/04d; RIS-Justiz RS0005812 ua). Umstände, die ein rechtliches Interesse des Antragstellers im vorstehenden Sinn an der begehrten Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt des Erblassers begründen könnten, hat er nicht vorgebracht. Sein Standpunkt im Revisionsrekurs, dass das rechtliche Interesse „ohne Zweifel" vorliege, kann sich nicht auf in erster Instanz substantiierte Behauptungen stützen. Der bloße Wunsch eines Pflichtteilsberechtigten, die Gebarung der Sachwalterin des verstorbenen Betroffenen zu überprüfen, will ein schlichtes Informationsbedürfnis stillen und dient ausschließlich eigenen Interessen. Dies allein reicht daher nicht aus, mag der Antragsteller auch als Sohn ein naher Angehöriger des verstorbenen Betroffenen sein (vgl 7 Ob 48/03i; 7 Ob 69/04d ua). Der Hinweis, dass das Sachwalterschaftsverfahren mit dem Ableben des Betroffenen endet, ist richtig. Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers nicht mit dem Wegfall der Voraussetzung des rechtlichen Interesses an der von einem Dritten begehrten Akteneinsicht gleichzusetzen (vgl 4 Ob 125/97d; 7 Ob 69/04d ua). Auf die vom Rekursgericht der Begründung der Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses gegen die Rekursentscheidung zugrundegelegten Erwägungen kommt es nicht an. Es stellt sich hier nicht die Frage, ob § 141 AußStrG vom Gesetzgeber zu weit gefasst worden sei und daher allenfalls sogar die Tätigkeit der Gerichte erschwere. Der Antragsteller scheitert im vorliegenden Fall bereits am erforderlichen rechtlichen Interesse an der begehrten Akteneinsicht, sodass sich die weitere Frage, ob und inwieweit der Schutzzweck des § 141 AußStrG einer Akteneinsicht trotz bescheinigten rechtlichen Interesses entgegenstehen könnte, gar nicht mehr stellt. Da auch der Revisionsrekurswerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, ist sein Revisionsrekurs trotz Zulassung durch die zweite Instanz zurückzuweisen.

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