OGH 2Ob270/05b

OGH2Ob270/05b15.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brigitte W*****, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Johann W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, als Verfahrenshelfer, wegen Rechnungslegung (Streitwert EUR 4.360,37), über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 17. Mai 2005, GZ 12 R 4/05d-24, womit das Teilurteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 18. Oktober 2004, GZ 6 Cg 159/97f-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens jeweils selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt, den Beklagten zu verpflichten, über die Bewirtschaftung der auf bestimmen - im Einzelnen näher angeführten - Liegenschaften betriebenen Landwirtschaft ab 1. 1. 1991 Rechnung zu legen und die Hälfte des sich auf Grund der Rechnungslegung ergebenden Erlöses zu zahlen. Sie sei vom 5. 1. 1974 bis 14. 3. 1994 mit dem Beklagten verheiratet gewesen und gemeinsam mit dem Beklagten Eigentümerin bzw Pächterin dieser Liegenschaften; sie betreibe darauf mit ihm gemeinsam eine Landwirtschaft im Ausmaß von rund 30 ha. Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Rechnungslegungsbegehren statt; dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Anlässlich der Eheschließung schlossen die Streitteile am 8. 2. 1974 einen Gütergemeinschaftsvertrag. Auf Grund dieses Vertrages erlangten die Streitteile je zur Hälfte Miteigentum an den Liegenschaften EZ 113 KG ***** F*****, EZ 39 KG ***** G***** und EZ 812 KG ***** Z*****. Während aufrechter Ehe erwarben die Streitteile jeweils zur Hälfte Eigentum an den Liegenschaften EZ 298 und EZ 1342 jeweils KG ***** G*****.

Zumindest seit 1. 1. 1991 traf der Beklagte sämtliche Entscheidungen betreffend die auf den gemeinsamen Liegenschaften betriebene Landwirtschaft allein; die Klägerin hatte keinen Einblick in die Verwaltung der Liegenschaften und in die Geschäftsgebarung des Beklagten.

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Hollabrunn aus gleichteiligem Verschulden der Eheleute geschieden; diese Entscheidung wurde am 14. 3. 1994 rechtskräftig. Am 22. 8. 1994 stellte der Kläger zu 1 F 65/94x des Bezirksgerichtes Hollabrunn einen Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens. Dieser umfasste ausschließlich die Grundstücke der EZ 39 KG ***** G*****. Im zweiten Rechtsgang zog der Kläger diesen Antrag zurück.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hollabrunn vom 2. 8. 2000, 3 C 45/96x, wurde die Beklagte verurteilt, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Kläger ob der ihr gehörigen Hälfteanteile dieser Liegenschaften Zug um Zug gegen Zahlung eines Betrages von S 547.170,06 einzuwilligen. Dennoch erfolgte keine Aufhebung der Gütergemeinschaft Zug um Zug gegen Leistung der Ausgleichszahlung; vielmehr besteht nach wie vor Miteigentum an diesen Liegenschaften. Auch nach der Scheidung der Ehe und Rechtskraft des Urteiles im Güterteilungsverfahren traf der Beklagte alle Entscheidungen über die Liegenschaften und die darauf betriebene Landwirtschaft allein und legte der Klägerin nicht Rechnung.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass weder der Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens noch das Aufteilungsverfahren selbst noch der Anspruch auf Güterteilung Einfluss auf die Verpflichtung zur Rechnungslegung hätten. Auch für den Zeitraum nach rechtskräftiger Güterteilung bestehe ein Rechnungslegungsanspruch, weil weiter bücherliches Miteigentum bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO stehe an sich jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell-rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (SZ 65/165 [verst Senat]; MietSlg 46.063; ÖBA 1990, 381 [Doralt]; SZ 59/143 uva). Dabei handle es sich um keinen „Notbehelf"; vielmehr stehe der Anspruch nach Art XLII EGZPO jedem zu, der gegen einen ihm materiell-rechtlich zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Leistungsklagebegehren nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, erheben könne, wenn dem Verpflichteten diese Auskunft nach redlicher Verkehrsübung zumutbar sei (8 Ob 527/92; 8 Ob 255/99d = SZ 73/45). Derjenige Ehegatte, der bei einer Gütergemeinschaft unter Lebenden die Verwaltung führe, sei gegenüber dem anderen Ehegatten zur Rechnungslegung verpflichtet. Diese Rechnungslegungspflicht bestehe bei der Gütergemeinschaft bereits während des Güterstandes und nicht erst nach seiner Beendigung. Sie sei weder davon abhängig, dass dafür ein begründeter Anlass bestehe, noch sei das Rechtsschutzbedürfnis besonders sorgfältig zu prüfen (RIS-Justiz RS008947; RS0089467). Dieser Anspruch verjähre erst in 30 Jahren (3 Ob 343/97f). Im Falle einer Scheidung gingen die Vorschriften des Ehegesetzes über die nacheheliche Aufteilung (§§ 81 ff EheG) als leges speciales den Regelungen des bürgerlichen Rechtes über Gütergemeinschaftsverträge zwar vor, § 1266 ABGB bleibe jedoch für jenes Vermögen anwendbar, das - wie das hier zu beurteilende landwirtschaftliche Unternehmen - der nachehelichen Aufteilung gemäß § 82 Abs 1 Z 3 und 4 EheG entzogen sei (Brauneder in Schwimann, ABGB2 § 1266 Rz 8; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1266 Rz 4; RIS-Justiz RS0022434 und RS0022395). Hinsichtlich der der Aufteilung im Verfahren des BG Hollabrunn bereits unterworfenen Grundstücke bestehe der Rechnungslegungsanspruch der Klägerin insoweit zu Recht, als diese noch immer als im Grundbuch eingetragene Miteigentümerin oder auf Grund ihrer während der Gütergemeinschaft eingegangenen Haftung (Kredite) in Anspruch genommen werden könne. Eine analoge Anwendung des Art XLII EGZPO sei bei Ansprüchen aus dem Miteigentum auch nach Auflösung der Gütergemeinschaft nach § 1266 ABGB, jedoch vor der tatsächlich durchgeführten Aufteilung des gemeinsamen Vermögens auch dann berechtigt, wenn die Klägerin inter partes nach Auflösung der Gütergemeinschaft mit Rechtskraft der Scheidung keinen Anspruch auf einen Gewinn aus der Bewirtschaftung der dem Beklagten mit Urteil 3 C 45/96x des Bezirksgerichtes Hollabrunn allein zugewiesenen Liegenschaften habe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage der Rechnungslegungspflicht nach Auflösung der Gütergemeinschaft, jedoch vor grundbücherlicher Durchführung der vorzunehmenden Aufteilung eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes - nicht zulässig:

Nach neuerer Rechtsprechung kann die Stufenklage nicht als Ausnahmetatbestand zum Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens verstanden werden, die nur dann zu gewähren ist, wenn keine andere Möglichkeit zur Ermittlung der Höhe der Forderung zur Verfügung steht. Der Anspruch nach Art XLII EGZPO ist kein „Notbehelf", sondern steht grundsätzlich jedem zu, der gegen einen ihm materiell-rechtlich zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Leistungsklagebegehren nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, erheben kann, wenn dem Verpflichteten diese Auskunft nach

redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (8 Ob 527/92 = SZ 65/165 [verst

Senat]; 8 Ob 255/99d = SZ 73/45; RIS-Justiz RS0034907).

Nach herrschender Auffassung umfasst Art XLII Abs 1 EGZPO uneingeschränkt jeden zivilrechtlichen Auskunftsanspruch in Bezug auf Vermögen; unter dem Herausgabeanspruch im Sinne des Art XLII Abs 3 EGZPO ist jeder auf den Beklagteninformationen aufbauende Leistungsanspruch zu verstehen, also nicht nur eine auf Herausgabe gerichtete Forderung, sondern auch eine - in der Praxis im Vordergrund stehende (vgl Rassi, Verfahrensrechtliche Fragen der Bucheinsicht, ÖJZ 1997, 891 [892]) - Geldforderung (Konecny in Fasching/Konecny2 Art XLII EGZPO Rz 110 und 118 mwN). Die zutreffende und im Einklang mit der Vorjudikatur stehende Auffassung der Vorinstanzen, ein Rechnungslegungsanspruch bestehe jedenfalls für die Zeit während aufrechter Gütergemeinschaft, wird in der Revision nicht mehr bestritten. Die Revision steht jedoch auf dem Standpunkt, das Rechnungslegungsbegehren sei deshalb verfehlt, weil die Klägerin nach Aufhebung der Gütergemeinschaft keinen Anspruch auf Beteiligung an den Erlösen der Landwirtschaft habe. Im vorliegenden Fall ist jedoch auf die Frage, ob grundsätzlich ein Rechnungslegungsanspruch auch nach Beendigung der Gütergemeinschaft bestehen kann, nicht einzugehen, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Streitteile nicht nur weiter bücherliche Miteigentümer der landwirtschaftlichen Grundstücke sind, sondern die Klägerin nach wie vor für die während aufrechter Ehe eingegangenen, in Zusammenhang mit der Führung der Landwirtschaft aufgenommenen Kredite haftet. Dafür, dass es sich dabei um eine reine Sachhaftung handle, findet sich - abgesehen davon, dass das Vorbringen der Beklagten, sie bürge für diese Kredite, nicht substantiiert bestritten wurde (§ 267 ZPO) - in den Ausführungen der Vorinstanzen kein Anhaltspunkt. Im Hinblick auf diese Sonderkonstellation ergibt sich aber die Rechnungslegungspflicht des Beklagten schon aus den wechselseitigen Treuepflichten auf Grund des Kredit- bzw Bürgschaftsvertrages, sodass es auf die Frage, inwieweit die Gütergemeinschaft als solche auch einen Rechnungslegungsanspruch über deren Dauer hinaus auslösen kann, im vorliegenden Fall gerade nicht ankommt. Darüber, ob der klagenden Partei letztlich tatsächlich ein (Ausgleichs-)Anspruch zusteht, ist im vorliegenden Verfahrensstadium, dessen Gegenstand ausschließlich die Verpflichtung zur Rechnungslegung bildet, nicht zu entscheiden.

Dass Rechnungslegungsansprüche der allgemeinen Verjährungsfrist nach § 1478 ABGB unterliegen, entspricht der herrschenden Rechtsprechung (3 Ob 343/97f). Die bloße Behauptung der Revision, die dreijährige Verjährungsfrist für die Geltendmachung laufender Ertragsanteile aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb „müsse" auch für den vorgelagerten Anspruch auf Rechnungslegung angenommen werden, ist nicht geeignet, eine Unrichtigkeit dieser Rechtsprechungslinie darzutun.

Die weitere Behauptung der Revision, der Beklagte habe nunmehr auf Grund eines Exekutionsverfahrens die Ausgleichszahlung von S 547.170,06 geleistet und das Bezirksgericht Hollabrunn habe mit Beschluss vom 1. 7. 2005 die Einverleibung des Alleineigentumes für den Beklagten auf den gegenständlichen Liegenschaften bewilligt, stellt eine unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung dar. Da somit entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes im vorliegenden Fall die Entscheidung nicht von Rechtsfragen der im § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität abhängt, war die Revision spruchgemäß zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung, in der auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen wurde, diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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