OGH 4Ob242/06a

OGH4Ob242/06a13.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. November 2006, GZ 1 R 149/06x-12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 8. Juni 2006, GZ 1 Cg 27/06z-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einschluss ihrer bestätigten Teile insgesamt wie folgt zu lauten hat:

1. „Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung von wettbewerbswidrigen Handlungen und/oder Angaben wird der beklagten Partei aufgetragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln, für welche die beklagte Partei Zulassungsinhaberin ist, dadurch unrichtige und/oder irreführende Angaben zu machen, dass

a) das Pflanzenschutzmittel „Roundup Gran" als gut geeignet zur Bekämpfung von Weißklee bezeichnet wird, wenn mit diesem Pflanzenschutzmittel Weißklee nicht bekämpft werden kann; sowie

b) die Pflanzenschutzmittel „Roundup Gran" und „Roundup LB Plus" mit dem Hinweis auf „maximal eine Anwendung" gekennzeichnet werden, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass damit eine Anwendung pro Kultur und Jahr gemeint ist.

2. Das darüber hinausgehende Begehren, der beklagten Partei zu untersagen, bei Pflanzenschutzmitteln, für welche die beklagte Partei Zulassungsinhaberin ist, ganz allgemein unrichtige und/oder irreführende Angaben zu machen, insbesondere das Pflanzenschutzmittel „Roundup LB Plus" als gut geeignet zur Bekämpfung von Weißklee zu bezeichnen, wenn damit Weißklee nicht bekämpft werden kann, und die Pflanzenschutzmittel „Roundup Gran" und „Roundup LB Plus" nicht mit den vorgeschriebenen Hinweisen - wie hier dem Hinweis auf „maximal eine Anwendung pro Kultur bzw pro Jahr" - zu kennzeichnen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.115,90 EUR (darin 352,65 EUR USt) bestimmten halben Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin vertreibt Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel. Auch die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland, vertreibt solche Produkte, jedoch nicht in Österreich. Die Beklagte ist Inhaberin der deutschen Zulassungen für die von ihr hergestellten Pflanzenschutzmittel „Roundup LB Plus" (flüssig) und „Roundup Gran" (Granulat). Diese Produkte werden in Österreich von der S***** Handelsgesellschaft m.b.H. (in der Folge: Vertriebsunternehmen) in der von der Beklagten stammenden Aufmachung und Produktkennzeichnung in Verkehr gebracht, das Flüssigprodukt in drei Gebinden unterschiedlichen Volumens. In den ihrem Wortlaut nach unstrittigen Gebrauchsanleitungen wird für das Flüssigprodukt im 125ml-Gebinde eine „breite Wirkung" auf alle wichtigen Unkräuter im Hausgartenbereich versprochen; für das Granulatprodukt und das Flüssigprodukt im 140ml- und 250ml-Gebinde ist Weißklee als gut bekämpfbar angeführt; für das Granulatprodukt und das Flüssigprodukt im 140ml- und 250ml-Gebinde wird „maximal 1 Anwendung" empfohlen. Für beide Produkte wurde der Beklagten von der deutschen Zulassungsbehörde die Auflage erteilt, in der Gebrauchsanleitung jene Unkräuter anzuführen, die durch das Mittel gut, weniger gut und nicht ausreichend bekämpft werden können. Die aktuellen Zulassungen bestimmen, dass im Haus- und Kleingartenbereich die Kulturen Zierpflanzen und Rasen (Zierrasen) mit diesen Produkten maximal einmal pro Jahr behandelt werden dürfen; dies muss in der Gebrauchsanleitung der Produkte nicht ersichtlich gemacht sein. Nicht festgestellt werden konnte, dass Weißklee mit beiden Produkten „überhaupt nicht" oder „nicht ausreichend" bekämpft werden kann und dass Weißklee mit beiden Produkten in der überwiegenden Anzahl der dafür vorgesehenen Anwendungen mit den bei den Produkten angeführten Anwendungsmethoden „nicht gut" bekämpfbar ist, also die Angabe „gut bekämpfbar" in der Mehrzahl der dafür vorgesehenen Anwendungen inhaltlich unrichtig ist. Im Zierpflanzenbau (Rasen) bekämpft das Granulatprodukt Weißklee bei einer Aufwandmenge von 0,35 g (Erstgericht irrtümlich: 0,35 mg) in 20 bis 30 ml Wasser pro m² nicht ausreichend (Beil ./2). In der Gebrauchsanleitung des Granulatprodukts wird als Aufwandmenge bei der Vorbereitung zur Zierrasenneueinsaat (Vernichtung von Altrasen und Unkräutern) eine Dosierung von 1 Portionsbeutel à 15,5 g auf 2,5 l Wasser für max 45 m² angegeben (Beilage ./N). Die Gebrauchsanleitung ist auf einem Plastikblatt aufgedruckt, das mehrfach zusammengefaltet mit einem Klebeband derart auf der Rückseite des Produkts befestigt ist, dass außer dem Produktnamen nur die Hinweise „hier öffnen" und "Gebrauchsanleitung" zu sehen sind (Beil ./M).

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Pflanzenschutzmitteln, für welche die Beklagte Zulassungsinhaberin ist, unrichtige und/oder irreführende Angaben zu machen, wie im gegenständlichen Fall

a) die Pflanzenschutzmittel „Roundup LB Plus" und „Roundup Gran" als gut geeignet zur Bekämpfung von Weißklee zu bezeichnen, wenn mit diesen Pflanzenschutzmitteln Weißklee nicht bekämpft werden kann; sowie

b) das Pflanzenschutzmittel „Roundup LB Plus" und „Roundup Gran" entgegen den Zulassungsverpflichtungen nicht mit den vorgeschriebenen Hinweisen - wie hier dem Hinweis auf „maximal eine Anwendung pro Kultur bzw pro Jahr" - zu kennzeichnen.

Die Beklagte bewerbe die auf sie zugelassenen Produkte mit inhaltlich unrichtigen Angaben, indem sie Weißklee als mit den Produkten „gut bekämpfbar" bezeichne und den unrichtigen Eindruck erwecke, das Flüssigprodukt dürfe mehrmals pro Kultur angewendet werden. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen § 1 UWG iVm § 20 des deutschen Gesetzes zum Schutze der Kulturpflanzen sowie § 20 des österreichischen Pflanzenschutzmittelgesetzes vor, weil Produkte in Verkehr gebracht würden, die nicht sämtliche von der Zulassung vorgeschriebene Hinweise enthielten.

Die Beklagte wendete ein: Weißklee sei nur bei relativ niedriger Anwendungsmenge mit den beiden Mitteln weniger gut bekämpfbar. Für die Mehrzahl der Anwendungsbereiche sei Weißklee zutreffend mit der Aussage „gut bekämpfbar" beworben worden. Das Publikum gehe nicht davon aus, dass jedes Unkrautvernichtungsmittel Unkraut aller Art gleichermaßen gut bekämpfe. Die Produktauszeichnung sei ausreichend und entspreche der Rechtslage. Für das Granulat sei überhaupt keine Anwendungsbestimmung festgesetzt worden, für das Flüssigprodukt bestehe keine Vorgabe, die maximale Zahl der Anwendungen anzugeben. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es sei nicht bescheinigt, dass die Angaben zur Bekämpfbarkeit von Weißklee unzutreffend seien. Zwar bekämpfe das Granulatprodukt in einer bestimmten Konzentration Weißklee nicht ausreichend; ob diese Anwendung aber einer vom Hersteller vorgesehenen Anwendung entspreche, sei mit den zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht klärbar. Die Dosierangabe „max 1 Anwendung" sei dahin zu verstehen, dass es im konkreten Anwendungsbereich nur einer einmaligen Anwendung bedürfe, um eine entsprechende Wirkung zu erzielen; wie oft die Produkte angewendet werden dürften, werde nicht gesagt. Kennzeichnungsvorschriften wendeten sich an an den Vertreiber eines Produkts im Inland, weshalb der Vorwurf eines Verstoßes gegen solche Vorschriften die Vertriebsgesellschaft, nicht die Beklagte treffe. Auch im Verschweigen einer Tatsache könne eine Irreführung iSd § 2 UWG liegen; ein solcher Verstoß liege wegen der durch § 20 PflSchMG dem Vertreiber im Inland ohnedies auferlegten Kennzeichnungspflicht hier nicht vor. Ein Verstoß gegen § 20 des deutschen Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen beim Vertrieb der Mittel am deutschen Markt werde nicht geltend gemacht; insoweit läge die Zuständigkeit zur Beurteilung bei deutschen Gerichten.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es dem Sicherungsantrag stattgab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Streitteile stünden in einem Wettbewerbsverhältnis. Ein solches liege vor, wenn sich die beteiligten Unternehmer an einen im Wesentlichen gleichartigen Abnehmerkreis wendeten. Zwar bringe nicht die Beklagte, sondern ein drittes Unternehmen die betreffenden Produkte in Österreich in Verkehr, doch sei die Beklagte (zumindest) mittelbar am Wettbewerb beteiligt. Dies erschließe sich bereits daraus, dass das Vertriebsunternehmen die Produkte in der Originalverpackung und mit der Originalkennzeichnung einschließlich der Gebrauchsanweisung der Antragsgegnerin vertreibe, weshalb etwaige irreführende (mitunter absatzfördernde) Angaben zum Produkt jedenfalls auch den Verkauf der „Antragstellerin" (gemeint offenbar: Antragsgegnerin) steigerten. Auch Gewerbetreibende verschiedener Wirtschaftsstufen könnten miteinander in Wettbewerb treten, selbst wenn sie nicht denselben Abnehmerkreis hätten; mittelbare Beeinträchtigung des Absatzes genüge.

Die Produktverpackungen enthielten keine irreführenden Angaben. Ein Verstoß gegen § 2 UWG liege jedoch in der Aufzählung von Weißklee in der Rubrik „gut bekämpfbar" der Gebrauchsanweisungen. Die - uneingeschränkte - Nennung von Weißklee sei geeignet, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, Weißklee sei in jedem Anwendungsbereich - somit auch im Rasen - gut bekämpfbar; bescheinigt sei jedoch, dass Weißklee zumindest im Anwendungsbereich Rasen nicht ausreichend gut bekämpfbar sei. Auch die in der Gebrauchsanweisung enthaltene weitere Angabe „max 1 Anwendung" sei irreführend, weil sich daraus für den mündigen Konsumenten nicht erkennen lasse, dass damit eine Beschränkung auf maximal eine Anwendung pro Jahr gemeint sei. Vielmehr werde der unrichtige Eindruck erweckt, zur erfolgreichen Unkrautbekämpfung sei nur eine einzige Anwendung erforderlich. Durch diese mehrdeutige Angabe werde beim Konsumenten der unzutreffende Eindruck eines besonders wirkungsvollen Produkts erweckt; die Angabe sei geeignet, den Entschluss der angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, zu Gunsten dieses Angebots zu beeinflussen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Irreführungseignung von Angaben in Gebrauchsanweisungen fehlt; das Rechtsmittel ist teilweise berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, Angaben in der Gebrauchsanweisung fehle die wettbewerbliche Relevanz. Davon abgesehen kauften die angesprochenen Verbraucher die beworbenen Produkte für unterschiedlichste Anwendungsgebiete, also nicht nur zur Bekämpfung von Weißklee im Zierrasen; die beanstandete Aussage über die Wirkung auf Weißklee sei bezogen auf den überwiegenden Teil des Wirkungsspektrums der Produkte nicht irreführend. Auch die Angabe der Anzahl der Anwendungen verstoße nicht gegen § 2 UWG.

1.1. Grundsätzlich trifft den Kläger die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeangabe (RIS-Justiz RS0011634 [T2]). Außerhalb eines Werbevergleichs kommt eine Beweislastverschiebung auf den Beklagten nur in Frage, wenn der Kläger die maßgebenden Tatumstände nicht kennt und unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat (RIS-Justiz RS0011634 [T8]) oder, wenn er sie kennt, ihm ihre Offenlegung aber nicht zumutbar ist (4 Ob 173/02y). Wird - ohne Berufung auf Testergebnisse - mit den für den Verbraucher wahrnehmbaren Eigenschaften eines Produkts geworben, so ist der Beweis grundsätzlich beiden Teilen in gleicher Weise zugänglich (4 Ob 173/02y mwN).

1.2. Ob ein Pflanzenschutzmittel ein bestimmtes Unkraut (hier: Weißklee im Rasen) ausreichend bekämpft, betrifft eine für den Verbraucher - nach dessen Verwendung - wahrnehmbare Eigenschaft des Produkts. Für eine Beweislastverschiebung im Rahmen des § 2 UWG bleibt damit kein Raum.

1.3. Dass Weißklee mit dem Flüssigprodukt der Beklagten überhaupt nicht oder nicht ausreichend bekämpft werden kann, steht nicht fest. Bezogen auf dieses Produkt und die beworbene Wirkung auf Weißklee ist das Unterlassungsbegehren somit unbegründet, weil die Klägerin eine Werbung mit unrichtigen Angaben nicht bescheinigen konnte.

2.1. Die Gebrauchsanleitung des Granulatprodukts gibt als Dosieranweisung für die Vorbereitung zur Zierrasenneueinsaat (Vernichtung von Altrasen und Unkräutern) eine Dosierung von einem Portionsbeutel à 15,5 g auf 2,5 l Wasser für max 45 m² (dies entspricht etwa 0,34 g auf 55 ml Wasser/m²) an. Bescheinigt ist, dass das Granulatprodukt Weißklee bei einer Aufwandmenge von 0,35 g auf 20 bis 30 ml Wasser pro m² (also etwa doppelt so stark dosiert wie die empfohlene Dosiermenge) nicht ausreichend bekämpft. Die Angaben in der Gebrauchsanleitung des Granulatprodukts zur Produktanwendung (Weißklee gut bekämpfbar) sind daher grundsätzlich zur Täuschung geeignet.

2.2. Zur Irreführung geeignet sind auch die Hinweise in den Gebrauchsanleitungen von Granulat und Flüssigprodukt (in zwei Gebindegrößen) auf „maximal eine Anwendung", ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass damit eine Anwendung pro Kultur und Jahr gemeint ist. Dieser unvollständige Verwendungshinweis kann nämlich auch dahin verstanden werden, es genüge eine einzige Anwendung, um den versprochenen Erfolg der Unkrautvernichtung herbeizuführen, womit eine unrichtige Vorstellung von der Wirksamkeit des Produkts hervorgerufen wird. Nach der wettbewerbsrechtlichen Unklarheitenregel muss der Ankündigende bei Mehrdeutigkeit seiner Aussage die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums die Äußerung

tatsächlich in diesem ungünstigen Sinn verstehen kann (4 Ob 276/00t = Öbl 2001, 228 - Vollschutzversicherung; 4 Ob 290/00a = Öbl 2001, 262

- NET@LINE; RIS-Justiz RS0043590). Im Anlassfall ist der unvollständige und damit zweideutige Verwendungshinweis geeignet, einen Irrtum über eine wesentliche Produkteigenschaft auszulösen, der auch geeignet ist, den Kaufentschluss zu Gunsten des derart beschriebenen Produkts zu beeinflussen. Auch insoweit liegen daher grundsätzlich zur Täuschung geeignete Angaben vor.

3.1. Eine Täuschung ist nur dann wettbewerbswidrig, wenn sie geeignet ist, den Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen. Es muss zwischen dem Entschluss des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, und dem Umstand, dass die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, ein innerer Zusammenhang bestehen (RIS-Justiz RS0078296). Die Angabe muss gerade in dem Punkt und in dem Umfang, in welchem sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, das Kaufinteresse eines nicht unbeträchtlichen Teils der umworbenen Verkehrskreise irgendwie beeinflussen (RIS-Justiz RS0078202; zuletzt 4 Ob 207/06d) und so geeignet sein, zugunsten dieses Angebots eine spürbare Nachfrageverlagerung zu Lasten der Mitbewerber bewirken zu können (4 Ob 10/04f; 4 Ob 222/06k). Die „Spürbarkeit" durch eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung als Voraussetzung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens nach § 1 UWG entspricht ihrem Wesen nach der für einen Verstoß gemäß § 2 UWG geforderten „Relevanz" der Irreführung infolge Beeinflussung eines nicht unerheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise bei der näheren Angebotsprüfung (4 Ob 222/06k).

3.2. Im Anlassfall befinden sich die irreführenden Angaben im Text der Gebrauchsanweisung des Pflanzenschutzmittels. Diese ist mit einem Klebeband derart auf der Rückseite des Produkts befestigt, dass sie der Käufer regelmäßig erst nach dem Geschäftsabschluss erstmals entfalten und sich damit näher befassen wird. Auch die Klägerin gesteht zu, dass die Verpackung des Flüssigprodukts „üblicherweise vor dem Kauf vom Konsumenten nicht geöffnet wird, um den darin liegenden Gebrauchsanweisungstext näher zu prüfen" (Klage S 6 unten). Damit kann im Regelfall der Inhalt der Gebrauchsanweisung für den Erstkaufentschluss nicht ausschlaggebend sein.

3.3. Letzteres trifft naturgemäß nicht zu, wenn der potentielle Käufer nach Lösen des Klebebands die Gebrauchsanweisung noch vor dem Kauf studiert, wenn er nach dem ersten Kauf dasselbe Produkt im Hinblick auf die Angaben in der Gebrauchsanleitung ein weiteres Mal erwirbt oder wenn er sich für das Produkt infolge Empfehlung eines Dritten unter Hinweis auf die Angaben in der Gebrauchsanleitung entscheidet.

3.4. Pflanzenschutzmittel sind schon ihrem Wesen nach zum wiederholten Einsatz bestimmt; insofern besteht ein Nachkaufbedarf. Auch findet unter Teilen der angesprochenen Verbraucherkreise erfahrungsgemäß ein reger Informationsaustausch über die Einsatzmöglichkeiten solcher Produkte statt. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass Umsätze mit dem beanstandeten Produkt, die unter den zu 3.3. beschriebenen Sachverhaltsvarianten zustande kommen, gegenüber dem unter 3.2. angeführten Regelfall nicht spürbar ins Gewicht fielen. Damit ist aber im Anlassfall die wettbewerbliche Relevanz der irreführenden Angaben, mögen sie sich auch nicht auf dem Produkt oder seiner Verpackung, sondern in einer dem Produkt angeklebten gefalteten Gebrauchsanweisung befinden, zu bejahen.

3.5. Zusammenfassend ist demnach festzuhalten: Bei Produkten, die schon ihrem Wesen nach zum wiederholten Einsatz bestimmt sind und bei denen unter Teilen der angesprochenen Verbraucherkreise ein reger Informationsaustausch über ihre Einsatzmöglichkeiten stattfindet (hier: Pflanzenschutzmittel), sind irreführende Angaben auch dann von wettbewerblicher Relevanz, wenn sie sich nicht auf dem Produkt oder seiner Verpackung, sondern in einer dem Produkt angeklebten gefalteten Gebrauchsanweisung befinden.

4.1. Nach dem maßgeblichen Sachverhalt ist die Beklagte Inhaberin der deutschen Zulassungen für die von ihr hergestellten Pflanzenschutzmittel, die in Österreich von einem Vertriebsunternehmen in der von der Beklagten stammenden Aufmachung in Verkehr gebracht werden. Die Beklagte hat auch zugestanden, dass das Vertriebsunternehmen die gegenständlichen Produkte bei ihr bzw einem mit ihr konzernmäßig verbundenen Tochterunternehmen erwirbt (Schriftsatz ON 6 S 2 f unten).

4.2. Unter diesen Umständen haftet die Beklagte gem § 18 UWG für Wettbewerbsverstöße ihres inländischen Vertriebspartners, weil es diesem die Verwendung der von ihr stammenden - zur Täuschung geeigneten - Produktausstattung gestattet hat und auf Grund der zwischen ihnen bestehenden vertraglichen Beziehungen in der Lage gewesen wäre, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern (RIS-Justiz RS0079689 [T9], RS0079799 [T5]).

5.1. Das auf § 2 UWG gestützte Unterlassungsbegehren ist daher im aufgezeigten Umfang berechtigt. Soweit der Sicherungsantrag in seinem Obersatz im Wesentlichen nur den Gesetzestext wiedergibt, ohne den Kern der Verletzungshandlung konkret zu beschreiben, ist er zu weit gefasst (vgl dazu zuletzt ausführlich 4 Ob 49/06v); dies führt zu einer Teilabweisung. Das Unterlassungsgebot war insoweit neu zu fassen, als es auf den Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln zu beziehen war.

5.2. Soweit die Klägerin Ansprüche aus einem Verstoß gegen § 1 UWG (Fehlen des gesetzlich vorgeschriebenen Hinweises auf „maximal eine Anwendung pro Kultur bzw pro Jahr" auf der Verpackung) ableiten möchte, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Gesetzesverletzung nach Lehre und Rechtsprechung nur dann sittenwidrig ist, wenn sie geeignet ist, dem gesetzwidrig Handelnden einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen (stRsp RIS-Justiz RS0078089; 4 Ob 99/03t = SZ 2003/56 = Öbl 2004, 67 - Veranstaltungshinweise; Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 33 Rz 101 mwN in FN 311). Von einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung durch eine Gesetzesverletzung kann nur gesprochen werden, wenn das gesetzwidrige Handeln geeignet ist, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken (RIS-Justiz RS0117605). Es ist nun nicht zu erkennen, welche nachteiligen Folgen im Wettbewerb die Beklagte dadurch vermeidet, dass sie den als fehlend beanstandeten Anwendungshinweis auf der Verpackung der auf sie zugelassenen Produkte nicht anbringt. Die Klägerin hat dazu auch kein konkretes Vorbringen erstattet. Selbst aus einer allgemeinen Rechtswidrigkeit kann noch nicht automatisch auf eine wettbewerbsrechtliche Sittenwidrigkeit geschlossen werden (4 Ob 151/04s; Koppensteiner aaO). Fehlt es - wie hier - an der Eignung des beanstandeten Verhaltens, sich damit einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen, so ist das Unterlassungsbegehren soweit es auf § 1 UWG gestützt ist, jedenfalls nicht berechtigt.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 43, 50 ZPO. Mangels anderer Anhaltspunkte sind Obsiegen und Unterliegen je mit der Hälfte des Begehrens zu bewerten (4 Ob 95/98v; 4 Ob 3/05b uva).

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