OGH 12Os138/06w

OGH12Os138/06w21.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Dezember 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hinterleitner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gernot B***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 14 Hv 202/04s des Landesgerichtes Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 25. Oktober 2006, AZ 9 Bs 327/06s (ON 79 der Hv-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Gernot B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gernot B***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. Oktober 2006, GZ 14 Hv 202/04s-73, des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG (II) sowie der Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG (I) und des teilweise beim Versuch nach § 15 StGB verbliebenen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (III) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 StGB nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde eine Vorhaft vom 8. Dezember 2005, 23:05 Uhr, bis 18. Juli 2006, 9:00 Uhr, aus dem Verfahren 8 Ur 272/05w des Landesgerichtes Klagenfurt auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Inhaltlich des Schuldspruches hat Gernot B***** in Klagenfurt und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift

I. in den Jahren 1995 und 1996 insgesamt mindestens 1.260 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 630 Gramm Kokainbase, somit Suchtgift in einer großen Menge, mit dem Vorsatz vom abgesondert verfolgten Shengul F***** erworben, dass es in Verkehr gesetzt werde;

II. von 1998 bis Ende 2001 in einer die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG um mehr als das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge, nämlich insgesamt mindestens 1.055 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von zumindest 500 Gramm Kokainbase in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten (iSv § 28 Abs 2 vierter Fall SMG) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch teils unmittelbaren gewinnbringenden Verkauf an Kresimir V***** (10 Gramm) und teils Weitergabe zum gewinnbringenden Verkauf an Alfred T***** (15 Gramm), Daut S***** (zumindestens 1.000 Gramm) sowie Alfred G***** (30 Gramm) in Verkehr gesetzt;

III. außer den Fällen des § 28 SMG

1. in der Zeit von Anfang 1995 bis zumindest Sommer 2003 unbestimmte Mengen Kokain anlässlich des wiederholten, teils gemeinsamen Konsums mit zahlreichen im Urteil namentlichen angeführten Personen erworben, besessen und anderen überlassen,

2. im Frühjahr 1998 rund 100 Gramm Kokain von Shengul F***** zu erwerben versucht.

Nach Verkündung des Urteils haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (S 29/IV) und wurde über Antrag des Staatsanwaltes über Gernot B***** die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO verhängt (ON 74).

Einer gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge (§ 179 Abs 6 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Grundrechtsbeschwerde (ON 82) ist nicht im Recht.

Zutreffend ist der Gerichtshof zweiter Instanz hinsichtlich des dringenden Tatverdachtes von den Sachverhaltsannahmen im - wenngleich angefochtenen - Urteil ausgegangen. Denn ein nach Durchführung eines kontradiktorischen Beweisverfahrens ergangener Schuldspruch begründet jedenfalls einen für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft erforderlichen dringenden Tatverdacht (RIS-Justiz RS0108486; auch RS0119511).

Die in der Beschwerde gegen die Glaubwürdigkeit eines Zeugen und somit gegen den Schuldspruch I erhobenen eigenständig beweiswürdigenden Einwände entbehren im Gegenstand (s Schuldspruch II) der entscheidenden Bedeutung.

Den Haftgrund der Fluchtgefahr hat das Beschwerdegericht unter Berücksichtigung des inländischen Wohnsitzes darauf gestützt, dass die Hoffnung des Angeklagten auf einen Freispruch durch das verurteilende Erkenntnis zunichte gemacht wurde, er vielmehr jetzt rechnen muss, in kurzer Zeit eine nicht unbeträchtliche Strafe zu verbüßen, dass gegen ihn ein weiteres Strafverfahren mit einer bereits rechtswirksamen Anklageschrift (ua wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 idF vor BGBl I 2004/15 - vgl dazu 12 Os 82/06k) anhängig ist und dass seine Gattin ohne weiteres seine Geschäfte allein weiter führen kann.

Diese Begründung ist - dem substratlosen Beschwerdevorbringen entgegen - logisch und empirisch einwandfrei.

Die Aufhebung der Untersuchungshaft unter Anwendung gelinderer Mittel, ua gegen Kaution, lehnte das Oberlandesgericht im Hinblick auf die besondere Intensität des Haftgrundes ab. Diesem zutreffenden Argument vermag die Beschwerde außer der Behauptung, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch gelindere Mittel erreicht werden könnte, nichts entgegenzusetzen.

Ausgehend von der vom Erstgericht ausgesprochenen, wenngleich nicht rechtskräftigen Strafe ist die bisherige Dauer der Untersuchungshaft auch unter Bedachtnahme auf die aus einem anderen Verfahren angerechnete Vorhaft von rund sieben Monaten nicht unangemessen. Eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes (§ 193 Abs 1 StPO) durch ins Gewicht fallend verzögerte Ausfertigung des Urteiles liegt nicht vor. Nach sechs teilweise ganztägigen Hauptverhandlungs-Terminen, in denen zahlreiche Zeugen vernommen wurden, erforderte die schriftliche Urteilsausfertigung eine umfangreiche Begründung, insbesondere zur Beweiswürdigung (US 21 bis 40). Dessen ungeachtet wurde das Urteil am 5. Dezember 2006 zugestellt (vgl 14 Os 77/06i und 12 Os 98/06p). Gernot B***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

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