OGH 14Os77/06i

OGH14Os77/06i28.7.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen John J***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG, AZ 041 S Hv 29/06t des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten John J***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 22. Juni 2006, AZ 19 Bs 194/06b (= ON 70), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

John J***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. März 2006, GZ 041 S Hv 29/06t-46, wurde unter anderem der Angeklagte John J***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zweiundvierzig Monaten verurteilt. Danach hat er gemeinsam mit zwei Mitangeklagten am 20. Jänner 2006 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem sie einem verdeckten Ermittler 374 Gramm Kokain (130 Gramm netto) zum Ankauf übergaben, wobei J***** in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 3 in ON 46).

Über den am 20. Jänner 2006 festgenommenen John J***** wurde am 22. Jänner 2006 die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1, Z 3 lit b und c StPO verhängt (ON 10). Zuletzt setzte der Vorsitzende des Schöffensenats mit Beschluss vom 8. Juni 2006 die Haft aus den bezeichneten Haftgründen fort (ON 62). Der dagegen erhobenen Beschwerde des John J***** gab das Oberlandesgericht Wien mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss keine Folge, wobei es neuerlich die genannten Haftgründe annahm (ON 70).

In der rechtzeitig erhobenen Grundrechtsbeschwerde moniert John J***** eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes des § 193 Abs 1 StPO, weil ihm die schriftliche Urteilsausfertigung erst elf Wochen nach der mündlichen Urteilsverkündung in der Haftverhandlung am 8. Juni 2006 übergeben wurde.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft prüft der Oberste Gerichtshof in jüngerer Rechtsprechung in zwei Schritten, nämlich, ob angesichts der vom Oberlandesgericht angeführten bestimmten Tatsachen der von diesem gezogene Schluss auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe vertretbar war (§ 180 Abs 1 zweiter Satz StPO) und, ob die Gerichte alles ihnen Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen haben (vgl 13 Os 70/06b; 13 Os 48/06t). Nur eine ins Gewicht fallende Säumigkeit in Haftsachen kann auch ohne Verletzung des § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO grundrechtswidrig im Sinn einer Verletzung des § 193 Abs 1 StPO sein (vgl 13 Os 48/06t; vgl 11 Os 75/03, EvBl 2003/192, 908 = SSt 2003/51).

Die vierwöchige Ausfertigungsfrist des § 270 Abs 1 StPO normiert den vom Gesetzgeber angestrebten Regelfall (vgl Danek, WK-StPO, § 270 Rz 4). Deren Überschreitung um sieben Wochen, stellt im Hinblick auf den Aktenumfang und den Umstand, dass sowohl die Übertragung des Hauptverhandlungsprotokolls als auch das Diktat sowie die Herstellung der Urschrift des von zwei Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung bekämpften Urteils eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, noch keine ins Gewicht fallende Säumigkeit dar, die eine grundrechtsrelevante Verletzung des in § 193 Abs 1 StPO statuierten Beschleunigungsgebotes bewirkte.

In Anbetracht des vom Erstgericht gefundenen Strafmaßes von zweiundvierzig Monaten, an dem sich die Prüfung des nach § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO angemessenen Verhältnisses zu der zu erwartenden Strafe auszurichten hat (vgl 15 Os 34/04; RIS-Justiz RS0108401), kann nach Lage des Falles von einer Unangemessenheit der im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs zweiter Instanz knapp fünf Monate dauernden Untersuchungshaft keine Rede sein.

Aus den aufgezeigten Gründen liegt eine Grundrechtsverletzung nicht vor, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Stichworte