OGH 7Ob185/06s

OGH7Ob185/06s20.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andrea B*****, vertreten durch Dr. Hubert Fitz, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei W***** AG, *****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen Feststellung (Streitwert: EUR 6.437,30), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. Mai 2006, GZ 3 R 98/06v-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 3. Februar 2006, GZ 6 C 1419/05k-7, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung des auf die Feststellung gerichteten Klagebegehrens, der beklagte Unfallversicherer sei verpflichtet, den Grad der Invalidität der linken Hand der Klägerin nach dem Unfall vom 9. 9. 2000 durch eine Ärztekommission (gemäß Art 15 Punkt 1 AUVB 1995) feststellen zu lassen, bestätigt. Dem Begehren fehle das Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO, weil die - nach schlüssigem Verzicht der beklagten Partei auf die Einleitung des Ärztekommissionsverfahrens - bereits fällige Versicherungsleistung mit Leistungsklage geltend gemacht werden könne.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil keine höchstgerichtliche Entscheidung dazu vorliege, ob der Anspruch des Versicherten auf die Versicherungsleistung bereits fällig sei, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht dem Grunde nach anerkannt und Teilleistungen erbracht habe, jedoch die Einrichtung einer Ärztekommission schlüssig dadurch ablehne, das er unter Bezugnahme auf eine bereits erfolgte Abschlussuntersuchung eine weitere Versicherungsleistung verweigere.

Die Revisionswerberin beruft sich darauf, das Berufungsgericht habe die Revision aus den dargestellten Gründen zu Recht zugelassen. Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Klägerin lediglich aus, der Beurteilung des Berufungsgerichtes sei entgegenzuhalten, dass der als Schiedsgutachtervertrag zu wertende Art 15 Punkt 1 AUVB 1995 von der Beklagten nicht nach Belieben angewendet oder missachtet werden könne. Es stehe ja auch der Klägerin nicht einfach frei, ihn zu beachten oder zu missachten. Beide Vertragsteile hätten sich [vielmehr] vertragstreu nach dem Versicherungsvertrag zu verhalten, in dem eben die Anrufung der Ärztekommission vorgesehen sei. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb sich die Beklagte einfach über diesen Schiedsgutachtervertrag hinwegsetzen könne. Richtig ist, dass die in den AUVB zu Gunsten beider Parteien zum Zweck der Herbeiführung einer raschen und kostengünstigen Entscheidung über die Höhe des Invaliditätsgrades (vgl 7 Ob 56/02i, RIS-Justiz RS0116382) vorgesehene Einrichtung einer Ärztekommission einen Schiedsgutachtervertrag im Sinne des § 184 Abs 1 VersVG (vgl auch § 64 Abs 1 VersVG) darstellt, dem zwar keine prozesshindernde Wirkung zukommt, der aber bewirkt, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers in materiell rechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht fällig ist, solange das Ärztekommissionsverfahren nicht durchgeführt wurde (SZ 62/167; VR 1993/317; VersR 2000, 82 ua; RIS-Justiz RS0081371 und RS0082250; zu allem jüngst: 7 Ob 184/06v). Davon, dass die hier angesprochene Frage vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden sei, kann jedoch keine Rede sein: Der Oberste Gerichtshof hat sich nämlich mit Fragen der Auslegung und schlüssigen Verzichtsannahme eines Versicherers auf ein im Rahmen der Versicherungsbedingungen - wie im vorliegenden Fall - fakultativ (RIS-Justiz RS0116382) vereinbartes Sachverständigenverfahren (arg:

„kann ... die Entscheidung einer Ärztekommission beantragen" [Art 15 Punkt 2 und 3 AUVB 1995]) bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen beschäftigt, sodass hiezu von einer gefestigten und einhelligen Judikatur ausgegangen werden kann (RIS-Justiz RS0038854; RS0080481; RS0081215; RS0081393; RS0082250; zuletzt: 7 Ob 197/05d). Entgegen den Ausführungen zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Versicherer auf die Einrede des Sachverständigenverfahrens verzichten kann, indem er dieses (nur fakultativ vorgesehene) nicht verlangt (RIS-Justiz RS0081393; 7 Ob 15/05i mwN). Ein solcher Verzicht kann auch schlüssig erfolgen (wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist [RIS-Justiz RS0014570]) und wurde immer dann angenommen, wenn der Versicherer - wie hier - die Versicherungsleistung endgültig ablehnt. In diesem Fall wird der Entschädigungsanspruch sofort fällig (RIS-Justiz RS0080481; 7 Ob 15/05i mwN).

Aus diesem Grund hat der erkennende Senat eine im Zusammenhang mit der - dem Art 15 AUVG vergleichbaren - Klausel des Art 11 ABS (wonach „jeder Vertragspartner verlangen kann, dass Ursache und Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt werden ...") erhobene außerordentliche Revision bereits mit Hinweis auf die dargestellten Grundsätze zurückgewiesen (7 Ob 15/05i). Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

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