OGH 6Ob264/06a

OGH6Ob264/06a30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Rosemarie E*****, 2. Maria L*****, sowie 3. Angelika S*****, diese vertreten durch die Zweitklägerin als einstweilige Sachwalterin, alle vertreten durch Gabler Gibel & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Harald B*****, vertreten durch Dr. Manfred Steininger, Rechtsanwalt in Wien, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Michael P*****, wegen EUR 18.168,21 sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 22. Juni 2006, GZ 15 R 189/05g-38, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. September 2005, GZ 3 Cg 167/01b-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.151,12 (darin EUR 191,85 USt) sowie dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei die gleichfalls mit EUR 1.151,12 (darin EUR 191,85 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger begehren Schadenersatz in Höhe von EUR 18.168,21 (S 250.000). Sie seien die Erbinnen nach Dr. Rosa S*****, die ihrerseits Alleinerbin nach Dr. Erwin S***** gewesen sei. Beide Verlassenschaftsverfahren seien vom Beklagten als beauftragten Erbenmachthaber abgewickelt worden. Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Döbling vom 26. 7. 1996 sei der Nachlass nach der verstorbenen Mutter Dr. Rosa S***** zu je einem Drittel an die Klägerinnen eingeantwortet worden.

In den Nachlass der Eltern seien auch sieben Grundstücke in Florida gefallen. Mit diesen Grundstücken sei die Kanzlei des Beklagten bereits zu Lebzeiten der Mutter wegen eines allfälligen Verkaufs befasst gewesen. Vom Substituten des Beklagten sei der Erstklägerin empfohlen worden, erst nach Vorliegen der Einantwortungsurkunde im österreichischen Verlassenschaftsverfahren die Umschreibung der Liegenschaften in Florida durchzuführen. Die Erstklägerin habe den Substituten des Beklagten in den Jahren 1997 und 1998 auf die Umschreibung angesprochen. Ihr sei nach mehreren Urgenzen mitgeteilt worden, dass die entsprechenden Schritte bereits in die Wege geleitet worden seien. Im September 2000 sei der Erstklägerin mitgeteilt worden, dass drei der sieben Grundparzellen mittlerweilen wegen rückständiger Steuerbeträge im Jänner 2000 versteigert worden seien. Der Beklagte sei Vertragspartner der Klägerinnen bei der Abwicklung der gegenständlichen Angelegenheiten gewesen und hafte für seinen ehemaligen Substituten sowie für ein etwaiges Fehlverhalten des von der Kanzlei des Beklagten zur Unterstützung der Abwicklung beauftragten Nebenintervenienten. Hätte der Beklagte den erteilten Auftrag ordnungsgemäß abgewickelt, wäre eine Zwangsversteigerung der Liegenschaften verhindert worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Dr. Erwin S***** hatte Anfang der 60-er Jahre insgesamt sieben Liegenschaften im Bundesstaat Florida in den USA erworben. Für diese (unbebauten) Liegenschaften war jährlich an die amerikanische Steuerbehörde Grundsteuer zu zahlen. Diese Grundsteuer wurde von ihm zu seinen Lebzeiten jeweils bezahlt. Nach seinem Ableben erhielt seine Gattin die Zahlungsaufforderungen. Nach deren Ableben erfuhren die Klägerinnen nichts von den Vorschreibungen, weil sie keinen Nachsendeauftrag erteilt hatten.

Dr. Rosa S***** hatte einen amerikanischen Immobilienmakler mit der Vermittlung der Liegenschaften beauftragt, der auch schon Interessenten gefunden hatte und entsprechende Kaufverträge aufgesetzt hatte. In weiterer Folge stellte sich allerdings heraus, dass es mangels Umschreibung der Liegenschaften auf Dr. Rosa S***** Probleme bei der Eigentumsübertragung geben könnte. Der amerikanische Immobilienmakler hatte zur Abwicklung der Kaufverträge vor Ort eine amerikanische Rechtsanwaltskanzlei beauftragt.

Am 13. 4. 1995 richtete der Substitut des Beklagten ein Schreiben an Dr. Rosa S*****, in dem er den Erhalt der Unterlagen bestätigte und ausführte, dass er die entsprechende Umschreibung in den Vereinigten Staaten veranlassen werde. In weiterer Folge kam es wiederum zu einer Korrespondenz zwischen der amerikanischen Rechtsanwaltskanzlei und dem Substituten des Beklagten, bei deren Übersetzung der Nebenintervenient Unterstützung leistete.

In der Folge eruierte der Nebenintervenient, dass eine direkte Übertragung der Grundstücke von Dr. Erwin S***** auf die Klägerinnen nicht möglich war. Von den amerikanischen Anwälten wurden nach Übermittlung der Unterlagen eineinhalb Jahre keine Schritte unternommen, um eine Umschreibung der Liegenschaften zu veranlassen. Der Substitut des Beklagten empfahl der Erstklägerin, die Umschreibung der Liegenschaften erst nach Vorliegen der Einantwortungsurkunde nach Dr. Rosa S***** im österreichischen Verlassenschaftsverfahren fortzuführen. Vereinbart wurde, dass die Kanzlei des Beklagten nach Vorliegen der Einantwortungsurkunde die Umschreibung der Liegenschaft in den USA veranlassen sollte. Die Verwaltung dieser Liegenschaften wurde dem Beklagten von den Klägerinnen nicht aufgetragen. Nach mehreren Urgenzen trieb der Nebenintervenient die Umschreibung der Liegenschaften in den USA voran. Er brachte auch in Erfahrung, dass voraussichtlich für fehlende Steuerbeträge Nachzahlungen zu leisten sein würden. Er wurde allerdings von den amerikanischen Anwälten nicht darüber aufgeklärt, dass eine Versteigerung der Liegenschaften wegen offener Steuerrückstände drohen könnte. Auf die Möglichkeit von Steuernachzahlungen wies der Nebenintervenient die Erstklägerin ausdrücklich hin.

Hätten die Klägerinnen bis zum damaligen Zeitpunkt 1999 die Grundsteuern bezahlt, wäre es im Jahr 2000 zu keiner Versteigerung gekommen. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Erstklägerin bereits einen Steuerberater mit der Wahrnehmung ihrer steuerlichen Interessen betraut.

Auf Grund der Nichtzahlung der Grundsteuer in den Jahren 1996 bis 1998 wurde von den amerikanischen Steuerbehörden Mitte des Jahres 1999 die Versteigerung von drei Liegenschaften betrieben. Die amerikanische Steuerbehörde versuchte Dr. Erwin S***** von der Versteigerung zu verständigen, erhielt dieses Schreiben jedoch als nicht zustellbar (verstorben, verzogen) zurück. Am 5. 1. 2000 kam es schließlich zur Versteigerung der drei Liegenschaften, die in weiterer Folge von amerikanischen Immobilientreuhändern und einem weiteren Ersteher ersteigert wurden.

Nach mehreren Urgenzen erreichte schließlich im Sommer 2000 der Nebenintervenient einen Anwalt der beauftragten amerikanischen Kanzlei, der ihm mitteilte, dass drei Liegenschaften versteigert worden waren. Weiters teilte er mit, dass auch hinsichtlich der restlichen Liegenschaften wegen der offenen Grundsteuern ein Versteigerungsverfahren eingeleitet worden war und dass die Versteigerung dieser Liegenschaften Ende September 2000 erfolgen sollte. Der Nebenintervenient teilte darauf der Erstklägerin diesen Umstand mit und wies darauf hin, dass die Grundsteuer umgehend zu überweisen sei.

In der Folge beauftragte der nunmehrige Klagevertreter eine andere Rechtsanwaltskanzlei mit der Umschreibung der restlichen Liegenschaften, was innerhalb von drei Monaten erfolgte. Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass es Sache der Klägerinnen gewesen sei, sich um die Bezahlung ihrer offenen Steuerschulden in den USA zu kümmern. Eine Verpflichtung des Beklagten, die Klägerinnen über die Rechtsfolgen einer Nichtbezahlung offener Steuerschulden zu belehren, habe nicht bestanden. Damit sei aber das Verhalten der Klägerinnen selbst ursächlich für den Verlust der drei Liegenschaften in den USA. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die allfällige Verzögerung bei der Antragstellung auf Durchführung eines Verlassenschaftsverfahrens in den USA habe die Tatsache der Versteigerung nicht bewirkt. Diese sei vielmehr ausschließlich dadurch verursacht worden, dass die Klägerinnen nach dem Tod der Mutter für deren ausländischen Liegenschaftsbesitz keine Steuern zahlten, keine Vorkehrungen zur Verwaltung der in den USA gelegenen Liegenschaften trafen und das Bestehen einer Steuerpflicht längere Zeit nicht in Betracht zogen. Mangels eines entsprechenden Auftrags habe der Substitut des Beklagten davon ausgehen können, dass die Erbinnen die Besorgung und Verwaltung der im Ausland gelegenen Liegenschaft ebenso wahrnehmen würden wie die Erblasserin. Die Mitteilung der Erstklägerin an den Substituten des Beklagten, sie habe keine Steuern bezahlt, impliziere nicht den Auftrag, Tätigkeiten zu entfalten, um die Höhe der Schuld auszuforschen. Im Übrigen habe die Erstklägerin selbst angegeben, der Substitut des Beklagten habe sie darauf hingewiesen, man müsse aufpassen, dass die Amerikaner die Liegenschaft „nicht unter dem Hintern wegziehen". Dies sei als Warnung vor Verwertungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der von der Erstklägerin erwähnten Untätigkeit in Steuersachen zu verstehen. Hätten die Klägerinnen aber aus Anlass der Information, dass bei der Umschreibung die Steuerschulden zu berichtigen seien, die Steuerschuld tatsächlich bezahlt, wäre die Versteigerung, die erst im Jänner 2000 erfolgte, ohne weiteres abzuwenden gewesen. Zusammenfassend sei daher die Versteigerung auf Grund von Pflichtverletzungen der Klägerinnen erfolgt, die nicht der Beklagte verursacht habe. Es wäre Sache der Klägerinnen gewesen, die Steuerbehörden in den USA von ihrer Zustellanschrift zu verständigen, um die Zustellung der jährlichen Steuervorschreibungen zu ermöglichen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Beurteilung des Umfangs von Belehrungspflichten in Ausübung eines Mandates mit Auslandsbezug vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden worden sei.

Die Revision ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechtes abhängt. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen eine richtungsweisende, die Rechtsentwicklung vorantreibende und für zukünftige Entscheidungen nutzbringende Judikatur des Obersten Gerichtshofs sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181).

2. Die Vorinstanzen haben die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Umfang der Sorgfaltspflicht der Vertreter der rechtsberatenden Berufe (vgl insbesondere RIS-Justiz RS0038682, RS0038724, RS0038715 und RS0112203) beachtet. In der Auffassung der Vorinstanzen, im Hinblick auf die besondere Konstellation des Einzelfalles, insbesondere die bereits erfolgte Befassung eines Steuerberaters, eines amerikanischen Immobilienmaklers und einer amerikanischen Anwaltskanzlei liege kein unter Schadenersatzgesichtspunkten relevanter Sorgfaltsverstoß des Beklagten vor, ist eine im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung jedenfalls nicht zu erblicken.

3. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Nebenintervenient auch von Seiten der beauftragten amerikanischen Kanzlei nicht auf das unmittelbar anhängige Versteigerungsverfahren hingewiesen wurde. Im Übrigen haben die Klägerinnen auf die drastische Warnung des Substituten des Beklagten, es bestehe die Gefahr, dass ihnen die Liegenschaft in den USA „unter dem Hintern weggezogen" werde, nicht reagiert, obwohl zum damaligen Zeitpunkt das Versteigerungsverfahren durch Zahlung der Steuerrückstände noch abgewendet werden hätte können.

4. Nicht zu beanstanden ist auch die Einschätzung der Vorinstanzen, die Beauftragung des Beklagten habe nicht auch die Verwaltung der Liegenschaften umfasst, zumal die Verwaltung nicht nur vom seinerzeitigen Eigentümer Dr. Erwin S*****, sondern auch nach dessen Ableben von seiner Gattin Dr. Rosa S***** selbst vorgenommen wurde.

5. Im Hinblick auf die dargestellten Besonderheiten des Sachverhalts besteht im vorliegenden Fall für die Entwicklung von - vom Berufungsgericht in der bisherigen Judikatur vermissten - allgemeinen Grundsätzen für den Umfang der Belehrungs- und Sorgfaltspflicht rechtsberatender Berufe bei Sachverhalten mit Auslandsberührung kein Raum. Die Revision war daher spruchgemäß zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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