OGH 3Ob176/06p

OGH3Ob176/06p30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrud G*****, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Maria S*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, wegen Rechnungslegung, infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. Mai 2006, GZ 2 R 57/06h-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. Jänner 2006, GZ 38 Cg 78/04z-42, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei über die Verwendung der vom Konto Nr ***** bei der S***** in der Zeit vom 7. November 2002 bis 30. Juni 2003 an sie überwiesenen Gelder Rechnung zu legen, abgewiesen wird.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten wird der Endentscheidung im fortzusetzenden Verfahren über das Zahlungsbegehren der klagenden Partei vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 4. März 1929 geborene Klägerin erlitt bei einem Verkehrsunfall am 14. September 2001 schwere Verletzungen, u.a. eine Schädelbasisfraktur. Nach ihrer Rehabilitation lebte sie vom 17. November 2001 bis 23. Juni 2003 im Haushalt ihrer Tochter (der Beklagten), die sie betreute. Die Gedächtnisleistungen der Klägerin waren so eingeschränkt, dass sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen konnte. Sie war auch nicht in der Lage, die Tragweite von Schenkungen einzuschätzen. Für die Klägerin wurde ein Sachwalter bestellt. Die Schadenersatzleistungen der Versicherung des Unfallsgegners sowie die laufenden Pensionszahlungen der Klägerin wurden von ihrem Bankkonto abgeschöpft und auf ein Konto der Beklagten überwiesen. Diese verwendete die Beträge zum Teil für sich, zum Teil zur Deckung der Bedürfnisse der Klägerin. Vom Geld der Klägerin wurde eine Küche um 8.920 EUR für den Haushalt der Tochter angeschafft.

Die Klageführung der durch ihren Sachwalter vertretenen Klägerin wurde im Zuge des Verfahrens pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Die Klägerin begehrte mit ihrem im zweiten Rechtsgang neu formulierten Rechnungslegungsbegehren (Eventualbegehren aus dem ersten Rechtsgang) die Rechnungslegung über die Verwendung der auf das Konto der Beklagten in der Zeit vom 7. November 2002 bis 30. Juni 2003 überwiesenen Beträge und stellte in der Tagsatzung vom 27. Oktober 2004 (ON 14 AS 37, 67 f) ein Eventualbegehren auf Zahlung von 57.558,24 EUR. Die Klägerin sei geschäftsunfähig gewesen. Die Beklagte verweigere eine Rechnungslegung, sodass der Klägerin eine Überprüfung der Verwendung der Gelder unmöglich sei. Eine laufende Verrechnung sei nicht vereinbart worden.

Die Beklagte wandte ein, dass die Klägerin laufend über die Verwendung der Gelder informiert worden sei. Sie sei auch geschäftsfähig gewesen und hätte jederzeit Einsicht in die Bankunterlagen nehmen können. Der Beklagten seien insgesamt 57.558,24 EUR zugeflossen. Die Beklagte habe mit ihrem Schriftsatz vom 30. November 2004 (ON 17) eine vollständige Abrechnung vorgelegt. Eine darüber hinausgehende detailliertere Abrechnung über die laufenden Kosten der Lebensmittel, der zur Verfügung gestellten Kleidung und des Taschengelds sei bei einer Rechnungslegung im Familienkreis nicht verkehrsüblich. Die Küche sei der Beklagten geschenkt worden. Das Erstgericht gab mit seinem Teilurteil dem Rechnungslegungsbegehren statt. Es stellte über den im Wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch die von der Beklagten im Schriftsatz ON 17 gelegte Abrechnung fest:

„Zugeflossene Beträge EUR 57.558,24

- Rückzahlung EUR 15.492,47

Pflegeaufwand zumindest EUR 18.006,--

Unterkunft 19 Monate à EUR 400,-- EUR 7.600,--

Küche EUR 8.920,--

Taschengeld 19 Monate à EUR 100,-- EUR 1.900,--

sonstige Ausgaben für die Klägerin

(Lebensmittel etc.) EUR 3.800,--

rechnerisches Guthaben EUR 1.839,77".

Das Erstgericht traf weiters noch die Negativfeststellung, dass mit Ausnahme der Verwendung von 8.920 EUR für die Anschaffung der Küche nicht festgestellt werden könne, welche weiteren konkreten Zahlungen mit den von der Beklagten vereinnahmten Geldbeträgen geleistet worden seien.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass die Klägerin bei Einrichtung des Abschöpfungsauftrags geschäftsunfähig gewesen und deshalb eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung vorzunehmen sei (§ 877 ABGB). Dabei müsse sich die geschäftsunfähige Klägerin den erhaltenen Nutzen anrechnen lassen. Die Bezifferung des Rückforderungsanspruchs sei mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Der Klägerin stehe daher die Rechnungslegung gemäß Art XLII EGZPO zu. Die Rechnungslegung müsse schriftlich und detailliert sein. Sie müsse Angaben enthalten, die eine Überprüfung der Rechnung ermöglichten. Die von der Beklagten vorgelegte Abrechnung entspreche nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung. Das Ansetzen eines Pauschalbetrags von 3.800 EUR für einen Zeitraum von 19 Monaten für sonstige Ausgaben (Lebensmittel etc) sei keine Rechnungslegung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen, teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts unter Hinweis auf § 500a ZPO und führte als eigenständige Begründung zur Berechtigung des Rechnungslegungsbegehrens nur aus, dass sich aus der Abrechnung der Beklagten über den Pflegeaufwand von 18.006 EUR und den Betrag von

7.600 EUR für Unterkunft nur ergebe, dass die Beklagte aus diesen Titeln Forderungen habe. Daraus ergebe sich aber nichts über die tatsächliche Verwendung der Gelder. Es läge daher keine ordnungsgemäße Rechnungslegung vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Beklagte, das Klagebegehren vollinhaltlich abzuweisen.

Mit der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung verweist die Klägerin zunächst auf die Unzulässigkeit der Revision und beantragt sodann, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren unstrittig blieb die materielle Rechnungslegungspflicht der Beklagten (etwa aus dem Grund eines schlüssigen Pflegevertrags, einer Vermögensverwaltung oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Rechnungslegung ist der Beklagten zweifellos auch zumutbar (RIS-Justiz RS0117020). Auf der Basis des festgestellten, unstrittigen Sachverhalts ist die entscheidungswesentliche Rechtsfrage zu untersuchen, ob mit der festgestellten Abrechnung der Beklagten mit ihrem Schriftsatz vom 30. November 2004 (ON 17; Feststellungen des Erstgerichtes S 10 im Zusammenhang mit dem wiedergegebenen Parteivorbringen der Beklagten im angeführten Schriftsatz S 7 des erstinstanzlichen Urteils) der Rechnungslegungsanspruch schon erfüllt wurde (stRsp, RIS-Justiz RS0004372), die Klägerin also ihr Klagebegehren auf Rechnungslegung wegen Klaglosstellung einschränken hätte müssen (9 ObA 201/89 mwN).

Dazu ist Folgendes auszuführen:

I. Zum Umfang der Rechnungslegungspflicht:

1. Grundsätzlich muss eine detaillierte Einnahmen-Ausgabenrechnung gelegt werden (SZ 43/107). Fehlen von Belegen entbindet nicht von der Rechnungslegung (SZ 36/74 u.a.; RIS-Justiz RS0034995). Die Rechnungslegung muss auch Angaben über den Verwendungszweck enthalten (SZ 29/37 u.a.; RIS-Justiz RS0035019) und soll dem Berechtigten eine Überprüfung ermöglichen (RIS-Justiz RS0035039, RS0035036), insbesondere wenn eine Klage auf Leistung auf erhebliche Schwierigkeiten stößt (RIS-Justiz RS0106851). Die Überprüfung anhand der Rechnung soll in Richtung Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit (hier der vereinnahmten Gelder) erfolgen können (RIS-Justiz RS0035039).

2. Es besteht aber nach stRsp immer nur Anspruch auf eine „formell vollständige Rechnung" (RIS-Justiz RS0034995), nicht aber auf eine wahrheitsgemäße Rechnungslegung (RIS-Justiz RS0019560, RS0004372).

3. Der Umfang der Rechnungslegungspflicht ist nach der Natur des Geschäfts und den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Verwandtschaft der Beteiligten kann Einfluss auf diese Beurteilung haben (1 Ob 153/04p mwN).

II. Zur Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall:

Nach der vom Berufungsgericht gebilligten Ansicht des Erstgerichts sei die Pauschalabrechnung über Ausgaben von 3.800 EUR für „Lebensmittel etc." über den Zeitraum von 19 Monaten unzureichend.

Das Berufungsgericht ergänzte diese Beurteilung nur dahin, dass sich

aus der Abrechnung der Beklagten über den Pflegeaufwand von 18.006

EUR und die Unterkunftskosten von 7.600 EUR nichts über die

tatsächliche Verwendung der Gelder ergebe. Diese Argumente sprechen

jedoch keineswegs gegen die Annahme einer formell vollständigen

Rechnung iSd zitierten Rsp (RIS-Justiz RS0034995):

Wesentlich ist der Umstand, dass mit der gelegten Abrechnung im

Prozess eine ausreichende Grundlage für die Bezifferung eines

Leistungsbegehrens geschaffen wurde. Die vorgenommenen

Pauschalierungen für Miete und Pflegeaufwand schaden nicht, weil eine

Detaillierung nach Monaten erfolgte und eine Überprüfung der

Angemessenheit der von der Beklagten monatlichen verlangten Beträge

möglich ist. Entgegenzutreten ist dem Argument des Berufungsgerichts,

die Beklagte müsse Angaben über die tatsächliche Verwendung der vereinnahmten Gelder machen. Die Beklagte deklarierte ausreichend klar, dass sie das Geld der Klägerin im angesprochenen Umfang für sich aus den angeführten Titeln (Pflegeaufwand; Miete) beanspruche und vereinnahmt habe. Der Klägerin steht kein Auskunftsanspruch darüber zu, wofür die Beklagte diese Gelder für eigene Zwecke verwendete (etwa für Urlaube, Anschaffungen u.a.), sondern nur darüber, welche Geldbeträge aus welchem Grund sie für die Klägerin verwendete.

Von der Beklagten eine Detaillierung der (behaupteten) regelmäßigen Ausgaben für die Klägerin (Lebensmittel, Kleidung, Taschengeld) zu verlangen (das Erstgericht hält offensichtlich eine Auflistung „aller Geschäftsfälle" für erforderlich), hieße die Rechnungslegungspflicht unter Verwandten zu überspannen.

Der Revision ist daher stattzugeben und mit Teilurteil das Rechnungslegungsbegehren wegen im Prozess erfolgter Erfüllung des Auskunftsanspruchs der Klägerin abzuweisen. Im fortzusetzenden Verfahren wird über das Zahlungsbegehren der Klägerin nach inhaltlicher Überprüfung der Richtigkeit der vorgenommenen Abrechnung zu entscheiden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller Instanzen wird der Endentscheidung vorbehalten, weil die Klägerin schon ein ziffernmäßig bestimmtes Zahlungsbegehren gestellt hat und das Verfahren daher darüber fortzusetzen ist.

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