OGH 1Ob68/63

OGH1Ob68/638.5.1963

SZ 36/74

Normen

Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII
Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung ArtXLII

 

Spruch:

Der rechnungslegungsberechtigte Auftraggeber hat Anspruch auf eine ordnungsgemäß zusammengestellte, formell vollständige Rechnung; die bloße Überlassung der Belege zur Einsicht genügt nicht. Das Fehlen eigener Aufzeichnungen und von Belegen kann den Rechnungslegungspflichtigen nicht von der Rechnungslegungspflicht befreien.

Entscheidung vom 8. Mai 1963, 1 Ob 68/63.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die klagende Partei begehrt das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, ihr "für die Zeit vom 1. Jänner bis 6. Juni 1959 über die im Rahmen des zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei geschlossenen Werksfrächtervertrages in der Sand- und Schottergrube der klagenden Partei erzielten Bruttoumsätze an gewonnenem Sand- und Schottermaterial aller Art und über die in derselben Zeit vorgenommenen Inkassi aus Sand- und Schotterlieferungen und weiters über die in der Zeit vom 8. Juni 1959 bis 2. September 1960 widerrechtlich aus der obigen Schottergrube vorgenommenen Entnahmen an Sand und Schotter aller Art sowie über die in dieser Zeit widerrechtlich vorgenommenen Inkassi unter Vorlage der Bücher und Originalunterlagen Rechnung zu legen".

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. In seinen Gründen verwies es darauf, daß der Kläger übersehe, daß nach den Feststellungen des Erstgerichtes die gesamten Aufzeichnungen und Unterlagen sich beim Kläger befunden haben und auch von ihm und dessen Angestellten geführt worden seien; der Kläger habe demnach jederzeit die Möglichkeit, an Hand der bei ihm aufliegenden Unterlagen festzustellen, welche Beträge der Beklagte nicht abgeliefert habe. Damit sei aber einer Klage auf Rechnungslegung die Grundlage entzogen. Im übrigen sei die vom Kläger behauptete Vereinbarung nicht erwiesen, sodaß eine Rechnungslegungspflicht des Beklagten nicht bestehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Urteil der Untergerichte auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Deswegen allein, weil sich bei einem Rechnungslegungsberechtigten die gesamten Aufzeichnungen und Unterlagen befinden, kann noch nicht das Rechnungslegungsbegehren abgewiesen werden. Dabei ist zweierlei übersehen. Der rechnungslegungsberechtigte Auftraggeber hat Anspruch auf eine ordnungsgemäß zusammengestellte, formell vollständige Rechnung; die bloße Überlassung der Belege zur Einsicht genügt nicht (OGH. 7. Dezember 1881, GlU. 8580). Ferner kann den Rechnungslegungspflichtigen das Fehlen eigener Aufzeichnungen und von Belegen nicht von der Rechnungslegungspflicht befreien. So hat etwa der Oberste Gerichtshof entschieden, daß dann, wenn der Beauftragte das Geschäft nicht ausgeführt oder mit dem Geld des Auftraggebers ein anderes Geschäft gemacht hat, das er als für Rechnung des Auftraggebers erfolgt gelten lassen will, die Rechnungslegung darin besteht, daß der Beauftragte einbekennt, das aufgetragene Geschäft unterlassen und ein anderes Geschäft ausgeführt zu haben (OGH. 23. April 1952, 1 Ob 307/52, SZ. XXV 99). Die Frage, ob im Zusammenhang mit dem Vorhandensein oder dem Fehlen von Belegen, allenfalls mit der bereits erfolgten Übergabe von Belegen eine Rechnungslegungspflicht besteht, bzw. unter welchen Voraussetzungen sie besteht, läßt sich erst entscheiden, wenn der einschlägige Sachverhalt feststeht.

Es ist auch nicht richtig, daß schon deswegen, weil eine behauptete Rechnungslegungsvereinbarung nicht erwiesen wurde, keine Rechnungslegungspflicht besteht. Dabei sind die Fälle einer gesetzlichen Rechnungslegungspflicht etwa auf Grund eines Bevollmächtigungsvertrages übersehen, worauf das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ohnedies Bedacht nimmt.

Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof erkannt, daß sich ein Rechnungslegungsanspruch aus der Natur von privatrechtlichen Beziehungen als Hilfsanspruch ergeben kann (OGH. 26. Oktober 1959, 4 Ob 334/59, SZ. XXXII 128 (S. 349); 23. Oktober 1962, 4 Ob 108/62, bisher nicht veröffentlicht).

Aus den dargestellten Erwägungen mußte der Revision Folge gegeben werden; es waren die Urteile der Untergerichte aufzuheben, und es hatte die Rechtssache an die erste Instanz zurückverwiesen zu werden.

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