OGH 5Ob115/06g

OGH5Ob115/06g3.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Matthias B*****, vertreten durch Dr. Peter Lessky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 79,72 sA, über den Rekurs der klagenden Partei und den Kostenrekurs von Franz F***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2006, GZ 37 R 30/06w-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9. November 2005, GZ 21 C 1047/05m-10, aufgehoben, das vorangegangene Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben. Der Beschluss des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und ihm die Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Der Kostenrekurs von Franz F***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin bestellte Franz F***** am 2. 1. 1980 zum Hausverwalter. Er war betraut, die Klägerin in allen Angelegenheiten, die zu einer ordentlichen Verwaltung gehören, zu vertreten. Am 21. 8. 2002 erteilte er im Namen und auf Rechnung der Klägerin an den Klagevertreter eine unbeschränkte Prozessvollmacht und unterfertigte die Vollmachtsurkunde. Mit Beschluss vom 24. 8. 2004 berief die Mehrheit der Wohnungseigentümer Franz F***** als Hausverwalter zum 31. 12. 2004 ab. Die Beendigung des Verwaltervertrages war nicht durch die Bestellung eines neuen Verwalters bedingt. Die Vollmacht an den Klagevertreter wurde von der Klägerin in der Folge nicht widerrufen.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten zur Bezahlung des aushaftenden Betriebskosten-Akontos für Mai 2005 zu verpflichten. Der Klagevertreter beruft sich auf die genannte Prozessvollmacht. Der Beklagte wendet ein, dass das Verfahren nichtig sei, da der Klagevertreter nicht zur Klagseinbringung bevollmächtigt sei. Der Hausverwalter sei im August 2004 abberufen worden.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Bezahlung des Klagsbetrages. Es führte aus, dass der Klagevertreter die Klägerin, nicht den Hausverwalter vertrete, sodass die unstrittig wirksame Bevollmächtigung durch den Wechsel in der Person des Verwalters nicht berührt sei. Es liege daher kein Nichtigkeitsgrund gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO vor, sodass der Beklagte die offenen Betriebskosten-Akontozahlungen zu leisten habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Ersturteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage und die von der Klägerin erhobene Berufungsbeantwortung zurück, hob die Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens gegenseitig auf und verpflichtete den Verwalter persönlich zur Bezahlung der Kosten des Berufungsverfahrens. Es vertrat die Rechtsansicht, dass auf Grund der Abberufung des Hausverwalters der Klagevertreter im Mai 2005 weder einen Auftrag noch eine Vollmacht zur Einbringung der Klage gehabt habe. Die Vorschriften der ZPO über die Erfordernisse eines wirksamen Widerrufes der Prozessvollmacht gälten nur für den Widerruf nach Einleitung des Verfahrens. Sei die Vollmacht aber bereits vorher widerrufen worden oder sei sie von vornherein für ein bestimmtes bereits erledigtes Verfahren erteilt worden, dann kämen nicht die prozessualen Vorschriften über den Vollmachtswiderruf in Betracht, sondern die materiell-rechtlichen Vorschriften über das Vorhandensein einer Vollmacht. Da aber die Zwischenvollmacht des Hausverwalters erloschen sei und die Klage keinem Auftrag mehr entsprochen habe, müsse man zu dem Ergebnis gelangen, dass trotz des Anscheines einer Vollmacht eine solche in Wahrheit nicht vorgelegen sei. Der Mangel der Zwischenvollmacht habe den Mangel der Prozessvollmacht des Klagevertreters zur Folge. Dieser Mangel sei nach § 37 ZPO in jeder Lage des Verfahrens zu beachten und führe gemäß § 7 ZPO zur Zurückweisung der Klage. Aus Beilage ./3 sei ersichtlich, dass keine nachträgliche Genehmigung der Klagsführung durch die Klägerin erfolgt sei. Das Verfahren sei daher wegen Vorliegens eines Nichtigkeitsgrundes nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 1 und Z 3 ZPO, jedenfalls unzulässig sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Der Hausverwalter Franz F***** erhob einen Kostenrekurs. Der Beklagte beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, und zwar unabhängig davon, ob eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 ZPO releviert wird oder der Streitwert EUR 4.000,-- übersteigt (4 Ob 287/04s = EvBl 2005/161 mwN; RIS-Justiz RS0042831; Zechner in Fasching/Konecny2, § 519, Rz 70).

Der Kostenrekurs des Verwalters ist jedenfalls unzulässig nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO. Der Ausschluss eines (Revisions-)Rekurses an den Obersten Gerichtshofes im Kostenpunkt erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, mit denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird, auch wenn das Rechtsmittelgericht erstmals über einen Kostenanspruch entscheidet (RIS-Justiz RS0044233, RS0108950). Zur Verdeutlichung sei angemerkt, dass die akzessorische Kostenentscheidung ohnedies auch mit dem Beschluss aufgehoben wird. Der Rekurs der Klägerin ist im Sinne des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt.

Der mit der ordentlichen Verwaltung betrauten Hausverwalter durfte und konnte den Klagevertreter im Namen und auf Rechnung der Klägerin zu ihrem Rechtsvertreter bestellen (vgl 5 Ob 234/01z; Löcker in Hausmann/Vonkilch, § 28 WEG, Rz 107), was hier ohnehin unstrittig ist. Da der Hausverwalter die Vollmacht im Namen der Klägerin erteilte, besteht das Vollmachtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Klagevertreter. Die Wirksamkeit der Vollmacht an den Klagevertreter hängt also nur davon ab, ob der Hausverwalter im Zeitpunkt ihrer Erteilung dazu berechtigt war (vgl Zib in Fasching/Konecny2, §§ 31, 32 ZPO, Rz 40) und nicht davon, ob sie im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch weiter besteht. Die Prozessvollmacht ist eine Formalvollmacht mit gesetzlich definiertem Vollmachtsrahmen (§ 31 ZPO; Zib, aaO Rz 6 f). Sie ist im Außenverhältnis nur nach Maßgabe des § 32 ZPO beschränkbar. Davon ist das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem zu unterscheiden, nämlich die Frage, welchen Inhalt der Auftrag an den Bevollmächtigten hat (vgl zur begrifflichen Abgrenzung zwischen Vollmacht und Auftrag: Strasser in Rummel I3, § 1002 ABGB, Rz 1 ff). Die ordnungsgemäß erteilte Prozessvollmacht berechtigt daher den Bevollmächtigten nach außen zu allen in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Vertretungshandlungen unabhängig davon, ob sie von den erteilten Aufträgen im Innenverhältnis gedeckt sind. Damit wird die ungestörte Prozessführung gesichert. Es ist nicht Sache des Gerichtes zu prüfen, ob der Vollmacht auch ein Auftrag zugrundeliegt, wenn eine gehörig ausgefertigte Prozessvollmacht vorgelegt wird (8 Ob 603/86, RIS-Justiz RS0035893). Solange die Prozessvollmacht nicht widerrufen wird, ist daher der Bevollmächtigte zu allen prozessualen Handlungen im Sinne der §§ 31, 32 ZPO bevollmächtigt.

Der Klagevertreter berief sich auf die erteilte Vollmacht nach § 30 Abs 2 ZPO. Bestehen nach der Aktenlage Zweifel daran, ob tatsächlich die Prozessvollmacht erteilt wurde, so hat das Gericht dies zu prüfen (RIS-Justiz RS0035833). Dies hat das Erstgericht getan. Die Prüfung hat aber ergeben, dass die wirksam erteilte Prozessvollmacht von der Klägerin als Vollmachtgeberin in der Folge dem Klagevertreter gegenüber nicht widerrufen wurde. Da der Verlust der Handlungsfähigkeit des Machtgebers (hier allenfalls durch die Abberufung des Verwalters der klagenden Eigentümergemeinschaft ohne Bestellung eines neuen Verwalters) eine ehemals wirksam erteilte Vollmacht nicht erlöschen lässt (vgl 9 Ob 714/91 = EvBl 1992/76 ua; RIS-Justiz RS0019873), ist damit das Vollmachtsverhältnis unverändert aufrecht. Ob der Klagsführung im Innerverhältnis auch ein Auftrag der Klägerin zugrundelag oder nicht ist - im Gegensatz zur Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes - im Gerichtsverfahren ohne Bedeutung. Selbst wenn ein Anwalt (allenfalls disziplinär) ohne Auftrag tätig wird, hat dies auf die wirksam erteilte Prozessvollmacht und seine Vertretungsbefugnis keinen Einfluss. Der vom Berufungsgericht herangezogene Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 5 ZPO liegt daher nicht vor, weshalb sein Beschluss aufzuheben war. Das Berufungsgericht wird im fortzusetzenden Verfahren über die Berufung zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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