OGH 7Ob144/06m

OGH7Ob144/06m30.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der Bewohnerin Hermine P*****, geboren am 24. August 1916, *****, vertreten durch den Bewohnervertreter Michael V*****, Verein für Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft & Bewohnervertretung, *****, dieser vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in Wels, über den Revisionsrekurs des Bewohnervertreters gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 19. April 2006, GZ 51 R 38/06x-19, womit infolge Rekurses des Bewohnervertreters der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 21. März 2006, GZ 37 HA 1/06g-11, 12, (im Ergebnis) bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass die an der Bewohnerin Hermine P*****, geboren am 24. 8. 1916, vorgenommene freiheitsbeschränkende Maßnahme des Hinderns am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen mit Wirksamkeit bis 21. 9. 2006 für zulässig erklärt wird.

Text

Begründung

Die betroffene, am 24. August 1916 geborene Bewohnerin hat seit 25. 5. 2004 ihren Aufenthalt im „I*****-Wohnheim R*****" in I*****, einem Alters- und Pflegeheim, in dem wenigstens drei psychisch kranke oder drei geistig behinderte Menschen ständig betreut bzw gepflegt werden können.

Am 28. 2. 2006 beantragte der Bewohnervertreter unter anderem die gerichtliche Überprüfung der von der Heimleitung gesetzten Freiheitsbeschränkung des „Hinderns am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen" (ON 1). Diese Maßnahme stelle eine unzulässige Freiheitsbeschränkung dar, weil eine Selbstgefährdung nicht vorliege und in der Pflegedokumentation versuchte Alternativen und gelindere Mittel nicht erwähnt seien.

Weitere behauptete Freiheitsbeschränkungen (Hindern am Aussteigen aus dem Rollstuhl, am Verlassen des Zimmers sowie zwangsweises Duschen) wurden vom Erstgericht bereits rechtskräftig für unzulässig erklärt. Die noch strittige Maßnahme erklärte das Erstgericht mit Wirksamkeit bis zum 21. 9. 2006 für zulässig. Dazu stellte es Folgendes fest:

Die betroffene Bewohnerin leidet an einer psychischen Krankheit, nämlich an fortgeschrittener Altersdemenz und ist in ihrer Gesundheit insoferne ernstlich und erheblich gefährdet, als sie in ihrem Gefühl der Orientierungslosigkeit ohne die Anbringung von Bettgittern deutlich verstärkt wird, was zur Beschleunigung des Krankheitsverlaufes beiträgt und ihr Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt. Diese Gefahr kann aus „pflegerischer Sicht" nicht in anderer Weise als durch die freiheitsbeschränkende Maßnahme des Anbringens von Bettgittern abgewendet werden. Konkrete und ausreichende Pflege- und Betreuungsalternativen ergaben sich nicht, da beispielsweise eine „Pflegeschlange" nicht in der Lage ist, die Bewohnerin in ihrem Bedürfnis nach Sicherheit auch nur annähernd zu bestärken und es für die Betroffene wichtig ist, sich an einer stabilen Grenze zu orientieren.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, Betreuungsalternativen seien nicht annähernd in der Lage, das aufgezeigte Bedürfnis der Bewohnerin zu befriedigen und deckten vorwiegend andere pflegerische Bereiche ab, weshalb die Freiheitsbeschränkung gemäß §§ 4, 15 Abs 1 HeimAufG für die angeführte Dauer zulässig sei. Die Frist stehe mit § 15 Abs 2 HeimAufG in Einklang.

Dagegen erhob der Bewohnervertreter Rekurs, über den das Rekursgericht im Spruch wie folgt entschied: „Aus Anlass des Rekurses wird der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Antrag des Bewohnervertreters auf gerichtliche Überprüfung der Freiheitsbeschränkung der Anbringung von Seitenteilen am Bett der Betroffenen abgewiesen wird." Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Bewohnerin könne sich (unstrittig) nicht mehr selbständig fortbewegen. Wegen Fehlens jeglichen Bewegungsdranges und der fehlenden Möglichkeit der „aktiven Bewegung" bestehe lediglich die „latente" Gefahr, dass sie im Rahmen unkoordinierter Bewegungen aus dem Bett fallen und sich dadurch - unter Umständen gravierende - Verletzung zuziehen könnte. Darüber hinaus ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen aus dem Pflegebereich, dass sie nächtlich Angst äußere, sodass die Seitengitter an ihrem Bett diesbezüglich einen gewissen Schutz böten und dem Krankheitsbild der Orientierungslosigkeit sowie dessen Fortschreiten nachhaltig entgegenwirkten. Eine Freiheitsbeschränkung iSd § 3 HeimAufG könne jedoch nur an einer Person vorgenommen werden, die über die Möglichkeit zur willkürlichen körperlichen Bewegung verfüge; so sei insbesondere die Anbringung eines Sitzgurts am Rollstuhl einer gelähmten Person nicht als Freiheitsbeschränkung zu qualifizieren. Da die Bewohnerin die Fähigkeit, sich selbständig fortzubewegen, verloren habe und durch die Anbringung von Seitengittern an ihrem Bett keine ihr noch mögliche Orts- bzw Lageveränderung unterbunden werde, fehle den Seitengittern im konkreten Fall die Qualifikation einer freiheitsbeschränkenden oder -entziehenden Maßnahme im Sinne des § 3 Abs 1 HeimAufG. „In Abänderung" des angefochtenen Beschlusses erster Instanz sei der Antrag des Bewohnervertreters daher abzuweisen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Anbringung von Seitengittern an Betten von „bewegungsunfähigen" Heimbewohnern keine auf den vorliegenden Fall anwendbare höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Bewohnervertreters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass sein Überprüfungsantrag nicht abgewiesen, sondern die Freiheitsbeschränkung für unzulässig erklärt werde; hilfsweise wird beantragt, dem Rekursgericht - oder dem Erstgericht nach Zurückverweisung - aufzutragen, über die materielle Zulässigkeit der Freiheitsbeschränkung durch Anbringung des Bettgitters in der Sache zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, im Ergebnis jedoch nicht berechtigt.

Nach § 3 Abs 1 HeimAufG liegt eine Freiheitsbeschränkung im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn eine Ortsveränderung einer betreuten oder gepflegten Person (im Folgenden: Bewohner) gegen oder ohne ihren Willen mit physischen Mitteln, insbesondere durch mechanische, elektronische oder medikamentöse Maßnahmen, oder durch deren Androhung unterbunden wird. § 4 leg cit normiert, dass eine Freiheitsbeschränkung nur vorgenommen werden darf, wenn

1. der Bewohner psychisch krank oder geistig behindert ist und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben und die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet,

2. sie zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich und geeignet sowie in ihrer Dauer und Intensität im Verhältnis zur Gefahr angemessen ist sowie

3. diese Gefahr nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere schonendere Betreuungs- oder Pflegemaßnahmen, abgewendet werden kann. Nach den ErläutRV (353 BlgNR 22. GP 8 f) umschreibt § 3 HeimAufG den für die Anwendung des Gesetzes zentralen Begriff der Freiheitsbeschränkung:

„Nicht jede Beschränkung der Bewegungsfreiheit stellt einen Freiheitsentzug im verfassungsrechtlichen Sinn dar. Nur eine qualifizierte Beschränkung, nämlich der 'Entzug' der persönlichen Freiheit, ist vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund regelt das vorliegende Gesetz nur - im verfassungsrechtlichen Verständnis - freiheitsentziehende Maßnahmen. Das Gesetz verwendet trotz der verfassungsrechtlichen Terminologie in § 3 und in den weiteren Bestimmungen den Ausdruck 'Freiheitsbeschränkung'. Damit soll vermieden werden, dass die hier gemeinten Maßnahmen im Rahmen der Pflege oder Betreuung mit 'Freiheitsentziehungen' im strafrechtlichen und strafprozessualen Sinn assoziiert werden. Außerdem entspricht der Begriff 'Freiheitsbeschränkung' besser der Terminologie des UbG, das in seinem § 2 als Unterbringung neben der Anhaltung von Personen in einem geschlossenen Bereich auch sonstige individuelle 'Beschränkungen' der Bewegungsfreiheit versteht. Für die Frage, was unter dem Begriff 'Freiheitsbeschränkung' im Sinn dieses Gesetzes zu verstehen ist, sind daher auch die Judikatur und das Schrifttum zum PersFrG und zum Unterbringungsrecht heranzuziehen (siehe zum Folgenden vor allem Kopetzki in Korinek/Holoubek [Hrsg] Österreichisches Bundesverfassungsrecht III Rz 18 - 46 zu Art. 1 PersFrG; Kopetzki, Unterbringungsrecht II, 459 ff). Eine Freiheitsbeschränkung im Verständnis dieses Gesetzes liegt immer dann vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird, ihren Aufenthalt nach ihrem freien Willen zu verändern. Dabei ist zunächst die Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bereich wesentlich. ...

Neben der Allseitigkeit der Beschränkung ist die Unterbindung persönlicher Ortsveränderungen mit physischen Mitteln ein zentrales Kriterium. § 3 Abs 1 definiert daher die Freiheitsbeschränkung als Unterbindung der Ortsveränderung durch den Einsatz oder die Androhung physischer Mittel gegen oder ohne den Willen des Bewohners. Dabei werden die wichtigsten dieser physischen Mittel, nämlich mechanische, elektronische und medikamentöse Maßnahmen, beispielhaft aufgezählt. Solche physischen Mittel sind etwa unmittelbare körperliche Zugriffe mit dem Ziel, den Bewohner zurückzuhalten. Beispiele hiefür sind etwa die Anbringung eines Steckgitters am Bett, das Vorstellen eines Sessels oder Tisches, die Entfernung einer Gehhilfe, die Verhinderung des Aufstehens aus dem Rollstuhl oder einer anderen Sitzgelegenheit mittels eines Fixiergurts, einer 'Fixierhose' oder eines Leintuchs oder auch das körperliche Festhalten. ...

Keine Freiheitsbeschränkung liegt dagegen vor, wenn sich die betreute oder gepflegte Person auch ohne die Maßnahme nicht fortbewegen kann. So ist die Anbringung eines Sitzgurts, die den drohenden Sturz eines gelähmten Menschen aus dem Rollstuhl verhindern soll, nicht als Freiheitsbeschränkung zu qualifizieren, wenn die Anbringung des Gurtes in einer notwendigen Gesamtbetrachtung in Wahrheit seinen Bewegungs- und Handlungsspielraum (zB zur Einnahme der Mahlzeiten im Speisesaal) erhöht. Wenn weiter einem Bewohner - namentlich bei Bewusstlosigkeit - überhaupt die Möglichkeit zu einer willkürlichen körperlichen Bewegung fehlt, kann ebenfalls nicht von einer Freiheitsbeschränkung gesprochen werden. Schutzgitter, die an einem Bett angebracht werden, um ein Herausfallen durch unwillkürliche Bewegungen des Betroffenen (z. B. spastische Bewegungen oder unwillkürliche Bewegungen im Schlaf) zu verhindern, sind also keine freiheitsentziehenden Maßnahmen. Und schließlich ist auch bei einem in Folge einer Operation und der damit verbundenen Anästhesie geistig noch beeinträchtigten Patienten, der zu seinem Schutz 'fixiert' wird, keine Freiheitsbeschränkung anzunehmen." (ErläutRV aaO). Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend kann eine Freiheitsbeschränkung im Sinne des HeimAufG also nur an jemandem vorgenommen werden, der grundsätzlich (noch) über die Möglichkeit zur willkürlichen körperlichen (Fort-)Bewegung (mit Ortsveränderung) verfügt (Barth, Am „Schauplatz" Pflegeheim oder von der Freiheit, zu stürzen oder eine Behandlung abzulehnen [Manuskript für die „Österreichische Juristenkommission Weissenbach Mai 2006", das im NWV publiziert werden wird], 10; Barth/Engel, Heimrecht, § 3 HeimAufG Anm 12; Laimer/Russegger/Thiele, HVerG und HeimAufG, 20; Zierl, Heimrecht, 110).

Auf die Bildung eines (vernünftigen) Fortbewegungswillens und darauf, ob sich der betroffene Bewohner der Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit bewusst ist, kommt es dagegen nicht an (Barth/Engel, aaO; dieselben, Das Heimaufenthaltsgesetz: Die neuen gesetzlichen Regeln über freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Heimen und ähnlichen Einrichtungen, ÖJZ 2005/23, 401 ff [405] FN 40; Klaushofer, HeimAufG: Ein erster Überblick, ZfV 2004/1229 FN 61; 1 Ob 584/93; 6 Ob 198/02i = EFSlg 101.274 mwN).

Außerdem kann die Bewegungsfreiheit nicht nur selbständig, sondern auch mit fremder Hilfe (zB durch Schieben eines Rollstuhls) in Anspruch genommen werden. Die Freiheitsentziehung kann daher gegenüber jedermann erfolgen, der - sei es durch die Hilfe Dritter - die Möglichkeit körperlicher Bewegung und Ortsveränderung hat (Barth aaO, 10 FN 28 [mit Hinweis auf Kopetzki in Korinek/Holoubeck Art 1 PersFrG Rz 3]).

Demgemäß wendet sich der Revisionskurs zu Recht dagegen, dass das Rekursgericht (schon deshalb) den Überprüfungsantrag des Bewohnervertreters abgewiesen hat, weil hier - infolge Verlusts der Fähigkeit, sich „selbständig fortzubewegen" - keine der Bewohnerin noch mögliche „Orts- bzw Lageveränderung" unterbunden werde, sodass den Seitengittern die Qualifikation einer freiheitsbeschränkenden bzw -entziehenden Maßnahme im Sinne des § 3 Abs 1 HeimAufG fehle: Auch der Schutz des HeimAufG entfällt nämlich nicht schon deshalb, weil ein Bewohner seine Bewegungsfreiheit auf Grund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes „ohnehin nicht in Anspruch nehmen kann" oder infolge seiner schweren psychischen Beeinträchtigung die Freiheitsbeschränkung „nicht bewusst erlebt" (so nach den - auch hier maßgebenden - Grundsätzen des Unterbringungsrechts bereits: 6 Ob 198/02i und - für den Bereich des HeimAufG - auch Kopetzki im seiner Glosse zu LGZ Wien FamZ 2006/39, 99).

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in einer - vereinzelt gebliebenen - Entscheidung ausgesprochen, dass ein Patient im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit kein Bewusstsein und keine Bewegungsfreiheit mehr besitze, weshalb deren Einschränkung begrifflich nicht in Frage komme (4 Ob 534/94 = SZ 67/87 = RIS-Justiz RS0075852). Abgesehen davon, dass diese Ansicht bereits mit der Begründung, dass die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde gerade eines tief Bewusstlosen wegen des Abganges eigener Reaktionsfähigkeit auf etwaige Angriffe als besonders schutzbedürftig anzusehen seien, abgelehnt wurde (6 Ob 559/94 = SZ 67/91), liegt in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung - wie auch in dem zum UbG entschiedenen Fall 6 Ob 198/02i ausgesprochen wurde - gar kein vergleichbarer Sachverhalt vor:

Aus den unbekämpft festgestellten, der Bewohnerin offenbar noch möglichen Abwehrhandlungen („Schreien, Protest, Zwicken, Schimpfen" im Zusammenhang mit der im Beschluss vom 10. 3. 2006 rechtskräftig für unzulässig erklärten Maßnahme des zwangsweisen Duschens [ON 10]), die bereits zu einem Unfall geführt haben, ergibt sich vielmehr, dass sie weder gelähmt noch auf spastische Bewegungen oder unwillkürliche Bewegungen im Schlaf beschränkt ist und sich auch nicht im Zustand tiefer Bewusstlosigkeit befindet. Wenn sie zu einer selbständigen Fortbewegung nicht mehr in der Lage ist, beruht dies auf ihrer fortgeschrittenen Altersdemenz und der daraus resultierenden Orientierungslosigkeit. Gerade diese psychische Erkrankung im Sinne des § 4 Z 1 HeimAufG (vgl die diesbezügliche Klarstellung in den ErläutRV [353 BlgNR 22. GP 10] bzw Barth/Engel, ÖJZ 2005/23, 403 FN

17) ist aber eine der (materiellen) Voraussetzungen für die vom Gericht zu überprüfende Zulässigkeit der hier zu beurteilenden Maßnahme; während es - wie bereits ausgeführt - auf das Fehlen eines „vernünftigen Fortbewegungswillens", also auf den vom Sachverständigen verneinten Wunsch der Bewohnerin, „den Ort zu verändern" (AS 85), und darauf, ob ihr die Freiheitsbeschränkung bewusst ist, ebenso wenig ankommt wie auf den Umstand, dass sie wegen ihres schlechten gesundheitlichen Zustandes nicht mehr in der Lage ist, die grundsätzlich noch vorhandene Bewegungsfreiheit (ohne die Hilfe Dritter) in Anspruch zu nehmen. Die Ansicht des Rekursgerichtes, dass die der Anbringung von Seitengittern am Bett der betroffenen Bewohnerin immanente Freiheitsbeschränkung in einem derartigen Fall keiner gerichtlichen Kontrolle bedürfe, steht damit in unlösbarem Widerspruch (vgl 6 Ob 198/02i, ebenso LGZ Wien, FamZ 2006/39, 98 [Kopetzki]).

Dessen ungeachtet hat das Gericht zweiter Instanz eine Entscheidung über die Zulässigkeit der freiheitsbeschränkenden Maßnahme schon mangels Vorliegens einer solchen abgelehnt und den Beschluss über die Zulässigerklärung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme im antragsabweisenden Sinne „abgeändert". Dies beruht zwar auf einer vom Obersten Gerichtshof aus den dargelegten Gründen nicht gebilligten Rechtsansicht, für den Standpunkt des Revisionsrekurswerbers, der ausschließlich die Versagung des gerichtlichen Rechtsschutzes infolge „Abweisung" seines Überprüfungsantrages durch das Rekursgericht bekämpft, ist daraus aber nichts zugewinnen: In der angefochtenen Entscheidung wird nämlich auch ausgesprochen, dass dem Rekurs des Bewohnervertreters „im Ergebnis" keine Berechtigung zukommt. Damit hat das Rekursgericht dem (weiterhin eine gegenteilige Entscheidung anstrebenden) Antrag des Bewohnervertreters ebenso wenig wie das Erstgericht stattgegeben und in Wahrheit die Entscheidung des Erstgerichtes ungeachtet der Formulierung seines Spruches (wenn auch mit anderer Begründung als das Erstgericht) bestätigt. Der erkennende Senat hat sich erst jüngst (E v 25. 1. 2006, 7 Ob 305/05m) mit einer Freiheitsbeschränkung nach den - auch hier maßgebenden - Grundsätzen des Unterbringungsrechts befasst und dazu festgehalten, dass das dortige Rekursgericht der Rechtsprechung zu § 33 UbG (RIS-Justiz RS0075878 [T4]; RS0075921; RS0075913; RS0105729) gefolgt sei, wonach die Beschränkung des zur Erreichung des angestrebten Zieles „unerlässlich" sein müsse und „zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen" dürfe, also der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs gelte, wobei die Zulässigkeit einer bewegungseinschränkenden Maßnahme immer im Einzelfall zu beurteilen sei (10 Ob 337/99b mwN). Wenn es aufgrund der konkreten Tatumstände zum Entscheidungszeitpunkt die von § 33 UbG geforderte Verhältnismäßigkeit (vgl dazu 10 Ob 337/99b) bejaht habe, sei darin keine Fehlbeurteilung zu erkennen.

Gleiches gilt für den hier zu beurteilenden Fall.

Entgegen den Rechtsmittelausführungen ist in diesem Zusammenhang nämlich keineswegs erst „im fortgesetzten Verfahren" zu klären, ob die Betroffene des „Schutzes der Bettgitter" bedarf, um vor selbstgefährdenden Stürzen aus dem Bett bewahrt zu werden. Es ist vielmehr von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen auszugehen, wonach die Bewohnerin - ohne die inkriminierte Maßnahme - in ihrer Gesundheit insoferne ernstlich und erheblich gefährdet wäre, als sie in ihrem Gefühl der Orientierungslosigkeit ohne die Anbringung von Bettgittern deutlich verstärkt werde, was zur Beschleunigung des Krankheitsverlaufes beitrage und ihr Wohlbefinden erheblich beeinträchtige, wobei diese Gefahr nicht in anderer Weise als durch das Anbringen von Bettgittern abgewendet werden könne, da sich konkrete und ausreichende Pflege- und Betreuungsalternativen nicht ergeben hätten.

Auf dieser Grundlage ist die Beurteilung, dass die Voraussetzungen des § 4 Z 1 bis 3 HeimAufG hier erfüllt seien, nicht zu beanstanden. Dem Revisionsrekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

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