Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruches mit der Begründung für zulässig erklärt, die beklagten Parteien hätten auf Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verwiesen, wonach Ansprüche nach § 1326 ABGB nicht in Betracht kommen könnten, wenn die Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Folge der erlittenen Verletzungen sei. Aus diesen Entscheidungen gehe aber nicht ausdrücklich hervor, ob dies auch für den Fall gelte, dass auch die Verunstaltung zu einer Behinderung des besseren Fortkommens führt. Diese Frage sei von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.
Die von den beklagten Parteien gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil zu der als erheblich bezeichneten Rechtsfrage bereits höchstgerichtliche Judikatur besteht. Aber auch in der Revision wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.
Der Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung ist dann geboten, wenn das durch die Verunstaltung hervorgerufene äußere Erscheinungsbild das bessere Fortkommen beeinträchtigen kann (2 Ob 111/04v; 5 Ob 260/05d; RIS-Justiz RS0031366). Dabei ist unter der Behinderung des besseren Fortkommens im Sinne des § 1326 ABGB nicht bloß die Verhinderung des beruflichen Aufstieges, sondern ganz allgemein die konkrete Gefahr zu verstehen, dass eine sonst mögliche Verbesserung der Lebenslage infolge der nachteiligen Veränderung der äußeren Erscheinung entfallen könnte (2 Ob 111/04v; RIS-Justiz RS0031223). Der Beweis der Behinderung eines bestimmten besseren Fortkommens ist nicht erforderlich; es genügt vielmehr die bloße Möglichkeit einer solchen Behinderung (ZVR 1988/131; 5 Ob 260/05d; RIS-Justiz RS0031366, RS0031385), die allerdings nicht abstrakt, sondern nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist. Es reicht aus, wenn solche Nachteile nur in einem geringen Grad wahrscheinlich sind, wobei es ungewiss bleiben kann, ob der Schaden einmal eintreten wird. Der Eintritt des Schadens darf nur praktisch nicht ausgeschlossen sein (2 Ob 111/04v; RIS-Justiz RS0031344). In diesem Zusammenhang wurde in der Rechtsprechung ein dauernd negativ verändertes Gangbild, wie etwa ein hinkender Gang, als hinreichender Grund für den Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung bejaht (ZVR 1978/176; ZVR 1982/114; 8 Ob 84/86; 7 Ob 29/05y; 5 Ob 260/05d ua).
In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde auch der Rechtssatz geprägt, dass Ansprüche nach § 1326 ABGB dann nicht in Betracht kommen könnten, wenn die Verletzung zu einer Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit führt, „weil dann eben eine Möglichkeit der Behinderung des besseren Fortkommens nur auf die eingetretene Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, nicht aber auf die erlittene Verunstaltung zurückgeführt werden kann" (ZVR 1974/141; ZVR 1978/263; ZVR 1981/98; ZVR 1982/392; 8 Ob 8/85; 8 Ob 84/86 ua; RIS-Justiz RS0031091). Soweit ersichtlich lagen diesen Fällen jedoch - anders als im vorliegenden Fall - keine Feststellungen zugrunde, nach denen die mögliche Behinderung des besseren Fortkommens nicht nur auf die verminderte Erwerbsfähigkeit, sondern auch auf die erlittene Verunstaltung zurückzuführen war. So wurden in einigen der zitierten Entscheidungen bei verletzungsbedingt geminderter Arbeitsfähigkeit des Geschädigten dessen Ansprüche nach § 1326 ABGB nur deshalb abgelehnt, weil er seiner diesbezüglichen Behauptungs- und Beweislast nicht entsprochen hatte (ZVR 1978/263; 8 Ob 8/85). Folgerichtig wurde in manchen Entscheidungen der gänzliche Ausschluss von Ansprüchen nach § 1326 ABGB auf die Fälle der Erwerbsunfähigkeit des Verletzten beschränkt (so ausdrücklich 2 Ob 1/93; auch 4 Ob 515/93; RIS-Justiz RS0030648; vgl auch Danzl in KBB, § 1326 ABGB Rz 7; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1326 Rz 11; krit Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1326 Rz 11). In der Entscheidung 1 Ob 161/00h = ZVR 2001/25 hat der Oberste Gerichtshof schließlich - wenngleich im Zusammenhang mit der hier nicht relevanten Verminderung der Heiratsaussichten - dargelegt, dass selbst dieser Rechtssatz in dieser allgemeinen Aussage nicht aufrecht erhalten werden könne. Dem Verletzten könne eine Verunstaltungsentschädigung nicht versagt werden, wenn die Behinderung des besseren Fortkommens in irgendeiner Weise auf die Verunstaltung zurückzuführen sei.
In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist ferner anerkannt, dass die Ansprüche nach § 1325 und § 1326 ABGB nebeneinander möglich sind (RIS-Justiz RS0030677; Reischauer aaO). Die Möglichkeit konkurrierender Ansprüche auf Verunstaltungsentschädigung und Ersatz des Verdienstentganges wurde in der ausführlich begründeten Entscheidung ZVR 1978/176 bejaht. Im damaligen Anlassfall war ein 21-jähriger Maurer wegen seiner unfallbedingt geminderten Arbeitsfähigkeit gezwungen gewesen, aus dem erlernten Beruf auszuscheiden und sich beruflich neu zu orientieren. Als dauernde Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB war auch bei ihm ein hinkendes Gangbild verblieben. Der Senat bejahte den Anspruch nach § 1326 ABGB und führte aus, die Frage, ob Ansprüche auf Verunstaltungsentschädigung und Ersatz des Verdienstentganges nebeneinander bestehen könnten, hänge für den Bereich des beruflichen Fortkommens davon ab, ob der Verletzte nur infolge der unfallbedingten Verminderung seiner Arbeitsfähigkeit behindert war, eine bessere berufliche Stellung zu erreichen oder ob hiefür auch die eingetretene Verunstaltung maßgebend sei. Bei der Beurteilung dieser Frage wurde auch auf die möglichen Nachteile des damaligen Klägers in seinem nunmehrigen Ersatzberuf abgestellt und betont, dass sich die durch das Hinken bewirkte Verunstaltung auf sein Fortkommen in diesem Beruf nachteilig auswirken könne.
Den Grundsätzen dieser - unverändert aktuellen (vgl nur die Zitate bei Danzl aaO, Reischauer aaO und Fucik/Hartl/Schlosser, Verkehrsunfall VI, Kapitel IV Rz 88) - Entscheidung ist der Oberste Gerichtshof auch etwa in ZVR 1982/114 (= RIS-Justiz RS0031158), 8 Ob 84/86, 2 Ob 1/93 und 4 Ob 515/93 gefolgt.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur. Das Erstgericht hat - im Zuge der Beweiswürdigung - festgestellt, das Hinken des Klägers trage mit dazu bei, dass er von Arbeitgebern nicht eingestellt werde. Daraus folgt, dass die Benachteiligung des Klägers auf dem Arbeitsmarkt nicht nur auf die erlittenen Verletzungen und die dadurch bedingte Verminderung seiner Erwerbsfähigkeit, sondern auch auf die verbliebene Verunstaltung zurückzuführen ist. Das Argument der beklagten Parteien, sämtliche berufliche Nachteile des Klägers seien ohnedies durch ihre laufenden Verdienstentgangszahlungen abgegolten, lässt unberücksichtigt, dass im Falle des 1973 geborenen Klägers, der seinen bisherigen Beruf als Automatenaufsteller ebenso wie den erlernten Beruf als Koch und Kellner nicht (mehr) ausüben kann, trotz dessen gesundheitlicher Beeinträchtigung die künftige Ausübung eines annähernd gleichwertigen Ersatzberufes mit Aufstiegschancen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann und die Möglichkeit einer Schmälerung dieser Chancen wegen der Verunstaltung besteht. Dabei darf es dem Kläger schon zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nicht zum Nachteil gereichen, dass seine Bemühungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes bisher erfolglos verlaufen sind.
Dem Berufungsgericht ist somit keine Fehlbeurteilung unterlaufen, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Die Höhe der zuerkannten Verunstaltungsentschädigung wird von den beklagten Parteien nicht mehr releviert.
Da es der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedurfte, war die Revision der beklagten Parteien als unzulässig zurückzuweisen.
Ein Kostenzuspruch an den Kläger kommt nicht in Betracht, weil die Revisionsbeantwortung bereits vom Berufungsgericht als verspätet zurückgewiesen wurde.
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