OGH 10Ob2/06a

OGH10Ob2/06a27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem 18. Jänner 2005 verstorbenen Johann D*****, geboren am 14. Juli 1940, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, über den Revisionsrekurs der Antragsteller 1. Elfriede K*****, geboren am 28. Juni 1963, *****, 2. Andreas D*****, geboren am 2. Juli 1966, *****, 3. Wolfgang D*****, geboren am 10. Mai 1960, *****, Frankreich, und 4. Johann D*****, geboren am 3. Oktober 1961, *****, alle vertreten durch Dr. Oswin Lukesch und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 22. November 2005, GZ 10 R 67/05p-36, womit der das Erbrecht der Antragsgegnerin Edith W*****, geboren am 25. Oktober 1960, *****, vertreten durch Mag. Guido Zorn, Rechtsanwalt in Wien, feststellende Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 22. September 2005, GZ 1 A 44/05p-30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragsgegnerin die mit EUR 2.636,03 (darin EUR 439,34 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Erblasser Johann D*****, geboren am 14. Juli 1940, ist am 18. Jänner 2005 unter Hinterlassung eines notariellen (schriftlichen) Testaments vom 14. Februar 1992 verstorben, in dem er seine (damalige) Ehefrau, die nunmehrige Antragsgegnerin, zu seiner Alleinerbin einsetzte. Sie sollte Eigentümerin mehrerer Liegenschaftsanteile werden. Seinem 1988 geborenen Sohn aus der Ehe mit der Antragsgegnerin vermachte er einen Hälfteanteil an einer bestimmten Liegenschaft (die zweite Hälfte, belastet mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des gemeinsamen Sohnes, sollte die Antragsgegnerin erben). Die Antragsgegnerin wurde verpflichtet, den vier Kindern aus erster Ehe, den nunmehrigen Antragstellern, zur Abfindung ihrer Pflichtteilsansprüche jeweils den wertgesicherten Betrag von ATS 150.000,-- innerhalb von sechs Monaten ab dem Tod auszuzahlen.

Auch die zweite Ehe des Erblassers wurde - mit Beschluss vom 13. August 2004, 1 C 84/04 h - geschieden.

Aufgrund des Gesetzes wären die fünf erblasserischen Kinder, nämlich die vier Kinder aus der ersten Ehe (die nunmehrigen Antragsteller) und der Sohn aus der zweiten Ehe mit der Antragsgegnerin zu je 1/5 des Nachlasses zur Erbschaft berufen.

Die Antragsgegnerin hat aufgrund des Testaments vom 14. 2. 1992 zum gesamten Nachlass eine bedingte Erbantrittserklärung abgegeben, die vier Kinder aus der ersten Ehe aufgrund des Gesetzes - ohne Nennung von Quoten - ebenfalls je bedingte Erbantrittserklärungen. Der durch eine Kollisionskuratorin vertretene Sohn aus zweiter Ehe hat sich die Abgabe einer Erbantrittserklärung vorbehalten (Protokoll ON 4).

Das Erstgericht hat über die widerstreitenden Erbantrittserklärungen dahin entschieden, dass das Erbrecht der Antragsgegnerin festgestellt wurde, während die von den Kindern aus erster Ehe aufgrund des Gesetzes abgegebenen Erbantrittserklärungen abgewiesen wurden (ON 30).

Über den eingangs angeführten Sachverhalt hinaus stellte das Erstgericht fest, dass die im Testament vom 14. Februar 1992 enthaltene Bezeichnung der nunmehrigen Antragsgegnerin als „Ehefrau" der in dem Notariat, in dem das Testament errichtet wurde, im Sinne einer Personenkonkretisierung üblichen Textierung entsprach; damit sollte nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass der (Weiter-)Bestand der Ehe als solcher das ausschließliche Motiv der Erbseinsetzung war. Es ist auszuschließen, dass der Testator während des Ehescheidungsverfahrens bzw im Zeitraum zwischen der Ehescheidung und seinem Tod auf die Existenz des Testaments vom 14. Februar 1992, vergessen hätte.

Im Scheidungsfolgenvergleich vereinbarten der Erblasser und die Antragsgegnerin die gemeinsame Obsorge für ihren Sohn und trafen Verfügungen über den Erlös aus dem Verkauf von ihnen gehörigen Liegenschaften.

In seiner rechtlichen Beurteilung erachtete es das Erstgericht als erwiesen, dass der aufrechte Bestand der Ehe zwischen dem Erblasser und der Antragsgegner jedenfalls nicht einziges Motiv der Erbseinsetzung gewesen sei; aus diesem Grund sei ein beachtlicher Motivirrtum gemäß § 572 ABGB zu verneinen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der vier Kinder aus erster Ehe nicht Folge. Es sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 20.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht betrachtete zwar Teile der erstgerichtlichen Feststellungen als bedenklich, hielt diese aber für rechtlich irrelevant. Als unbedenklich wurde die Feststellung angesehen, es könne ausgeschlossen werden, dass der aufrechte Bestand der Ehe mit der Antragsgegnerin der einzige Beweggrund für die Erbseinsetzung gewesen sei. Den das Testament bestreitenden Antragstellern sei der Nachweis, dass einzig und allein das irrige Motiv für die Willensbildung des Erblassers maßgeblich gewesen sei, nicht gelungen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es sich bei der Frage der Auswirkungen einer nachfolgenden Ehescheidung auf die Wirksamkeit einer Erbseinsetzung eines Ehegatten (zugunsten des anderen) um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung handle, der zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme. Dazu komme, dass allenfalls der infolge eines Irrtums unterbliebene, nach der Situation jedoch dem anzunehmenden Wunsch des Erblassers entsprechende Widerruf einer letztwilligen Anordnung beachtlich sein könnte; dazu liege bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der vier Kinder aus erster Ehe mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Ungültigkeit des Testaments vom 14. 2. 1992 festgestellt, die Erbsantrittserklärung der Antragsgegnerin nicht angenommen werde und die Erbsantrittserklärungen der Antragsteller zu Gericht angenommen werden, in eventu dies (nur) in Bezug auf Punkt 2.) des Testaments vom 14. 2. 1992 - unter Aufrechterhaltung des Testaments in den Punkten 3.) - 5.) - auszusprechen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes nicht zulässig.

§ 572 ABGB misst in eingeschränkterer Weise auch dem Motivirrtum Relevanz zu: Nach dieser Bestimmung bleibt zwar grundsätzlich eine Verfügung gültig, auch wenn der vom Erblasser angegebene Beweggrund falsch befunden wird; im zweiten Halbsatz ist allerdings folgende Ausnahme von der Grundregel vorgesehen: „es wäre denn erweislich, dass der Wille des Erblassers einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrunde beruht habe". Im Hinblick auf die Wortfolge „einzig und allein" werden von der Rechtsprechung an den Nachweis des Kausalzusammenhanges zwischen Motiv und Erklärung besonders strenge Anforderungen gestellt (4 Ob 606/88 = JBl 1989, 446). Entgegen der überwiegenden Lehre, die den einfachen Kausalzusammenhang genügen lässt (Welser in Rummel3 §§ 570 - 572 Rz 3; siehe auch die Nachweise bei Eccher in Schwimann, ABGB3 III § 572 Rz 1), wird von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung der „Nachweis der Ausschließlichkeit des irrigen Beweggrundes" gefordert (RIS-Justiz RS0012420, RS0012441 [T1], RS0012445; zustimmend jüngst Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden - zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ZPO, NZ 2002, 193 [198]); zumindest darf kein anderes wesentliches Motiv - als nicht ausschließbar - übrig bleiben (7 Ob 623/79 = SZ 52/173 = JBl 1980, 534; 4 Ob 606/88 = JBl 1989, 446; RIS-Justiz RS0012439; Apathy in KBB § 572 Rz 4). Die ganz herrschende Ansicht hält es dabei für irrelevant, ob der die Anfechtung ermöglichende Beweggrund in der Verfügung genannt ist oder nicht (Apathy in KBB § 572 Rz 4), dh dass auch ein Irrtum über einen nicht angegebenen Beweggrund zur Anfechtung führen kann (Eccher in Schwimann, ABGB3 III § 572 Rz 2). Die Beweislast für das Vorliegen eines relevanten Motivirrtums und für den angeführten strengen Kausalzusammenhang trifft nach den allgemeinen Beweislastregeln denjenigen, der die Wirksamkeit der Verfügung bekämpft (7 Ob 634/84; RIS-Justiz RS0012443); im Zweifel hat die Verfügung - auch iSd favor testamenti - aufrecht zu bleiben.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes weicht nicht von der dargestellten und weiterhin aufrecht zu erhaltenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung (zB 7 Ob 634/84) ab. Demnach bleibt die Erbseinsetzung der geschiedenen Gattin aufrecht, weil sowohl für Testamentserrichtung als auch Erbseinsetzung weitere Motive als dasjenige des Aufrechtbleibens der Ehe nicht auszuschließen sind. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass der deutsche Bundesgerichtshof in einem von der Wertung her ansatzweise vergleichbaren Fall, nämlich zur Frage, ob der als Begünstigter aus einer Lebensversicherung genannte Ehegatte nach Scheidung der Ehe bezugsberechtigt bleibt, entschieden hat, dass die Einsetzung nicht ohne weiteres durch die Scheidung wegfällt (BGH IV ZA 8/75 = VersR 1975, 1020; siehe auch OLG Hamm 20 U 6/01).

Dass die irrtümliche Unterlassung des Widerrufs eines Testaments dieses nicht ungültig machen kann, bedarf keiner näheren Erläuterung.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs der Antragsteller zurückzuweisen.

Da die Antragsgegnerin zu Recht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat, sind ihr gemäß § 78 Abs 2 S 1 AußStrG die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung im Verfahren über das Erbrecht (§ 185 AußStrG) zu ersetzen.

Stichworte